Luca Nichettos Entwürfe bekennen Farbe
KURIER: Sie haben Ihre Karriere bei Muranoglas begonnen – wie hat Sie diese Zeit geprägt?
Luca Nichetto: Ich bin auf der Insel Murano geboren und aufgewachsen. Meine Mutter hat Glas dekoriert, mein Großvater war Glasbläser. Ich konnte während meines Designstudiums jeden Entwurf in der Manufaktur umsetzen. Die Glasindustrie hat mir beigebracht, wie wichtig die Beziehung zwischen den Menschen ist, die miteinander arbeiten.
Die Glasbläser bei Murano arbeiten mit tausend Grad heißem Material, das gleichzeitig weich und hart ist. Während dieses Prozesses habe ich oft nur drei Sekunden, um zu entscheiden, inwiefern die Form verändert werden soll. Gute und klare Kommunikation ist dabei essenziell.
Verändern sich währenddessen die ursprünglichen Entwürfe?
In diesem Prozess lernt man, den Kompromiss zu akzeptieren, und versteht, dass ein Kompromiss nichts Schlechtes ist. Im Gegenteil, er kommt dem Objekt zugute, denn die Handwerker haben wichtigen Input zu geben.
Sie sind in Italien geboren und haben in Schweden gelebt. Der Designzugang in diesen beiden Ländern ist sehr unterschiedlich. Wie kombinieren Sie diese Stile?
Skandinavisches Design stellt die Funktion in den Mittelpunkt, zudem wird viel Aufmerksamkeit auf nachhaltige Kreislaufwirtschaft gelegt. Das war neu für mich. Italienisches Design will ein Statement setzen und Emotionen transportieren. Ich lege den Fokus auf gute Qualität und funktionale sowie ökologische Aspekte.
Wie haben diese Erfahrungen die Arbeit mit Wittmann beeinflusst?
Ich verbinde meine Herkunft gern mit der Tradition des jeweiligen Unternehmens. Bei Wittmann habe ich versucht, die österreichische und Wiener Tradition zu absorbieren. Daraus entsteht ein Schmelztiegel, aus dem ich schöpfen kann.
Was war die Herausforderung beim Andes-Sofa?
Das Sofa sollte in eine Mikrowohnung in Tokio genauso wie in eine Villa in Beverly Hills passen. Die Recherche hat mich zu Josef Hoffmann geführt. Die Silhouette des Sofas ist von einem Löffel, den Hoffmann designt hat, abgeleitet.
Wir befinden uns in einer Pandemie. Welchen Beitrag kann Design leisten, damit wir als Menschheit besser durch diese Krise kommen?
Covid-19 hat uns als Gesellschaft schnell gezeigt, was gerade nicht funktioniert. Die Designindustrie muss daraus lernen und selbstbestimmter mit Entwürfen umgehen. Die Branche war zu lange auf sich selbst fokussiert und hat zu wenig an die Nutzer gedacht und daran was sie brauchen und wollen.
In den vergangenen sieben Monaten hat sich das Wohnen verändert, auch Restaurants und Hotels müssen neu gedacht werden. Jetzt ist die Zeit für echte Projekte und weniger Zeit für Kosmetik.
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