Die Aufträge brechen weg: Das Bestellerprinzip und seine Folgen
Das Bestellerprinzip hat den Mietenmarkt verändert. Die Branche erwartet Nachteile für Mieter und Vermieter, mehr Schlichtungsstellenverfahren und höhere Mietpreise.
„Die Aufträge brechen weg.“: So drastisch fasst Gerald Gollenz, Obmann des WKÖ-Fachverbandes Immobilien und Vermögenstreuhänder, die aktuelle Lage am heimischen Maklermarkt für Mietwohnungen zusammen.
Seit Juli 2023 fällt für Mieter die Provisionszahlung an Makler bei der Vermittlung von Mietobjekten weg. Nur wer Makler tatsächlich beauftragt, also bestellt, bezahlt. In der Regel ist das der Vermieter. Für den Mieter sollte die Wohnungssuche also günstiger werden. IMMO hat nachgefragt, warum die Rechnung vielleicht nicht für jeden Mieter aufgeht.
„Wir waren immer gegen das Bestellerprinzip, weil nur qualifizierte Makler die rechtssichere Abwicklung von Geschäften im unüberschaubaren und gleichzeitig lebensentscheidenden Mietsektor gewährleisten. Unsere erste qualifizierte Datenanalyse gibt uns leider recht: Mieter ersparen sich nichts, im Gegenteil“, erklärt Gollenz.
Weniger Inserate
Die Marktanalyse von ZT Datenforum zeigt: Die Inserate am Mietwohnungsmarkt insgesamt sind nach Einführung des Bestellerprinzips um 37 Prozent eingebrochen. „Viele potenzielle Vermieter sehen von einer Vermietung ab, weil sie die Kosten für den Makler nicht alleine tragen wollen. Angesichts des sinkenden Angebots an Mietwohnungen führt diese Verknappung langfristig zu weiteren Preissteigerungen“, so der Obmann.
Gefahren für Mieter und Vermieter
Welche Gefahren birgt diese Entwicklung für Mieter, aber auch für Vermieter? „Soweit wir es beurteilen können, hat das Bestellerprinzip wenig Positives am Markt bewegt“, sagt Peter Weinberger, Geschäftsführer Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland. „Die Mieten sind jedenfalls nicht gesunken, die Anzahl der Mietobjekte ist rückläufig und Mieter bezahlen den Wegfall der Maklerprovision mit einem Verlust an Beratungsleistung. Auf private Vermieter lauern eine Menge Fallstricke, von rechtlichen Fragen bis zur Bonitätsprüfung von Mietern oder der Gefahr, Mietnomaden aufzusitzen, um nur einige zu nennen. Kompetente Immobilienmakler leisten hier wichtige Beratungsarbeit und sparen den Vermietern somit Zeit, Nerven und Geld.“
Maklerin Elisabeth Rohr von Elisabeth Rohr Real Estate erzählt von ihren Erfahrungen der vergangenen Monate: „Wohnungssuchende sind anscheinend bereit, Abstriche bei der Qualität der Wohnung zu machen, wenn sie keine Provision bezahlen müssen, und nehmen auch anderes Unbill in Kauf – wie zum Beispiel, dass niemand für sie Dinge ausverhandelt. Die Auswirkungen wird man wohl erst in einigen Jahren sehen. Ich gehe stark davon aus, dass bei Privatvermietungen beide Vertragsparteien eher unaufgeklärt ein Mietverhältnis eingehen, insbesondere dann, wenn der Mietvertrag nicht von einer Hausverwaltung erstellt wird und die Rechte und Pflichten beider Seiten nicht eindeutig definiert sind. In der Folge wird es wohl deutlich mehr Schlichtungsstellenverfahren geben.“
Die Maklerin sieht noch weitere Nachteile für die Mieter: „Die Zusammenarbeit unter Maklern ist aufgrund des Bestellerprinzips ohne Suchauftrag de facto zum völligen Erliegen gekommen. Damit steht Mietinteressenten zwangsläufig weder der gesamte Markt zur Verfügung, noch werden ihre Interessen berücksichtigt, weil der Makler kein Doppelmakler mehr ist.“
Der Trend in Richtung Selbstvermarktung durch Eigentümer steigt laut der Analyse in ganz Österreich. „Das ist auch ein schwerer Schlag gegen kleine Unternehmen, die schließen müssen“, so Gollenz. Die meisten Unternehmen mussten bis dato in Wien schließen.
„Ohne Beistand von qualifizierten Maklern sind Mieter und Vermieter dem Markt ausgeliefert. Das hat immer öfter teure Folgen, denn die Zahl von Betrügereien steigt. Nicht selten bezahlen Mieter Kautionen für ein nicht existierendes Betrugsanbot“, warnt Gollenz. Es ist daher ratsam, vor der Beauftragung die WKO-Registrierung des Maklerunternehmens zu überprüfen.
Der Obmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in Wien, Michael Pisecky, verlangt aus diesen Gründen eine Evaluierung des Bestellerprinzips nach einem Jahr durch eine parlamentarische Arbeitsgruppe.
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