Einerseits durch die U-Bahn, andererseits durch viele Firmensitze und neue Wohnbauten, hippe Lokale und die WU. „Hier trifft man nun immer Menschen auf der Straße, das Viertel hat sich stark verändert“, sagt Schunker. Ein anderes Beispiel sei der Elterleinplatz in Hernals. Hier entsteht eine Station der in Bau befindlichen U5, die Lage wird dadurch deutlich aufgewertet. „Bereits jetzt werden hier kleine Projekte entwickelt“, sagt Schunker. Noch sind die Wohnungspreise günstig, doch die bessere Anbindung wird das Preisniveau steigen lassen.
Doch wann entscheiden sich Menschen, in ein bestimmtes Grätzel zu ziehen – oder aus einem Bezirk wegzuziehen? „Wenn Menschen umziehen, dann hat das oft mit der Lebenssituation zu tun“, sagt die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak. Wenn zum Beispiel Kinder kommen, eignet sich die innerstädtische Lage eventuell nicht mehr, dann will man in einen grüneren Stadtteil ziehen.
Sonnwendviertel
Auch Karina Schunker weiß, dass die Grätzel verschiedene Menschen ansprechen und nennt das Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof als Beispiel. „Das Sonnwendviertel liegt sehr zentral, man ist fußläufig in der Innenstadt, außerdem ist hier viel Infrastruktur entstanden, Bars und Gastronomie, auch die Universitäten sind nicht weit entfernt“, so Schunker. All dies zieht junge Menschen an, viele Studenten wohnen hier. Früher war Favoriten ein klassischer Arbeiterbezirk, das hat sich mittlerweile geändert. Im Vergleich dazu sind die Bewohner etwa in der Josefstadt im Durchschnitt älter – und verdienen auch mehr, geht aus dem Wohnungsmarktbericht von EHL hervor.
Wer umzieht, will sich laut der Stadtpsychologin häufig auch von der Wohnsituation her verbessern, in einen Bezirk wie Währing, Döbling oder Hietzing ziehen – wenn man es sich leisten kann. Hier findet zum Teil Gentrifikation (Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch einkommensstärkere) statt. Allerdings wird zum Beispiel in Wien bewusst darauf geachtet, dass eine Durchmischung stattfindet. „Es gibt die Regelung für Neubauten, dass zwei Drittel geförderte Wohnungen sind“, betont Schunker.
Lärm, Gerüche und Haustiere sind es oft, die Menschen das Zusammenleben verleiden – und ein Grund für den Umzug in einen anderen Bezirk oder gleich in eine andere Stadt oder aufs Land sind. Knapp 40 Prozent der Österreicher fühlen sich in ihrer Wohnung durch Lärm belästigt. „Lärmverschmutzung ist ein großes Thema“, sagt Ehmayer-Rosinak und nennt einerseits Autos und Flugzeuge, aber auch Nachbarschaftslärm. „Wien ist keine laute Stadt“, weiß sie aus Erfahrung. „Denn es gibt viele Bereiche, wo es leise ist.“
Auch störende Gerüche und Rauch sind ein großes Thema, etwa durch Gasthäuser, Grillplätze und Raucher. Laut einer Studie landete Wien in einem Ranking der best riechenden Städte auf Platz 19, die Nase vorne haben Athen, Paris und Zürich.
Haustiere, vor allem Hunde, belasten häufig das Zusammenleben. „Es ist nicht so leicht, in einem kleinen Park alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen“, weiß die Stadtpsychologin. Hier treffen Hunde und ihre Besitzer, Familien mit kleinen Kindern und ballspielende Jugendliche aufeinander. Und: Die Sehnsucht nach Natur führt häufig zu Auseinandersetzungen.
„Je mehr Beton ich habe, desto größer ist das Drama, wenn ein Baum gefällt wird“, so Ehmayer-Rosinak. Als Beispiel nennt sie die Villa Aurora in Ottakring, wo zahlreiche Bäume illegal gefällt wurden. Ihr Fazit: Früher gab es einen Aufschrei, wenn ein Parkplatz einem Baum weichen musste, mittlerweile sei es umgekehrt.
Positiv im öffentlichen Raum sind Bäume kombiniert mit Sitzbänken. „Das fördert die Nachbarschaft“, so die Expertin. Die Pandemie habe gezeigt, was in der Stadt fehle: Öffentliche Toiletten, „hier gab es einen starken Rückbau“, aber auch konsumfreie Zonen. Dichte Bebauung findet die Stadtpsychologin nicht grundsätzlich schlecht, im Gegenzug müssen die Freiräume gut gestaltet sein. Knapp bemessene „Schaubalkone“ hält sie für kontraproduktiv, hier seien Aggressionen vorprogrammiert.
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