Das Problem: Es gibt wenig stichhaltige Zahlen, der Leerstand wird in Österreich nicht regelmäßig erfasst. Doch es gibt Annäherungen: Laut Daten der Statistik Austria vom September dieses Jahres ist in 13,3 Prozent aller Wohnungen in Österreich niemand gemeldet, weder als Haupt- noch Nebenwohnsitz. Zwar heißt das noch nicht, dass diese Wohnungen dauerhaft leer stehen, denn es gibt verschiedene Gründe dafür, warum niemand gemeldet ist. Diese reichen von Eigennutzung bis zur Vermietung als Ferienwohnung – doch ein Teil davon kann wohl als problematischer, langfristiger Leerstand betrachtet werden.
Kaum Zahlen zum tatsächlichen Leerstand
In einigen Bundesländern wird deshalb mittlerweile der Leerstand erhoben, in Salzburg, der Steiermark und in Tirol. Das Leerstandsmonitoring in Tirol erfasst Wohnungen, in denen weder ein Haupt- noch ein Nebenwohnsitz gemeldet ist, auch der Wasserverbrauch wird herangezogen. Das Ergebnis: Neun Prozent der Wohnungen in Innsbruck stehen leer. Für Wien gibt es den Leerstandsmonitor der IG Kultur, unter leerstandsmelder.de/wien findet man einen Stadtplan, der zeigt, an welche Adressen Immobilien leer stehen.
Laut einer Studie der Arbeiterkammer ist die Leerstandsrate in Wien in neueren Wohnungsprojekten aufgrund des Wohnbaubooms und Runs auf Betongold leicht höher ist als in älteren Bestandsbauten. „Es gibt deshalb so viel Leerstand, weil wild gebaut worden ist in den vergangenen Jahren. Und zwar nicht, weil die Menschen einen Bedarf an Wohnraum hatten, sondern weil die Versicherungen nicht gewusst haben, wo sie ihr Geld anlegen sollen“, sagt Ulrike Schartner, Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit in der Kammer der Ziviltechniker, Architekten und Ingenieure Wien, NÖ, Burgenland. Leerstände unter anderem in Wien sind in den vergangenen Jahren dadurch entstanden, dass am demografisch begründeten Bedarf vorbei gebaut wurde, das bestätigen aktuelle Zahlen der Bauträgerdatenbank Exploreal.
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„Es gibt einen großen Handlungsbedarf in Wien, da Leerstand einen großen Gestaltungsspielraum für leistbares Wohnen bietet“, sagt Architekt Fabian Wallmüller von Stoiser Wallmüller Architekten. Die IG Architektur beschäftigt sich laut Wallmüller seit zwei Jahren mit dem Leerstandsthema und kritisiert, dass diese Immobilien viel Geld kosten, da die Gebäude erhalten und die öffentliche Infrastruktur aufrechterhalten werden muss. Doch gleichzeitig ist es nicht so einfach und umstritten, in Eigentumsrechte einzugreifen.
Das Ziel von Leerstandsmaßnahmen ist, dass die Wohnungen auf den Markt kommen. Leerstandsmobilisierung trägt zur nachhaltigen Raumentwicklung bei – weil ein Teil des Neubaus unnötig wird. Schartner kritisiert, dass „im neuen Wiener Stadtentwicklungsplan STEP das Thema Leerstand nicht vorkommt. „Wir (die Kammer der Ziviltechniker, Anm. d. Red.) haben darauf hingewiesen, dass das Leerstandthema aufgenommen werden soll“, so Schartner. „Denn wir müssen eine Datenbasis aufbauen.“
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die dazu führen können, dass Eigentümer zum Vermieten motiviert werden. In Tirol wird seit Jahresbeginn eine Leerstandsabgabe eingehoben, wenn eine Wohnung mehr als sechs Monate leer steht. Die Höhe wird von der jeweiligen Gemeinde festgelegt. Ein Beispiel: In Kufstein beträgt die Abgabe für eine 80 Quadratmeter-Wohnung 112 Euro pro Monat. „Abgaben müssen sozial verträglich gestaltet werden, denn es gibt Härtefälle“, gibt Wallmüller zu bedenken. Die IG Architektur schlägt die Einhebung einer Rekultivierungsabgabe bei der Errichtung eines Wohnungsneubaus vor, um öffentliche Kosten zur Nachnutzung von Leerstand vorzufinanzieren. Andere Länder gehen drastischer gegen Leerständer vor. So wurde in Berlin 2019 erstamls der Besitzer eines leerstehenden Mietshauses vorübergehend enteignet.
Sinnvoller können laut Ulrike Schartner kulturelle Zwischennutzungen sein, wie aktuell in der alten Wirtschaftsuni in Wien. Hier sind temporäre Atelier- und Büroräume untergebracht. „Es gäbe so viel Möglichkeiten, den Leerstand zu bespielen. Auch um den Platz besser zu verstehen und zu schauen, welche Nutzung funktioniert“, so Schartner. Hätte der Eigentümer z.B. gerne ein Handelsunternehmen als Mieter, doch nach zwei Jahren zeigt sich, dass ein Gewerbebetrieb langfristig besser untergebracht ist, hat er den Leerstand in der Zwischenzeit sinnvoll genutzt. Doch Schartner gesteht: „Eigentümer brauchen dafür einen langen Atem.“
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