„Warum soll ich Wände um das Badezimmer bauen, die mir das Licht nehmen?“ Georg Bechter gibt sich auf diese Frage eine architektonische Antwort und platziert die Badewanne im Schlafzimmer – ohne Wand, dafür mit Vorhang.
„Dadurch können wir visuell Abstand nehmen, wenn wir wollen“, sagt er. Akustisch geht das nicht. Denn: Bechter lebt mit seiner Freundin in einem Loft mit nur einer einzigen Tür im Innenbereich. Probleme ergeben sich dadurch nicht, aber „man muss sich darauf einlassen.“ Die Großzügigkeit überzeugt und „alle träumen vom Loft“, nachdem sie von Georg Bechter eine Führung durch die ehemalige Scheune bekommen haben.
Ein klassisches Bauernhaus in Hittisau, Vorarlberg, aus dem 18. Jahrhundert: vorne der Wohnbereich, hinten Stall und Scheune. Saniert hat Architekt Georg Bechter überraschenderweise die Scheune – und zwar zum 150 Quadratmeter Loft.
„Der Raum spielt alle Stücke und die Baukosten waren relativ günstig“, so Bechter. 300.000 Euro (ohne Steuer), um genau zu sein. Die Betonplatte am Boden speichert Sonnenenergie. Die Warmwasseraufbereitung wird von Solarzellen am Dach unterstützt.
Sollte es doch zu kalt werden, werden Pellets verheizt und die Fußbodenheizung aktiviert. Und wo ist nun die einzige Innentüre? Bechter: „Mitten im Raum. Rundherum sind Kühlschrank, Stauraum und Treppe verbaut. An der Hinterseite führt die Tür in ein Bad.“
Auch Innenarchitekt Heinz Glatzl sieht das Loft als einen Jugendtraum vieler Kunden. Tatsächlich leben aber nur wenige Menschen in einem – sie ziehen konventionelle Wohnräume vor.
Aber warum?
Heinz Glatzl sieht den Bestand nicht gegeben: „Nach einem cool sanierten Loft sehnen sich viele. Das ist hierzulande aber nur beschränkt zu finden.“ Denn die Backsteintradition war nicht so stark ausgeprägt, wie in Berlin und London – und wenn doch Bauten vorhanden waren, seien sie radikal weggerissen worden.
„Ein Loft war früher ein Produktionsbetrieb und von den wenigen, die es in Wien gegeben hat – wie die Danubia AG im 19. Bezirk – hat man sich schnell verabschiedet.“
Wo 1822 Seidengarn gesponnen und aufgefädelt worden ist, steht nun ein Bett. Für die 200 Arbeiterinnen von damals ein undenkbares und wahrscheinlich auch ungemütliches Szenario. Schließlich haben die Transmissionsräder einen gehörigen Lärm veranstaltet, während die edlen Fäden aufbereitet wurden.
Heinz Glatzl von Mayr & Glatzl Innenarchitektur und Bauplanung: „Wir haben uns die Struktur genau angesehen und Blickachsen kreiert, die dem 250 Quadratmeter großen Bestand gerecht werden.“
Besonders wichtig: die Maschinen und die vier Meter hohen Räume gekonnt in Szene zu setzen. Die industrielle Atmosphäre des Lofts wird durch die Türen aus Stahlrahmen und Glas verstärkt.
Außerdem müsse man auch der Typ für diese Wohnform sein, weiß Georg Bechter. Schließlich ist „alles transparenter, als bei zellularen Strukturen“. Dafür bringt die Offenheit viel Freiraum.
Hell, großzügig, industriell
Die Vorzüge des klassischen Lofts schätzt Richard Buxbaum von Otto Immobilien. Ein ehemaliges Fabriksgebäude, das zu einer Wohnung umfunktioniert wurde, bietet hohe Räume, viel Licht und besondere Atmosphäre. „Das klassische Loft-Angebot ist in Wien begrenzt und daher im höheren Preissegment angesiedelt“, erklärt er.
Das bestätigt Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin von EHL Immobilien: „Lofts sind oft Sonderwünsche. Den Kunden ist die Großzügigkeit so viel wert, dass sie für zwei Zimmer genauso viel zahlen, wie für vier Zimmer im Standard-Grundriss.“
„Die Bauherren wollten großzügig wohnen und fließende Übergänge“, sagt Nikolaus Westhausser von Stadtgut Architekten. Auf Wunsch hat er die 170 Quadratmeter große Gründerzeitwohnung in Wien als Loft geplant.
Die größte Herausforderung war, zwei tragende Wände zu entfernen. Zur statischen Kompensation wurden schwere Stahlrahmen eingesetzt. „Wir haben sie sichtbar gelassen, da wir den Ioft-artigen Industriecharakter erhalten wollten“, sagt Westhausser. Pro Rahmen müssen Bauherren mit Zusatzkosten zwischen 15.000 und 25.000 Euro rechnen.
Stadtgut Architekten hat auch die Möblierung gestaltet. Darunter auch die Küche, die hinter einer Faltschiebewand verschwindet.
Eine moderne Version des Lofts sieht Immobilienexperte Buxbaum in offen gestalteten Wohnungen ohne Wände. „Sie bieten eine ähnliche Atmosphäre, sind ebenfalls sehr beliebt und verfügen über einen praktischen Grundriss“, erklärt der Immobilienexperte. Sie seien mit klassischen Lofts aber nicht zu vergleichen, da der Industrie-Charakter fehlt.
Loftelemente in Microwohnungen
Nichtsdestotrotz helfen die Grundideen des Lofts, die Strukturen von aktuellen Neubauten zu verbessern – insbesondere im Hinblick auf immer kleiner werdende Wohnräume. Architektin Silvia Prager von Open Architecture verarbeitet Elemente, wie durchgehend hohe Fensterfronten und den Verzicht von Zwischenwänden, um Stadtwohnungen mit 35 bis 52 Quadratmeter optimal nutzen zu können.
Architektin Silvia Prager von Open Architecture stand für das Projekt „Paula“ vor einem herausfordernden Grundriss: 52 Quadratmeter auf zwei Ebenen aufgeteilt.
Um so viel Licht wie möglich in den Raum zu holen und die Flächen zudem offen und großzügig gestalten zu können, hat sie auf Elemente aus der Loftgestaltung zurückgegriffen. Daher reichen die Fensterfronten über die gesamte Raumhöhe und damit beide Stockwerke. Außerdem verzichtet sie auf Zwischenwände.
Um den Schlafbereich trotzdem vor Blicken zu schützen, versteckt sie das Bett hinter einer Nische, sodass auf der oberen Ebene nur der Schreibtisch sichtbar ist. Um Raumverlust zu vermeiden, verzichtet sie zudem großteils auf Innentüren. „Wichtig ist außerdem, dass keine Geräte, wie Therme, Waschmaschine oder Trockner zu sehen sind.“
Prager: „In Wien verzichten viele Wohnungskäufer in zentraler Lage auf Quadratmeter und achten dafür auf einen guten Grundriss.“ Und diesen – darin sind sich Experten einig– unterstützen nichts besser als die Elemente eines Lofts.
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