Man unterscheidet Hauptwohnsitz, Zweitwohnsitz und als Unterkategorie des Zweitwohnsitz den Freizeitwohnsitz. Aber nur der Freizeitwohnsitz ist das Problem, oder?
Jeder Österreicher hat einen Hauptwohnsitz, da wo er nachweislich seinen Lebensmittelpunkt hat. Den kann man laut Judikatur nur einmal haben. Das passt für die meisten Leute, nicht aber unter Umständen für Pensionisten, die sechs Monate in der Stadt und sechs Monate am Land leben. Oder für die Millionäre, die mal hier mal da in ihren zahlreichen Wohnsitzen sind. Neben dem Hauptwohnsitz kann man Zweitwohnsitze haben, so viele man will. Die hat man zum Beispiel, weil man an einem Ort studiert oder arbeitet. Im Gegensatz zum Freizeitwohnsitz: das ist der Unterbegriff zum Zweitwohnsitz, der aber streng mit dem Verbringen der Freizeit verknüpft ist.
Wo kann man überhaupt noch einen Freizeitwohnsitz legal erwerben?
In Wien, Niederösterreich, in weiten Teilen des Burgenlands. Aber im Burgenland gibt es auch schon Vorbehaltsgemeinden, wie in Oberösterreich, der Steiermark. In Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten sind sie sowieso streng.
Was genau sind diese Vorbehaltsgemeinden?
Das sind jene Gemeinden, die von den Landesregierungen als besonders unter Wohnungsnot und besonders unter Druck stehend qualifiziert wurden. In Tirol sind das von 277 Gemeinden zirka 150. Das sind die Gunstlagen. Dort kann der Gemeinderat keinen Freizeitwohnsitz mehr widmen und jeder Erwerber muss erklären, dass er im gekauften Objekt keinen Freizeitwohnsitz begründen wird.
Wann hat diese Freizeitproblematik eigentlich begonnen?
Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Vorher waren die Deutschen, die Italiener, die Holländer ja Ausländer und brauchten für den Kauf einer Immobilie eine Ausnahmegenehmigung, die sie selten bekommen haben. Aber auch damals wurde das natürlich umgangen, mit Treuhändern und Freunden. Der Grundverkehr ist mit viel Geld immer schon umgangen worden. Mit dem EU-Beitritt hat man nicht nur die sieben, acht Millionen Österreicher, die etwas erwerben können. Sondern theoretisch 400 Millionen Europäer.
Weil es die Grundfreiheiten der EU gibt, kann man zu einem Deutschen nicht sagen, Sie dürfen nicht kaufen.
Richtig. Kaufen darf er ja. Und weil man den Grundverkehr, den Erwerb als solchen für EU-Bürger nicht einschränken darf, beschränkt man die Nutzung. Deshalb gibt es die „Freizeitnutzung“ und damit glaubt der Gesetzgeber, ein Instrument zu haben, den Grundverbrauch in Gunstlagen einschränken zu können.
Es ist also zwischen dem Erwerb und dem Nutzen zu unterscheiden.
Ja. Der Erwerb ist im Grundverkehrsgesetz geregelt. Kaufen kann man immer. Sie können Hunderte Wohnungen kaufen, Tausende. Aber Sie dürfen sich nicht in diesen erholen oder Ihren Urlaub verbringen. Das ist das Absurde daran. In Tirol in den Vorbehaltsgemeinden muss man erklären, dass man diese Immobilie nicht als Freizeitwohnsitz nutzen wird. Das ist das sogenannte Erklärungsmodell. Außerhalb der Vorbehaltsgemeinden darf man auch ohne dieser Erklärung kaufen. Aber Nutzen darf man in ganz Tirol nirgendwo einen Freizeitwohnsitz, außer das Objekt ist als solches gewidmet oder es gibt einen individuellen Bescheid vom Bürgermeister. Oder aber es ist ein alter Freizeitwohnsitz.
Ich könnte aber kaufen und einen Leerstand dort haben?
Das haben Sie sehr gut erkannt, es gibt nämlich einen Unterschied zwischen einem Freizeitwohnsitz und einem Leerstand. Dann darf man aber auch nicht dort sein. Und sollte schon gar nicht mit den Skischuhen oder der Angelrute gesichtet werden.
Es wirkt so, als würden diese Freizeitwohnsitzler richtiggehend gejagt werden. Man lauert ihnen sogar mit Detektiven auf. Das ist teilweise unappetitlich geworden.
Die Schnüffelei ist groß und es ist ein schmaler Grat, den man hier geht. Der schärfste Überwacher ist übrigens der neidige Nachbar. Neid und Missgunst sind so schlimm wie nie, Corona hat das verschärft.
Wann und wie wird kontrolliert?
Wenn die Gemeinde Kapazitäten hat, wird kontrolliert. Kitzbühel war früher eher lässig, durch den politischen Druck hat man jetzt Beamte angestellt, die erheben. Dann beginnt es unlustig zu werden. Dann wird der Stromverbrauch kontrolliert, geschaut, wie oft jemand da ist. Die Kontrolle ist im Tiroler Gesetz ausdrücklich erlaubt, ob das vor den Höchstgerichten hält, ist eine andere Frage.
Was sind die Sanktionen, wenn man eine Immobilie kauft und sie fälschlich als Freizeitwohnsitz nutzt?
