Blick nach oben: Warum ein Dachgeschoß so wertvoll sein kann

Blick nach oben: Warum ein Dachgeschoß so wertvoll sein kann
Ein Spaziergang durch Innsbruck richtete seinen Blick auf und unter die Dächer der Stadt.

"Wir gehen jetzt mit einem anderen Blickwinkel durch die Stadt“, so das Fazit der Teilnehmer beim „Gehspräch“ mit Architekt Alexander Topf (Bild oben) während der diesjährigen Architekturtage in Innsbruck. Das Interesse am Thema Dachausbau war groß: So hatten sich zu dem von proHolz Tirol und den Tragwerkspartnern unterstützten Event weit mehr als die geplanten 20 Teilnehmer angemeldet – 30 Interessierte konnten einen Platz beim Spaziergang unter dem Motto „Das Dachgeschoß als wertvolle Ressource für eine nachhaltige Stadtentwicklung“ ergattern.

Nachverdichten gewinnt an Bedeutung

„Wer auf dem Weg durch die Stadt bewusst den Kopf von der Straße in Richtung Himmel hebt, der sieht: viele Dachgeschoße haben eine lange und bewegte Geschichte vorzuweisen, darüber hinaus gewinnen Aspekte wie Nachverdichtung und Umnutzung zunehmend an Bedeutung“, sagt Topf, der in Innsbruck ein eigenes Studio betreibt und mit den Herausforderungen des Bauens im Bestand vertraut ist. In seiner täglichen Arbeit kann der Architekt beobachten, dass die Thematik aufgrund steigender Bodenpreise sowie einem Umdenken der Bauherrschaft im Sinne der Ressourcenschonung stetig und mittlerweile auch auf dem Land an Relevanz gewinnt: „Viele suchen nach intelligenten Lösungen, was auch uns Architektinnen und Architekten die Chance auf neue Tätigkeitsfelder eröffnet.“

Alle ziehen an einem Strang

Die Komplexität des Daches erfordert erfahrungsgemäß oft den Rat eines erfahrenen Experten. Am besten verlässt man sich von Anfang an auf ein ganzes Team an Spezialisten, denn – so Topf –, „nur wenn Architekten und Fachplaner bei der Planung an einem Strang ziehen, kann ein Dachgeschoßprojekt im Bestand zum Erfolg führen.“ 
Was in Innsbruck vor einigen Jahren mit innovativen Projekten in luftiger Höhe begann, führte schließlich zu wilden Auswüchsen und mündete in strikten Reglementierungen seitens der Stadt – auch, um der drohenden Spekulationsblase einen Riegel vorzuschieben. „Aufgrund der behördlichen Vorgaben und der eng gefassten Richtlinien seitens der OIB, was Raumhöhen, Brandschutz, Belichtung, barrierefreie Erschließung und Steigungsverhältnisse von Stiegen anbelangt, sind innovative Konzepte für Nachverdichtungen unter dem Dach heute nur noch erschwert möglich bzw. erfordern eine ordentliche Portion Kreativität“, weiß Topf. Dabei sind solche Konzepte gefragt wie nie.

Blick nach oben: Warum ein Dachgeschoß so wertvoll sein kann

Der historische Dachraum des BORG Fallmereyerstraße wird in einen Lesesaal transformiert

Tour durch Innsbruck

Wie es daher rund um die Adaption von Dachgeschoßen mit etwas Erfindergeist und einer kreativen Auslegung der gesetzlichen Vorgaben dennoch funktionieren kann, durften die Besucher an fünf Stationen der Tour anschaulich erleben. Beim ersten Halt, einer Aufstockung im Bau von Architekt Wolfgang Pöschl/Tatanka auf dem Kulturzentrum „Bäckerei“, stand die Nachverdichtung samt nachhaltig flexibler Nutzung im Vordergrund: Anstelle der theoretisch drei machbaren Geschoße, entschieden sich die Architekten für die Umsetzung von lediglich zwei Etagen – diese allerdings jeweils mit einer Raumhöhe von fast vier Metern. Im Sinne der Vorzüge der benachbarten Altbauobjekte soll so auf lange Sicht auch eine gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten möglich sein.

Wie anspruchsvoll sich ein solches Projekt im urbanen Raum gestalten kann, ließ sich beim Blick auf die Baustelleneinrichtung mit abenteuerlichen Lösungen wie dem Kran auf einem Gerüst über der Straße vor Ort erahnen: „Das sind Aspekte, die die Umsetzung kompliziert und damit oft teuer gestalten können.“ Das Projekt ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Aufstockungen nicht immer zu Spekulationsobjekten werden müssen, sondern auch zur Spielwiese für kreative Raumkonzeption werden können.

Dachboden nutzen

Weiter ging es für die Gruppe quer durch die Stadt zum Gymnasium BORG in der Fallmereyer Straße. Auf dem Weg dorthin wurden zahlreiche Projekte aus der Ferne analysiert und der Fokus auf die Zone über den Traufen gelenkt. Anstelle eines Neubaus auf der grünen Wiese und zusätzlichen versiegelten Flächen entschied sich eine Eigentümerin, die „Ressource“ Dachboden geschickt zu nutzen, Räumlichkeiten intern neu zu organisieren und somit Geld und Boden zu sparen. 
Eine Kuriosität am Rande: Für die Aufstockung soll eigentlich nur ein ganz kleiner Teil des Dachgeschoßes genutzt werden, dennoch ist damit ein zweiter Fluchtweg nötig. „Dieser wird in Form eines Steges mit beidseitigem Handlauf durch den offenen Dachstuhl führen“, erklärt Matthias Ruhl vom mit der Planung betrauten Architekturbüro Schafferer beispielhaft die Notwendigkeit, Tragwerks- und Brandschutzplaner bei solchen Projekten von Anfang an miteinzubinden, um später böse Überraschungen zu vermeiden.

Blick nach oben: Warum ein Dachgeschoß so wertvoll sein kann

Auf dem Weg durch die Stadt wird der Blick gezielt nach oben gerichtet. „Bäckerei“-Architekt Pöschl erklärt Ansätze zum Dachgeschoßausbau 

Zum Abschluss durften die Teilnehmer einen bereits vor einigen Jahren von Giner und Wucherer Architekten fertiggestellten Dachgeschoßausbau in der Maximilianstraße begutachten. Für alle, die bis zum Schluss durchgehalten hatten, ein gelungenes Beispiel, wie sich ein vermeintlich enger und dunkler Dachboden in überraschend helle, zeitlose und großzügige Wohnräume umwandeln lässt.

Thema Überhitzung

Angesprochen auf die Problematik der Überhitzung entgegnet der Architekt: „In nicht ausgebauten Dachböden kann es aufgrund mangelnder Verschattung und der exponierten Lage definitiv zu einem Wärmestau kommen.

Die Temperaturen lassen sich allerdings mit Mitteln wie einem außen liegenden Sonnenschutz, elektrochromatischen Gläsern oder einer aktiven Kühlung in den Griff bekommen. Da wir bei Aufstockungen aufgrund statischer Anforderungen oftmals auf leichte Bauweisen wie Holz anstelle von massiven Konstruktionen setzen müssen, sind dies meistens die besten Lösungen.“

Das Fazit des Gastgebers lautet: „Das Dachgeschoß ist nicht nur eine wertvolle Ressource für die Entwicklung der Stadt, sondern auch für unsere Branche. Ich hoffe, wir konnten gewisse Hemmschwellen gegenüber der Beauftragung von Architekten abbauen und die Gäste mit Inspiration und Informationen nach Hause schicken.“

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