„Baukultur betrifft alle, denen die Zukunft wichtig ist“
2024 präsentiert sich die Alpenregion Bad Ischl-Salzkammergut als europäische Kulturhauptstadt. „Kultur ist das neue Salz“ lautet der Slogan für das Festjahr, bei dem viele ambitionierte Projekte stattfinden. Das genreübergreifende Baukultur-Symposium „interventa Hallstatt“, das diese Woche von Donnerstag bis Sonntag über die Bühne geht bzw. gegangen ist, ist ein Teil davon. Hier standen Zukunftsfragen zur Entwicklung des ländlichen Raums im Vordergrund. Die Kuratorinnen Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs und Sabine Kienzer im KURIER-Gespräch.
KURIER: Wie gut eignet sich der Ort Hallstatt für das Thema?
Sabine Kienzer: Hallstatt aufgrund seiner Geschichte ist prädestiniert und ein Anziehungspunkt. Vielen nutzen die Möglichkeit, nach Hallstatt zu fahren, solange es noch geht. Es gibt hier große Sorgen, das zeigt sich in den aktuellen Tunnelbesetzungen.
Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs: Was wir genießen, ist, dass wir das Symposium in einer Werkstatt abhalten, in der HTBLA Hallstatt: Es gibt dort noch die Lehrgänge Instrumenten- und Bootsbau.
Wie sind Sie an die Organisation heran gegangen und was erwartet die Teilnehmer?
Kienzer: Es gab schon sehr viele Projekte der Kulturhauptstadt zu dem Themenbereich. Das war Leitfaden für uns, wir featuren sie am Symposium in Kurzformaten von drei bis fünf Minuten. Das ist eine Win-Win-Situation, denn auf der einen Seite kann man präsentieren, was in diesem Jahr in der Kulturhauptstadt passiert ist, und wir können gleich mit Wissen aufwarten.
Harnoncourt-Fuchs: Baukultur ist ja ein Thema, das stark in der Politik und in der Architektur diskutiert wird. Baukultur betrifft uns alle, es geht um die gebaute Umwelt aber auch darum, wie wir leben, wie wir mit der Landschaft umgehen. Es geht um die Bewusstseinskultur, dass wir diese Dinge neu denken. Im Rahmen der Kulturhauptstadtprojekte sind Expertisen aus der Region ein Jahr lang gesammelt worden, manches auch über zwei Jahre, wir wollten das Wissen vor Ort auch integrieren.
Kienzer: Wir glauben, dass 23 Gemeinden, eine Region, eine Kulturhauptstadt, etwas ganz Besonderes ist. Wir haben unter anderem zwei Architektinnen, deren Projekte sich auf die ländlichen Regionen beziehen. Das ist einerseits Xu Tiantian, die in China mit verschiedenen Interventionen – sie nennt es „Architectural acupuncture – die Stärkung einer gesamten Region bewirkt hat. Andererseits die Architektin Katja Fischer, die Projekte bei der IBA Thüringen mitentwickelt hat, dabei geht es unter anderem um Leerstand. Es ist uns auch ein wesentliches Anliegen, zu zeigen, dass zum Beispiel Mobilität mit Raumproduktion zusammenhängt, dass man diese Zusammenhänge erkennt.
Welche Zielgruppe sprechen Sie an?
Kienzer: Wir versuchen, die Menschen aus der Region anzusprechen. Es ist auch einiges an Fachpublikum da, Menschen aus anderen Kulturbereichen. Baukulturverantwortliche, Bürgermeister und Vertreter von Universitäten.
Harnoncourt-Fuchs: Baukultur betrifft uns alle, das meinen wir auch so. Es geht um alle, denen die Zukunft wichtig ist. Wir haben die Themen Mobilität, dass sich das Klima verändert, dass die Grundstückspreise steigen, dass immer mehr Flächen versiegelt werden. Aber wir werden das nicht über Bauordnungen abwickeln, sondern wir wollen verstehen, wie die Dinge zusammenhängen. Der Umgang mit Baukultur, mit dem Kulturerbe, das betrifft jeden, das wollen wir stärker hineinbringen. Es geht um neue Lebenswelten, zukünftige Spekulationen, da sind wir sehr klar.
Kienzer: Da es auch internationale Beispiele gibt aus China und Pakistan, geht es darum, Analogien und Differenzen zu entdecken. Es ist ein Versuch, voneinander zu lernen. Deshalb sind Themen wie traditionelles Handwerk dort und da wichtig, diese werden neu entdeckt. Wenn man zusammenfindet, bewegt man mehr.
Harnoncourt-Fuchs: Es geht um Bewusstseinskultur und Gestaltung, die sich verändern wird, wenn wir neue Anforderungen haben. Was bedeutet das, für den nächsten Schritt, wie wir unsere Baukultur weiterentwickeln, wie wir eine eigene Identität weiterentwickeln?
Der Fokus auf den ländlichen Raum: Weil er Aufmerksamkeit braucht?
Harnoncourt-Fuchs: Im Architekturdiskurs sind die Städte im Fokus gewesen. Es ging um die Super-Großstädte, dass darauf vergessen wurde, dass nach wie vor viele Menschen nicht in den Megastädten wohnen, sondern in vielen kleinen Städten, denn ab 5.000 Personen habe ich eine Stadt. Da gibt es Regionen, die Nahrungsmittel produzieren, die zur Erholung für Städter dienen, die für Energieversorgung bereits steht: Sie spielen eine wichtige Rolle. Und: Dieser Raum hat eine viel größere Fläche. Es gibt nun viel mehr Initiativen, sodass erkannt wird, dass das Land eine große Wichtigkeit hat.
Kienzer: Der Leerstand ist ein großes Thema, auch im Rahmen der Kulturhauptstadt. Da ging es um Leerstände, die sich auf Bahnhöfe konzentrierten, es wurden 23 leer stehende Bahnhöfe entdeckt. Gerald Priewasser-Höller hat im Rahmen der Kulturhauptstadt Projekte zum Thema entwickelt und uns von den Ängsten in Zusammenhang mit der Nutzung von leer stehenden Immobilien erzählt.
Harnoncourt-Fuchs: Wir haben in der Architektur und Bauindustrie derzeit eine gewisse Tendenz, wenn es um Nachhaltigkeit geht, die missbraucht wird. Die Zusammenhänge sind komplex und wir wollen das Verständnis erzeugen, damit man versteht, wie die Dinge zusammenhängen.
Welches Ziel möchten Sie mit der interventa erreichen?
Kienzer: Ein Ziel ist sicherlich, dass die interventa Hallstatt kein einmaliges Event bleibt, sondern sich soweit in den Köpfen festsetzt und so viel Vernetzungspotenzial verwirklichen konnte, dass sie weitergeführt wird. Es ist daher auch angedacht, dass sie biennal weitergeführt wird. Die nächste könnte z. B. die interventa Bratislava sein, wie eine Wanderausstellung.
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