Interview mit Architekt Dietmar Eberle: Haus als Organismus

Interview mit Architekt Dietmar Eberle: Haus als Organismus
Der Architekt hat mit dem „Bürogebäude 2226“ ein Haus geplant, das ohne Geräte stabile Temperaturen garantiert.

Smart Buildings sind der neueste Bautrend. Im „ Bürogebäude 2226“ in Lustenau verzichten Sie auf Lüftung, Heizung und Klimaanlage. Wollen Sie damit einen Gegentrend zu Hightech-Häusern setzen?

Dietmar Eberle: Nein. Das Haus in Lustenau ist kein Lowtech-Haus, obwohl es immer gern so beschrieben wird. Es ist ein absolutes Hightech-Haus. Bei der Gestaltung stellte sich die zentrale Frage was ich von der umfangreich zur Verfügung gestellten Software überhaupt gebrauchen kann und was ich davon verwenden will.

Was haben Sie ausgewählt?

In jedem Raum des Hauses sind Sensoren, die Temperatur, Luftqualität und Feuchtigkeit messen. Mit diesen Daten entscheidet das Haus, wie es sich verhalten und ob es Fenster öffnen oder schließen soll, oder ob es sonst irgendetwas tun muss, wie beispielsweise Lichter einschalten. Das höchste Ziel des Hauses ist es, den Menschen Komfort zu bieten.

Wann fühlen wir uns in einem Raumwohl?

Physikalisch gesehen entscheiden vier Dinge darüber: Die Lichtverteilung, der -Gehalt, die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur. Sie sitzen bestimmt in einem Bürogebäude. Was brennt da über ihnen an der Decke?

Eine Lampe.

Halten Sie es für sinnvoll, dass Sie Kunstlicht verwenden müssen, obwohl es draußen hell ist? So sollte man nicht bauen. Das Kunstlicht hat auch den großen Nachteil, dass es Wärme produziert.

Das „Bürogebäude 2226“ wird also ausschließlich mit Tageslicht beleuchtet?

Ja, siebzig Prozent des Jahres kann das Haus ohne Kunstlicht verwendet werden. Im Winter, wenn wir weniger Tageslicht haben, brauchen wir künstliches Licht, das dann auch als Heizung verwendet wird. Das funktioniert allerdings nur, wenn im Sommer Zustände geschaffen werden, für die es kein Kunstlicht braucht.

Interview mit Architekt Dietmar Eberle: Haus als Organismus

Wie gelingt das?

Durch die Konstruktion. Man muss wissen, wie ein Haus zu bauen ist, damit es tageslichtspezifisch funktioniert.

Was macht das „Bürogebäude 2226“ zum Hightech-Haus?

Die am höchsten entwickelte Form von Technologie ist die Kombination aus Wissen und Software. Durch die Zusammenführung dieser zwei Komponenten entsteht ein sehr schlaues Gebäude. Im Prinzip geht es um das Wissen über die Wirkungsweise der einzelnen Elemente im Zusammenspiel mit den natürlichen Ressourcen von denen eins – vielleicht das wichtigste – das Klima ist. Das ist Hightech. Wissen ist Hightech. Nicht die Schraube, die man braucht, um das Wissen zu befestigen, sondern das Wissen selbst. Das Haus ist voll mit hochwertigem Wissen und daher auch Hightech.

Das „Bürogebäude 2226“ wirkt als Organismus. Wie funktioniert das?

Das Gebäude steht in ständigem Dialog mit den Außenbedingungen und ist gleichzeitig überlagert von dem, was im Inneren passiert. Das Gebäude verhält sich also relativ selbstständig, kann aber vom Nutzer übersteuert werden. Eine der wichtigsten Aspekte des Komforts ist, dass man nie etwas tun muss, aber alles tun kann.

Wie viel weniger Energie verbraucht das „Gebäude 2226“ im Vergleich zu einem „normalen“ Haus?

Es verbraucht fast gar keine Energie, solange keine Geräte darin verwendet werden. Bei einem normalen Bürogebäude sind die Energiekosten ungefähr fünfmal so hoch. Das „2226“ ist das Haus mit dem niedrigsten Energieverbrauch, das es in Europa gibt.

Warum baut dann nicht jeder so?

In zwanzig Jahren werden viel mehr solcher Häuser gebaut werden. In Berlin werden sie bereits gebaut, genauso wie in Zürich und Paris. Dazu braucht es mutige Bauherren und Leute, die bereit sind, sich auf etwas einzulassen. In der Wissenschaft war das immer schon so. Eine neue Entwicklung braucht in der Regel eine ganze Generation, bis sie im Alltag verbreitet ist. Wir sind aber an etlichen Projekten dran, an denen wir das umsetzen. Es gibt in Vorarlberg den Verein Arbeitskreis für Vorsorgemedizin und die bauen sich gerade so ein Haus.

Die Materialien des Hauses sind entscheidend für gutes Raumklima. Sind die Ziegelsteine ausschlaggebend?

Die Ziegel helfen. Sie könnten aber durch neue technische Materialien ersetzt werden. Beim Raumklima geht es um die Trägheit der Materialien und wie sie auf Temperatur reagieren. Ziegel sind bei uns ein traditioneller Baustoff und wir müssen nicht alles neu erfinden. Das Wissen um so ein Haus beispielsweise aus Holz zu bauen, fehlt derzeit noch. Daher ist das „Gebäude 2226“ sehr konventionell aus Ziegeln mit wenig Verkleidungen gebaut, damit die Luft überall hinkommt.

Wohnen Sie auch in einem Ziegelhaus?

Ja. Ich war aber auch einer der Begründer des Vorarlberger Holzbaus Ende der 1970er-Jahre. Ich habe also kein gestörtes Verhältnis zu anderen Baustoffen (lacht). Aber der Ziegel hat einfach traditionell gewisse Vorteile.

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