Europäische Städte orientieren sich an Wiener Modell

Europäische Städte orientieren sich an Wiener Modell
Die europäischen Städte stecken in der Krise – ein Drittel ihrer Bewohner kann sich die Wohnkosten kaum noch leisten.

„Wir sind in Gefahr“, leitet Laia Ortiz, Barcelonas Vizebürgermeisterin ihre Rede bei der Konferenz „Housing for All“ im Hauptquartier von Wiener Wohnen am 4. und 5. Dezember ein.

Diese Aussage bestätigen auch die präsentierten Daten: Die EU zählt 220 Millionen Haushalte. Ein Drittel davon – exakt 82 Millionen – sind mit den Wohnungskosten überfordert oder stehen kurz vor der Räumungsklage. Zum Vergleich: 82 Millionen Menschen zählt die gesamte Bundesrepublik Deutschland.

„Städtepartnerschaft Wohnen“

„Da zwei Drittel der Europäer in Städten leben, sind die Ballungszentren besonders betroffen“, erklärt Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Statistiken zufolge fehlen europaweit 57 Milliarden Euro pro Jahr, damit leistbarer Wohnraum gesichert ist.

Um dieser akuten Wohnkrise entgegensteuern, schlossen sich europäische Städte vor drei Jahren zur „Städtepartnerschaft Wohnen“ zusammen und erarbeiteten gemeinsame Konzepte. Diese wurden vergangene Woche vor rund 300 Teilnehmern aus 36 Ländern bei der Abschlusskonferenz „Housing for All“ präsentiert.

Wiener Modell ist Vorbild

Es ist kein Zufall, dass die Veranstaltung ausgerechnet in Wien stattgefunden hat. „Jeder, der versucht, leistbaren Wohnraum zu schaffen, blickt nach Wien“, sagt Laia Ortiz. In Barcelona seien lediglich 2,5 Prozent sozial geförderter Wohnbau und „das ist ein Problem, das weltweit zu beobachten ist.“

In Wien hingegen leben 62 Prozent der Menschen in den 220.000 Gemeindebauwohnungen und in den 200.000 geförderten Wohnungen. Damit der soziale Wohnbau auch in Zukunft gesichert ist, wurde kürzlich eine neue Flächenwidmungskategorie in der Wiener Bauordnung beschlossen.

Damit wurde eine gesetzliche Zweidrittel-Quote fixiert – bei großen Immobilienprojekten müssen künftig mehr geförderte als frei finanzierte Wohnungen errichtet werden. „So schieben wir Spekulationen mit Baugründen einen Riegel vor“, weiß Kathrin Gaal, Wiener Wohnbaustadträtin.

"Gesetze für sozialen Wohnbau"

Eine gesetzliche Regelung für den sozialen Wohnbau sieht auch der Maßnahmenkatalog der „Städtepartnerschaft Wohnen“ für die EU-Kommission vor.

Leilani Farha, UN Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, hielt die Keynote zum Auftakt der Konferenz und fordert: „Wohn-Strategien müssen im Gesetz verankert und Wohnraum als soziales Gut anerkannt werden – genauso wie es in Wien gemacht wird.“

Zeit der Veränderung

Auch Orna Rosenfeld von der Pariser Universität Sciences Po sieht Verbesserungsbedarf in den Städten: „Wir befinden uns in einer Zeit von Veränderungen, wir starten in Europa aber nicht bei null.“

Europäische Städte orientieren sich an Wiener Modell

Mehr bauen bedeutet auch nicht gleich mehr leistbaren Wohnraum. Das beweist eine Studie aus London. Die Ergebnisse zeigen, dass viel gebaut wird, aber 70 Prozent des Markts von ausländischen Investoren kontrolliert wird. „Das bringt der lokalen Bevölkerung nichts“, so Rosenfeld. Dieses Phänomen sei in ganz Europa zu sehen.

Zeitalter der Städte

Das Zeitalter der Städte hat laut Rosenfeld begonnen. Wichtig sei, auf die Veränderungen, die sich auch durch die Digitalisierung ergeben, in der Stadtplanung zu berücksichtigen.

Den Weg ins Büro wird es beispielsweise irgendwann nicht mehr geben, da die Arbeit von Zuhause aus erledigt werden kann. Rosenfeld:„Am Wohnsystem in Wien soll sich aber nichts ändern. Es muss geschützt werden, denn das ist weltweit einzigartig.“

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