Seit dem Jahr 2006 steigen die Mieten in Österreich kontinuierlich. Im Vorjahr bezahlten Mieter über 70 Prozent mehr pro Quadratmeter als noch 2006, geht aus Daten der Statistik Austria hervor. Und seit 2021 haben sich die Kosten fürs Heizen etwa verdoppelt. Kein Wunder, dass mehr als jeder fünfte Haushalt in Österreich die eigenen Wohnkosten als „schwere Belastung“ empfindet. Immer öfter, so Judith Derndorfer, Ökonomin und Expertin für Verteilungsfragen bei der Arbeiterkammer, bekommt das auch die Mittelschicht empfindlich zu spüren.
Doch welchen Anteil des Einkommens darf der Posten Wohnen ausmachen – und welcher Wert sollte nicht überschritten werden? Als Faustregel gilt, dass die Wohnkosten nicht mehr als ein Drittel des zur Verfügung stehenden Haushaltsbudgets ausmachen sollten. Die Statistik Austria hat erhoben, wie viel die österreichischen Haushalte (Mieter und Eigentümer) tatsächlich fürs Wohnen ausgeben: Die Hälfte der österreichischen Privathaushalte gibt bis zu 16 Prozent ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen aus, ein Viertel muss 27 Prozent oder mehr aufwenden. Die höchste Wohnkostenbelastung haben dabei Haushalte in privaten Hauptmietwohnungen. „Die Belastung vieler Mieter durch die Wohnkosten bewegt sich schon eher zu 50 Prozent hin“, erzählt Martina Jankoschek, Teamleiter Niederösterreich Süd und Burgenland bei Raiffeisen Immobilien, aus der Praxis. Viele Haushalte würden aktuell in die Miete gedrängt, da der Kauf sich aufgrund der strengen Kreditvergaberegeln (KIM-Verordnung) nicht ausgeht.
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Die Folge ist ein hoher Nachfragedruck auf den Mietmarkt sowie steigende Mieten und Betriebskosten aufgrund der Teuerung und der Inflationsanpassungen. „Der Quadratmeterpreis ist zwischen 2015 und 2022 um 60 Prozent gestiegen“, rechnet Derndorfer vor. Die konkrete Höhe der Wohnkostenbelastung hängt auch von der Wohnungsgröße und der Lage ab. Kleinere Wohnungen weisen meist höhere Wohnkosten pro Quadratmeter auf als größere. Rein rechnerisch können sich die Grazer europaweit die größten Mietwohnungen leisten. Mit 25 Prozent des Nettoeinkommens kann ein durchschnittlicher Haushalt in der steirischen Hauptstadt eine 136 Quadratmeter große Wohnung mieten. Wesentlich höher sind die Mieten traditionell im Westen Österreichs, in Salzburg und in Wien.
Die Berechnung, wie viel die eigene Wohnung kosten darf, hängt natürlich vom individuellen Einkommen ab. Die Preise für Wohnimmobilien in Österreich und im Euroraum sind seit 2009 wesentlich schneller gestiegen als die durchschnittlichen Nettoeinkommen, geht aus einer Erhebung der Bank Austria hervor. „Die Leistbarkeit hat damit deutlich abgenommen“, so der Chefökonom der UniCredit Bank Austria, Stefan Bruckbauer. Der durchschnittliche Nettoverdienst bezogen auf die Immobilienpreise habe in Österreich seit 2009 um 40 Prozent an Wert verloren, im Euroraum waren es 13 Prozent.
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Aber war es früher einfacher, sich Eigentum zu leisten, hatte es die Elterngeneration leichter? Der Vergleich ist schwierig, die Rahmenbedingungen haben sich stark geändert. Klar ist, die Zinsen waren in den 1990er-Jahren deutlich höher als heute. Ein Vergleich der reinen Wohnkosten sieht so aus: „Musste im Jahr 2015 eine Vollzeit arbeitende Person für den Kauf einer 100 Quadratmeter großen Wohnung zehn Jahre arbeiten, so waren es im Jahr 2022 bereits 13 Jahre“, rechnet Derndorfer vor.
Oder, pro Haushalt berechnet: Der Kauf einer neu errichteten Wohnimmobilie mit 100 Quadratmetern erforderte im Jahr 2022 durchschnittlich 6,5 Nettojahresgehälter eines österreichischen Haushalts, geht aus dem Deloitte Property Index hervor. Bei beiden Berechnungen wird das gesamte Netto-Einkommen ausgegeben, es bleibt kein Geld für Zinsen oder Ausgaben des täglichen Lebens. Das zeigt: Wer heutzutage ohne Erbschaft oder sonstigen Vermögenspolster eine Wohnung kaufen oder einen Finanzierungsbeitrag für eine Genossenschaftswohnung bezahlen will, hat es schwer.
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