Immobilien: Halbes Land im Kaufrausch

Immobilien: Halbes Land im Kaufrausch
Die Preise für Bruchbuden in Wien haben sich binnen drei Jahren verdoppelt, Büros werden zu Wohnungen umgebaut.

Ein wenig gibt Makler Thomas Schwarz die Sache schon zu denken: "Teilweise werden noch brauchbare Häuser in Wien abgerissen, um neue Baugründe zu schaffen." Die Preise für Baugründe in zentralen Lagen seien in den vergangenen Jahren explodiert, jene für gebrauchte Eigentumswohnungen ebenso. "Man kann es als dramatische Entwicklung bezeichnen." Was Schwarz im Alltag beobachtet, hat Wolfgang Feilmayr von der Technischen Uni Wien in Zahlen gegossen: Während die Verbraucherpreise zwischen 2008 und 2011 um 5,7 Prozent stiegen, kletterten die Preise für gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien seit der Finanzkrise um 37 Prozent. Nur bei Mieten gibt Feilmayr Entwarnung: "Die Mieten entwickeln sich bei Weitem nicht so stark, sie liegen auf dem Level der Inflationsrate." Auch im Bundesländer-Schnitt sei die Entwicklung weit weniger dramatisch.

Preis verdoppelt

Ein halbes Land ist im Kaufrausch: Wer Geld hat, will es in eine Wohnung in der Stadt investieren. In Wiens 1. Bezirk etwa zahlt man für eine Eigentumswohnung laut Makler Schwarz mittlerweile bis zu 20.000 Euro pro Quadratmeter. "Der Preis hat sich in vier Jahren verdoppelt." Weil das sehr teuer ist, weichen Interessenten in andere Bezirke aus – und treiben dort die Preise: "In Wien sind um den Brunnenmarkt oder in Teilen des dritten Bezirks die Preise explodiert", meint etwa Valentino Donau, Vertriebschef bei Conwert. Bei gebrauchten Eigentumswohnungen erziele man Rekordpreise, man könnte jede mehrmals verkaufen.

Sein Unternehmen hat mittlerweile die Konsequenzen gezogen. Der börsenotierte Zinshausprofi investiert Anlegergeld mittlerweile lieber in deutschen Städten als in Österreich, denn hohe Preise bringen niedrige Renditen. "Während in Wien Renditen von teilweise unter zwei Prozent erwirtschaftet werden, liegen sie in den starken Ballungsräumen in Deutschland häufig bei über sechs Prozent", so ein Sprecher.

Die meisten Österreicher schreckt die niedrige Rendite nicht: "Die Leute wissen nicht, was sie mit dem Geld tun sollten. Derzeit fehlen attraktive Alternativinvestments", meint Sandra Bauernfeind vom Maklerbüro EHL. Die Nachfrage brumme weiter: "Ich sehe kurzfristig keinen Grund, warum es nicht so weitergehen kann." Weil der Büromarkt im Gegenzug lahmt, werde mittlerweile häufig geprüft, "ob sich leer stehende Büros nicht als Wohnungen eignen."

Auch Bruchbuden teurer

Die Hoffnung auf weiter steigende Preise macht selbst Bruchbuden zu Verkaufsschlagern: Schwer sanierungsbedürftige Wohnungen der Kategorie D mit Klo am Gang würden heute für 2000 Euro pro Quadratmeter verkauft, so Bauernfeind. Der Preis hätte sich seit der Krise verdoppelt.

Bildet sich hier eine Preisblase wie einst in den USA? Die Experten verneinen: "Bei der Immobilienfinanzierung sehen wir keine außergewöhnliche Steigerung, eher eine Abschwächung", erklärt Peter Mooslechner von der Österreichischen Nationalbank. Die Österreicher zahlen also ihre Wohnung(en) in Cash – gut für die Volkswirtschaft, denn sinken die Preise wieder, trifft das nur Einzelne und nicht die Banken, erklären die Experten.

Eine Blase, deren Platzen schon Länder wie Spanien in Bedrängnis brachte, ortet auch Christian Helmenstein, Chefvolkswirt in der Industriellenvereinigung, daher nicht: "Österreich hat auch keine überdimensionierte Bauindustrie." Entspannen würde sich die Lage, wenn andere Anlageformen wieder attraktiver werden. Aber die neue Immosteuer werde wohl "zumindest teilweise überwälzt". Die Preise steigen also weiter.

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