Dann wird die Nutzung von der Gemeinde untersagt. Es gibt eine Geldstrafe zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Nützt man die Immobilie weiter illegal, kommt die nächste Strafe, das geht bis 40.000 Euro. Und es kann zu weiteren Maßnahmen kommen. Neu in Tirol ist, dass es für Immobilien zu einer Versteigerung kommen kann. Dieses Instrument sehe ich als höchst fraglich und das war auch noch nicht beim VfGH. Diese Möglichkeit der Zwangsversteigerung gibt es auf Immobilien, die nach 2022 in den Vorbehaltsgemeinden und mit falscher Erklärung erworben wurden.
Was kann ein Eigentümer tun, der vor so einer Situation steht?
Leerstand anmelden, das geht immer. Eventuell muss dann Leerstandsabgabe gezahlt werden. Oder er vermietet an einen Hauptmieter. Oder jemand wohnt dort im Haupt- oder Zweitwohnsitz. Letzteres geht aber nur, wenn man dort arbeitet oder studiert.
Ein Zweitwohnsitz wäre erlaubt?
Ja, wenn man dort eine Ausbildung macht oder als Projektarbeiter stationiert ist. Einen Zweitwohnsitz kann man zu verschiedenen Zwecken haben: zum Arbeiten, zum Studieren, für familiäre Zwecke. Aber ja nicht zu Erholungszwecken, weil dann wäre es ja wiederum ein Freizeitwohnsitz.
Wenn der Wiener Student in Innsbruck aber aufhört zu studieren, nix tut, mutiert er dann vom Zweitwohnsitzler zum Freizeitwohnsitzler?
Ja, das wäre de facto so.
Es gibt auch Immobilien, die nur für Hauptwohnsitze gewidmet sind.
Richtig. Die Gemeinde kann jede Nutzung widmen, das ist die sogenannte Flächenwidmung. Sie kann Wohngebiet, gewerbliche Nutzung oder Kirche widmen, Kaserne oder gemeinnützige Wohnungen. Oder eben die Widmung Hauptwohnsitz.
Können sich Widmungen ändern?
Der gewidmete und mit Gemeinderatsbeschluss genehmigte Freizeitwohnsitz ist de facto für ewig. Auch bei einem Verkauf bleibt eine Widmung bestehen. Eine Freizeitwidmung ist also Gold wert.
Kann es in einem Wohnhaus unterschiedliche Widmungen für verschiedene Wohnungen geben?
Ja.
Muss man in einem Zweitwohnsitz bzw. Freizeitwohnsitz überhaupt gemeldet sein?
Ja. Außer, man nutzt den Wohnsitz so wenig, dass es eigentlich schon ein Leerstand ist.
Wenn man eine Immobilie erbt, wie kann man sie dann legal an den Wochenenden nutzen?
Dann kann man über den Bürgermeister eine individuelle Erlaubnis einholen. Nach §13, Abs. 8 Tiroler Raumordnungsgesetz kann man für Erben im Familienkreis eine individuelle Genehmigung als Freizeitwohnsitz bekommen. Das gilt auch für geänderte Lebensumstände, etwa, wenn man nach Wien zieht und das Tiroler Haus weiter nutzen will. Der Bürgermeister muss diese individuelle Nutzung erlauben. Ein Erbe oder ein Haus aus Familienbesitz könnte man aber auch leer stehen lassen. Oder als Hauptwohnsitz oder Zweitwohnsitz vermieten.
All unsere Freiheiten – des Liegenschaftsverkehrs, der freien Wohnsitznahme, der Unversehrtheit des Eigentums – werden durch all diese Regelungen stark beschnitten.
Keine Freiheit ist absolut. Der Gesetzgeber und die EU haben das Interesse der Gemeinden an Grund und Boden für Einheimische zu Hauptwohnsitzzwecken anerkannt.
Was sagen Sie zu Bürgermeistern, die eine Hauptwohnsitzmeldung tolerieren, aber wissen, dass das Haus nicht so genutzt wird?
Wenn es der Bürgermeister weiß und nichts unternimmt, ist das Amtsmissbrauch. Nach dem Meldegesetz wird eine Meldung nicht überprüft. Die Meldung als solche ist also vorerst zu akzeptieren. Der Bürgermeister könnte im Nachhinein überprüfen, ob es tatsächlich als Hauptwohnsitz genutzt wird. Dann hätte er ein Meldevergehen aufgedeckt.
Kann man durch die Freizeitwohnsitz-Regelungen tatsächlich die Probleme der Gemeinden – zu wenige Hauptwohnsitze, zu viel Leerstand, zu hohe Preise – lösen?
In Jochberg wurde gerade ein Haus um 35 Millionen Euro verkauft. Das große Kapital findet immer seinen Weg. Es wird sich also auch jemand finden, der dort dauerhaft wohnt. Und wenn es der angestellte Hausmeister ist.
Wie kritisch sehen Sie die gesamte Thematik?
Ich sehe schon das Problem dahinter, nämlich den Preisdruck in den Gunstlagen, dass Grund und Boden rar sind und dass Einheimische nicht mehr so leicht zu Immobilien kommen. Gleichzeitig haben die Einheimischen lange von den teuren Verkäufen gelebt. Meine Kritik ist, dass wir im Tourismusland Tirol, das auf Freizeit, Sport, Ski und Berge ausgerichtet ist, zwar den Tourismus in Hotels erlauben, dafür werben. Sobald man aber diese Freizeit in den eigenen vier Wänden verbringen will, wird pönalisiert.
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