Ob im dicht verbauten Gebiet oder im ländlichen Raum: Auch wenn man Besitzer einer Liegenschaft ist, kann man nicht immer tun, was man will. Rücksichtnahme ist angesagt, das nachbarschaftliche Rücksichtnahmegebot ist sogar im ABGB verankert. Dass es dennoch Dinge gibt, die das Zusammenleben verleiden, davon zeugen zahlreiche Auseinandersetzungen. Ob Grundgrenze, Hundegebell und wuchernde Hecke: Wenn keine Lösung gefunden wird, landen diese Fälle bei Gericht.
Zusammenleben verleidet
Das kann nicht nur teuer werden, auch das Zusammenleben ist dann langfristig verleidet. Doch was gilt? „Aufgrund der im ABGB verankerten gesetzlichen Regelung kann man Belästigungen durch Lärm, Rauch, Geruch und Ähnliches, die vom Nachbarn ausgehen, untersagen“, sagt Barbara Walzl-Sirk, Wohnrechtsexpertin des Mieterschutzverbandes. „Dabei muss man beachten, dass dies nur dann möglich ist, wenn nach den örtlichen Verhältnissen das gewöhnliche Maß überschritten wird und dadurch die ortsübliche Benutzung des anderen wesentlich beeinträchtigt wird.“
Dabei ist nicht vom subjektiven Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn auszugehen, sondern von dem eines Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage. Als Maßstab für die Ortsüblichkeit dient das Umfeld der betroffenen Liegenschaft. Als Nachbar gilt dabei nicht nur der unmittelbare Anrainer des Grundstücks, von dem störende Einwirkungen ausgehen. Auch weiter weg wohnende Personen sind rechtlich gesehen Nachbarn, sofern sie durch die Einwirkungen betroffen sind.
Land versus Stadt
Auch die Lage des Grundstückes oder auch der Wohnung spielt eine Rolle, so die Expertin. „In ländlichen Bereichen werden andere Lärmentwicklungen für die Beurteilung, ob das nach den örtlichen Verhältnissen gegebene gewöhnliche Maß überschritten wird, maßgeblich sein, als in der Stadt“, betont Barbara Walzl-Sirk. So mag es am Land üblich sein, dass der Hahn in aller Früh kräht, in der Stadt möglicherweise nicht. Ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung, ob eine Geruchs- oder Lärmbelästigung vorliegt, stellt auch die jeweilige Widmung der Liegenschaft dar. Im Dorfgebiet sind Stallgeruch und Hühnergeschrei üblich, im reinen Wohngebiet wohl eher nicht.
Lärm: Von Musizieren über Bauarbeiten bis Kindergeschrei
Tägliches, stundenlanges Hämmern oder Bohren muss man nicht dulden, das einmalige Zusammenbauen von Möbeln jedoch schon. Auch Musizieren ist häufig ein Anlass für Zwist. Wie lang man täglich an seinem Instrument üben darf, entschieden die Gerichte teils recht unterschiedlich. Der OGH hat im großstädtischen Bereich das Klavierspielen mit maximal zwei Stunden pro Tag als ortsüblich angesehen. Kindergeschrei von Babys und Kleinkindern muss man dulden, als Nachbar sind einem die Hände gebunden. Anders sieht es bei Schulkindern aus, wenn sie so durch die Räume hüpfen, dass die Decke vibriert. Ein eher neues Thema, das für Zwist sorgt, ist das Brummen von Wärmepumpen. Dazu gibt es jedoch noch wenig Judikate.
Haustiere: Vom Hundegebell bis zum krähenden Hahn und quakenden Frosch
Haustiere erhitzen immer wieder die Gemüter. Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land gilt kurzes Hundegebell als ortsüblich. Stundenlanges Bellen muss man nicht hinnehmen. Laut OGH müssen Nachbarn bei frei laufenden Katzen nicht dafür sorgen, dass diese auf der Nachbarliegenschaft nicht ihr Geschäft verrichtet. Ob ein Hahn krähen oder ein Frosch quaken darf, hängt von der Ortsüblichkeit ab. Gibt es in der Gegend viele Teiche, wird das Quaken wohl ortsüblich sein.
