Der große Reiz von Sammelkartenspielen besteht nämlich darin, sich nach Jahren des Sammelns der besten Karten mit anderen Spielern bei Turnieren zu messen. Ein Aspekt, der durch die weltweiten Ausgangsbeschränkungen seit mehr als einem Jahr völlig wegfällt. Weil das Spielen mit anderen nicht mehr möglich war, gaben sich viele Pokémon-Fans also dem Sammeln hin und versuchten, ihre Kollektion zu vervollständigen.
Dabei stieg vor allem die Nachfrage nach älteren, spielerisch eigentlich nicht mehr besonders nützlichen Karten enorm. Gleichzeitig blieb das Angebot aber gleich, denn alte Karten-Sets werden vom US-Konzern Wizards of the Coast, der das Pokémon-Kartenspiel vertreibt, nicht mehr nachproduziert. Die Folge: Eine Preisexplosion, vor allem bei stark nachgefragten Karten der allerersten Auflage (der sogenannten „First Edition“).
Das ganze verselbstständigte sich: Auf der Videoplattform Youtube erklärten selbst ernannte Business-Gurus, wie man mit dem Handel von Pokémon-Karten schnelles Geld machen könnte. Das eigentlich für Kinder und Jugendliche konzipierte Spiel wurde plötzlich auch für Spekulanten interessant.
Auftritt: Logan Paul
Die Geschichte des aktuellen Pokémon-Hypes hängt auch unmittelbar mit seinem Namen zusammen: Skandal-Youtuber Logan Paul. Der 26-jährige US–Amerikaner wurde mit kurzen Comedy-Clips erfolgreich, inzwischen ist er mit knapp 28 Millionen Abonnenten einer der größten reinen Internet-Stars.
Dieser Logan Paul also hatte laut Eigenaussage eine plötzliche Leidenschaft für Pokémon entdeckt. Er kaufte sich deshalb im Februar um knapp 1,2 Millionen Euro sechs originalverpackte Boxen mit je 360 zufälligen Karten der „First-Edition“. Er öffnete und verkaufte die darin enthaltenen Karten in einem Livestream, hunderttausende Fans schauten und schlugen zu – und Paul stieg mit einem Riesengewinn aus.
Auch deutschsprachige Youtuber sind aufgesprungen und bis heute sind Pokémon-Sets bei den meisten Händlern vergriffen, sogar die Produktion in Japan und den USA kommt dem Ansturm nicht nach.
Entscheidend für den Wert einer Karte ist nicht nur, wie selten sie ist, sondern auch, in welchem Zustand. Dabei fällt auch nicht nur die Abnutzung ins Gewicht, sondern auch, wie zentriert die Pappe bedruckt wurde. Die seriöseste Anlaufstelle zur Bewertung von Sammelkarten ist der US-Konzern PSA. Schickt man dort eine Karte hin, erhält man sie wenig später in einer verschweißten Plastikhülle mit klar sichtbarer Benotung zurück. So sind sie dann am Markt ein Vielfaches wert.
„Das ist im Grunde wie Geld drucken“, sagt Christoph Buttara zum KURIER. Der Wiener ist seit drei Jahren Pokémon-Sammler, seit März sogar hauptberuflich. Er kauft regelmäßig unbewertete Karten an, um sie dann über den Atlantik zu schicken und von PSA einschätzen zu lassen. Bis die zurückkommen, dauert es inzwischen aber ca. 12 Monate.
Eine Karte des Feuer-Pokémons „Glurak“ aus der First Edition in englischer Sprache sowie mit einer PSA-Bewertung von 10 wechselte im März für knapp 320.000 Euro den Besitzer. Dieselbe Karte mit einer 9er-Wertung ist dagegen aktuell „nur“ knapp 12.000 Euro wert. Buttara selbst besitzt insgesamt 13 First-Edition "Gluraks", zwei davon sind sogar vom Zeichner Mitsuhiro Arita selbst signiert - allerdings auf deutsch. Und aktuell nur eines mit einer 10er-Wertung von PSA.
"Mal schauen, welche Bewertung der Rest erhält, wenn ich sie aus den USA zurückbekomme", sagt er. Ein Millimetergenauer Druck kann dabei den möglichen Verkaufspreis verzehnfachen. Es ist wie so oft im Leben: Um mit Pokémon-Karten wirklich reich zu werden, braucht man sehr, sehr viel Glück. Genau wie im Casino.
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