Immobilienmaklerin Marlies Muhr: "Rückkehr in eine Art Biedermeierzeit"
Marlies Muhr, auf Luxusimmobilien im Salzkammergut, in Kitzbühel und Wien spezialisiert, ortet in der Pandemie neues Bewusstsein für alte Werte.
KURIER: Was hat die Pandemie in Ihrem Berufsfeld verändert?
Marlies Muhr: Das Kaufverhalten. Der Freiraum nach außen ist wichtig: Balkon, Terrasse, Garten. Außerdem spüren wir, dass Menschen gerne autark leben wollen.
Was bedeutet autark?Bauernhöfe, Landgüter, wo man draußen Hühner halten und sich das Frühstücksei selbst holen kann.
Wo du vielleicht sogar eine Kuh im Stall haben kannst. Wir verkaufen zum Beispiel eine Mühle mit einem E-Werk, wo man selbst Strom produzieren kann. Gerade Menschen, die im Management tätig sind, haben dieses autarke Leben immer mehr im Kopf. Dank Homeoffice ist nicht mehr so wichtig, wie weit der Arbeitsweg ist.
Gibt es einen steigenden Anteil an ausländischen Käufern?
Der Anteil ausländischer Investoren ist gestiegen, aber diese Käufer gab es immer schon. Verstärkt hat sich auch der Gedanke der Wohnung als Vorsorge. Es ist sehr, sehr viel Geld am österreichischen Markt. Ich habe unter meinen Kunden auch einen hohen Anteil an Auslandsösterreichern, die wieder zurückziehen nach Österreich.
Verstärkt die Pandemie die Sehnsucht nach der Heimat?
Ja, zum Beispiel aus Asien wollen erfolgreiche Österreicher wieder zurückkehren und sich ein Stück Heimat kaufen. Manche hatten eine nette Kindheit, wo sie mit ihren Eltern im Salzkammergut oder anderswo urlaubten. Die kaufen sich schöne Plätze und wollen sie auch bewohnen.
Ist ein Problem Ihrer Branche nicht der zunehmende Grundstücksmangel?
Ja, alle haben das Problem des Warenmangels. Wer nicht verkaufen muss, tut es derzeit nicht – und wer es aus Spekulation tut, verlangt sehr hohe Preise. Grund und Boden ist nicht beliebig vermehrbar, vor allem nicht in den Bergen. Oft reißt man daher alte Häuser ab und baut neu, sonst würde man zu keinem neuen Grundstück mehr kommen.
Verkauft sich jetzt also auch jeder Ladenhüter?
Jede Immobilie ist verkäuflich. Immobilien, die sich nicht schnell am Markt drehen, sind falsch eingepreist. Der Kunde ist heute wesentlich besser informiert, als je zuvor. Alle Fragen können im Internet beantwortet werden. Als Makler muss man Vertrauen zu Kunden aufbauen und auch erklären, dass wir eine wesentlich bessere Wertermittlung als ein Privater machen können. Man erspart sich da mit Sicherheit Geld. Ich betreue den Kunden bis zur Unterschrift. Das ist ein langer Prozess, der beim Verkauf hochwertiger Immobilien noch intensiver ist. Ich sorge im Hintergrund dafür, dass auch rechtlich alles in Ordnung ist.
Was unterscheidet Männer und Frauen beim Kauf?
Eine Frau informiert sich extrem gut, bevor sie einen Makler kontaktiert. Der Mann bezahlt zwar meistens, aber die Frau ist oft die Entscheiderin. Selbst bei einer Kapitalanlage gibt es unterschiedliche Zugänge. Frauen überlegen, in dieser Immobilie vielleicht auch einmal leben zu wollen oder kaufen sie für Kinder bzw. Enkelkinder, während der Mann einfach die Kapitalanlage sieht.
Könnte das Niedrigzinsniveau eine Immo-Blase erzeugen, die irgendwann einmal platzt? Schon jetzt sind die Preise ja sehr hoch.
Eine Immobilienblase, wie es sie in Amerika gab, werden wir nicht haben, weil der Eigenkapitalanteil österreichischer Käufer noch immer sehr hoch ist. An manchen Orten kann es einen Preisverfall geben, aber bei den „3L“ – also „Lage, Lage, Lage“ – wird sich nichts verändern.
Wo könnte es noch Zukunftsmärkte in Österreich geben? Semmering oder Rax zum Beispiel werden ein Revival erleben. Dasselbe gilt für das Salzkammergut. Man sehnt sich nach einer bestimmten Lebenskultur und versucht das Leben nach der Pandemie so zu gestalten, dass man Freiräume hat.
Sind die Bürgermeister im Salzkammergut, etwa am Attersee, denn innovativ genug? Greißler, Cafés, schöne Hotels, Infrastruktur gibt es immer weniger.
Die Gemeinden in den Seengebieten versuchen wieder auf Nahversorgung zu setzen. Der Tante Emma-Laden kommt zurück. Wenn man ein Ferienhaus hat, bemüht nman sich natürlich, Zeit daheim zu verbringen. Man lädt sich Gäste nach Hause ein. Wir erleben eine Rückkehr in eine Art Biedermeierzeit: Menschen holen sich Kultur, gutes Essen und den Koch dazu ins eigene Haus.
Die Immo-Preise sind so hoch, dass sich dieses Leben viele nicht leisten können.
Ja, aber wir leben in Österreich in der Erbengeneration. Das ist auch meine große Kundenklientel. Bei den Jüngeren ist Sharing ein immer größeres Thema: also gemeinsam eine Immobilie kaufen und sich teilen, damit man nicht immer an denselben Platz fährt. Ein Trend, der aus Amerika kommt und auch Autos betrifft. In Wien ist es nicht mehr so wichtig, ein Auto zu besitzen, das ist in Salzburg noch anders. Das U-Bahn-Netz in Wien ist Weltklasse, und Wien wird immer noch unterschätzt. Im Vergleich zu Kitzbühel oder Salzburg hat es moderatere Preise. Ich kann außerdem in Wien eine Wohnung kaufen, ohne einen Hauptwohnsitz gründen zu müssen.
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