Gerüche: Ob Zigarettenrauch oder Essensgerüche
Wenn die Tabakgerüche des Nachbarn in der eigenen Wohnung regelmäßig störend merkbar sind, kann auf Unterlassung geklagt werden. Das zeigt ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH). Da wurde dem Beklagten das Zigarrenrauchen aus seinem Fenster zu Schlafens- und Essenszeiten untersagt. Gänzlich verbieten kann man Rauchen aber nicht. Auch Essensgerüche sind oft ein Thema. Einmal die Woche mit der Familie zu grillen, wird kein Problem sein, tägliche Grillpartys schon.
Pflanzen: Früchte ernten, Überhang schneiden und das Recht auf Licht
Hängen Äste von Nachbars Bäumen über den Zaun in den eigenen Garten, darf man die Früchte ernten. Bei überhängenden Ästen ist es so, dass es keine gesetzliche Verpflichtung des Baumeigentümers gibt, die Äste regelmäßig abzuschneiden. Aber jeder Nachbar kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln einer fremden Pflanze aus seinem Boden und die über den Zaun hängenden Äste entfernen bzw. abschneiden. Dabei muss man fachgerecht vorgehen. Wer Wurzeln so gekürzt, dass der Baum eingeht, wird schadenersatzpflichtig. Vorsichtig ist bei Kletterpflanzen geboten: Wachsen Sie über Zaun oder Mauer zum Nachbarn, hat dieser einen Unterlassungsanspruch. Ob man sich gegen den Entzug von Licht durch hohe Bäume wehren kann, hängt von der Ortsüblichkeit ab. Im Fall einer 12 bis 15 Meter hohen Fichtenhecke musste der Besitzer diese kürzen.
Licht: Von der hellen Lichtquelle bis zur blendenden Solaranlage
Nicht nur die blinkende Weihnachtsbeleuchtung ist oft Anlass für Zwist zwischen Nachbarn, sondern auch die Beleuchtung im Outdoor-Bereich. Hier kommt es wieder auf die Ortsüblichkeit an. So hat der OGH die Ausleuchtung der Wohnräume durch einen Halogenscheinwerfer des Nachbarn als nicht ortsüblich beurteilt. Ist die Lichtquelle so stark, dass man nicht mehr schlafen kann, ist eine Unterlassungsklage möglich. Auch die gesundheitsgefährdende Blendung durch die PV-Anlage auf Nachbars Dach muss man nicht dulden.
Überwachung: Über den Eingriff in die Privatsphäre, Datenschutz und Attrappen
Es kommt immer wieder vor, dass Nachbarn Überwachungsanlagen installieren. Die systematische Videoüberwachung durch Nachbarn stellt im Normalfall einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre dar, wenn auch die Wohnungstüre des Nachbarn oder allgemeine Flächen erfasst werden. Bei Mehrfamilienhäusern besteht eine Meldepflicht. Bei Privatgrundstücken muss man sicherstellen, dass benachbarte Privatgrundstücke nicht erfasst werden. Betroffene haben sonst einen Unterlassungsanspruch. Attrappen sind dabei echten Kameras gleichgestellt.
Grundgrenzen: Von Zäunen und Hecken bis zu Servituten
Wer ein Haus kauft, sollte kontrollieren, ob die Pläne mit der Realität übereinstimmen. Oft steht ein Zaun, eine Hecke oder ein Gebäude fälschlicherweise dort, wo die tatsächliche Grenze verläuft. Hat der Nachbar ein Stückchen abgezweigt, kann man eine Klage auf Beseitigung bzw. Wiederherstellung des früheren Zustandes einbringen. Auch Zäune oder Hecken nahe der Grenze sind ein Thema. Klar ist: Jeder ist für die jeweils rechte Seite seines Grundstücks zuständig, von der Straße aus gesehen. Auch Wege- und Leitungsrechte sind ein Thema. Sie sichern etwa die Zufahrt oder die Versorgung einer Liegenschaft. Umso problematischer ist es, wenn ein Nachbar sich plötzlich querstellt oder sein Haus dort errichtet, wo der Weg des anderen verläuft.
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