Architekturzentrum Wien: Heiße Fragen aktivieren kalten Speicher

Architekturzentrum Wien: Heiße Fragen aktivieren kalten Speicher
„Hot Questions – Cold Storage“ heißt die neue Schau des Architekturzentrums Wien. Sieben Fragen erwecken das sonst so stille Depot zu neuem Leben.

Langsam dreht der rote Paternoster seine Runden. Auf seinen Tassen werden beispielhafte 23 Modelle aus dem Wohnbau der vergangenen 100 Jahre präsentiert. Und die Besucher werden sofort mitten in die neue Dauerausstellung des Architekturzentrums Wien (Az W) gezogen. Nach vielen Monaten des Umbaus im vorigen Jahr und der intensiven Vorbereitung konnte vor Kurzem nach 17 Jahren eine neue Schausammlung eröffnet werden. Sie gibt Einblicke in die bedeutendste und umfassendste Sammlung zur österreichischen Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts.

Heiße Fragen

Unter dem Titel „Hot Questions - Cold Storage“ will das Museum sieben brennende Fragen an die seit der Gründung der Institution stark gewachsene Sammlung stellen und den sonst „stillen Speicher“ zum Sprechen bringen. Diese Fragen, von „Wer macht Stadt?“ oder „Wie entsteht Architektur?“ über „Wer sorgt für uns?“ bis hin zu „Wie überleben wir?“ - sind bewusst in der Gegenwart verortet, so Kuratorin Monika Platzer.

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Modell zur Wohnsiedlung Pilotengasse in Wien 22

 

100 Jahre Architektur

Der rote Paternoster ist Teil der Frage „Wie wollen wir leben?“ Zum Wohnen werden im 20. Jahrhundert heftige gesellschaftliche Debatten geführt. Wo lebt es sich besser und wo ökologischer? In der Stadt, auf dem Land, im Speckgürtel? Eigentum, Miete oder gemeinschaftlich solidarisch? Österreichs beliebteste Wohnform, das frei stehende Einfamilienhaus, ist infolge des großen Flächenverbrauchs angezählt. Die ausgewählten Modelle aus einem Zeitraum von mehr als 100 Jahren zeigen, wie Orte des Wohnens zu sozialen Probebühnen und formalen Experimentierfeldern werden und immer wieder neue Beziehungen zwischen Öffentlichem und Privatem herstellen.

Quer durch Österreich

Beim Rundgang durch die Ausstellung erkennt der Besucher, dass viele Themen schon seit Jahrzehnten bei der Planung von Gebäuden präsent sind und laufend nach neuen Lösungen dafür gesucht wird. Das reicht von der Nachhaltigkeit über die Leistbarkeit des Wohnens bis zur idealen Architektur. Geografisch spannt sich der Bogen von der Vorarlberger Baukunst bis zum Burgenländischen Brutalismus. Nicht fehlen darf in der Schau der Stellenwert des Roten Wien, das sich etwa in der Präsentation des Karl-Marx-Hofes widerspiegelt. Auch architektonisch-pädagogische Experimente wie die „Stadt des Kindes“ werden behandelt.

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Von heiß bis kalt, von Gelb bis Blau: Der namensgebende Farbverlauf zieht sich durch die Ausstellung

Bunte Architektur

Gezeigt werden Möbel, genauso wie Fotos und Filme. Eingebettet ist die sehr dichte Präsentation in die regenbogenbunte Ausstellungsarchitektur der Büros „tracing spaces“ und „seite zwei“, die die Anmutung eines begehbaren Archivs erschaffen haben. „Wir waren zum Glück schon vor dem Umbau in die Planung eingebunden. So konnten wir etwa die Deckenfarbe oder die natürlich Belüftung über geöffnete Lucken mitentscheiden“, erzählt Michael Hieslmair von „tracing spaces“. „Und die Beleuchtung sollte nur wenig Lux haben, damit die ausgestellten Exponate keinen Schaden nehmen.“

Fenster ins Depot

Den Anspruch der neuen Dauerausstellung, „eine dynamische Innenschau der Wissensbestände im Depot“ zu ermöglichen, konnten die beiden Teams sehr kreativ lösen, wie Michael Hieslmair beschreibt: „Wir wollten quasi ein Fenster ins umfangreiche Depot öffnen und haben Drohnen durch das Archiv fliegen lassen. Diese Videos sind jetzt mit Bildern von realen Objekten auf den Displays im blauen Ausstellungsbereich des ,Cold Storage’ zu sehen .“

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Verantwortlich für die Ausstellungsarchitektur: Michael Hieslmair (li.) und Michael Zinganel von „tracing spaces“

Frauen in der Architektur

Welche Rolle Frauen in der Architektur hatten und haben, ist ebenfalls ein Kapitel der Schau, plakativ in Form von zwei Barbiepuppen aus der Serie „I can be“ – Frau Architektin, Frau Ingenieurin in Szene gesetzt. „Erstaunlicherweise gab es 1938 schon mehr als 200 registrierte Architektinnen in Österreich“, erzählt Monika Platzer, „doch die erste Professorin durfte erst 1996 an einer Architekturhochschule lehren.“

Architekturzentrum Wien, 7., Museumsplatz 1 im MQ, täglich von 10 bis 19 Uhr, azw.at

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