Homeoffice: "Die Arbeit beginnt schon ab 5 Uhr früh"
Maria Zesch leitet als COO Österreichs Mobilfunk-Riesen Magenta, der früher T-mobile hieß. Ihre Analyse für perfektes Homeoffice lautet: Die Führungskräfte sollen eine digitale Unternehmenskultur vorleben, die Technik muss passen, und es braucht Regeln für die Arbeit zuhause. Im KURIER-Stadtstudio "Pods & Bowls" analysierte sie die veränderte Mobilfunknutzung der Österreicher nach sieben Monaten Corona.
Magenta-Chefin Maria Zesch im Checkpoint bei Richard Grasl
KURIER: Die jüngste Ausgabe des Harvard Business Managers zeigt einen Mann im Büro und den Titel "Das Ende einer Ära". Sehen Sie das auch so?
Maria Zesch: Ich kann das bestätigen. Hätte mir das vor einem Jahr jemand gesagt, hätte ich gesagt, dass dieser Wandel in Österreich noch lange dauern wird. Aber vielleicht ist das das einzig Positive an Corona, dass die Digitalisierung schneller kommt. Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben.
Ist das überhaupt positiv? Vielleicht wollen Mitarbeiter ja auch lieber in das Büro gehen, um ihre Kolleginnen und Kollegen zu treffen?
Ich persönlich finde es durchaus angenehm, mal einen halben Tag von zuhause arbeiten zu können. Ich freue mich aber auch wieder, in das Büro zu kommen und Leute zu treffen. Unterschiedliche Situationen verlangen ein unterschiedliches Umfeld, gerade was kreatives und strategisches Arbeiten betrifft. Da bevorzuge ich weiterhin die persönliche Interaktion.
Wie läuft das in ihrem Unternehmen ab? Gibt es da eine Mischform?
Rein formal wäre es möglich, dass 50 Prozent der Mitarbeiter in unser Headquarter oder in unsere Büros kommen. Defacto ist es aber so, dass es so circa 20 bis 25 Prozent sind. Das kann man an der Zahl der Mittagessen ablesen.
Sie haben die Daten ihrer Netze analysiert. Wie sehr hat Corona die Arbeitswelt verändert?
Im März hat man gesehen, dass sich die Sprachtelefonie extrem erhöht hat, und das gilt bis heute. Vor allem am Vormittag haben sich die Minuten in der Sprachtelefonie verdoppelt. Und das obwohl es vor Corona zu einem Rückgang der Telefonie kam.
Und beim Datenverkehr?
Der ist in Summe um rund 40 Prozent gestiegen. Aber da ist die Entwicklung über den Tag gesehen spannend. Die Menschen beginnen schon sehr früh, zwischen fünf und sechs Uhr früh.
Das heißt, sie arbeiten auch länger?
Das sieht man anhand der Sprachtelefonie bis 19 Uhr, dann steigt wieder der Datenverkehr, wobei das natürlich sein kann, dass Filme gestreamt werden - oder Ihre Interviews hier im KURIER-Studio.
Was brauchen Mitarbeiter, um zuhause einen zufriedenstellenden Arbeitsplatz zu haben?
Wir haben 700 Entscheider in österreichischen Unternehmen dazu befragt. Am Anfang waren das ein Laptop und ein gutes Smartphone. Nach dem Lockdown ging es dann vor allem um Connectivity, sprich ein Internet, das ruckelfrei ist und hohe Geschwindigkeiten zulässt.
Warum war das zu Beginn der Krise noch nicht so?
Weil sich die Arbeit zuhause gewandelt hat. Am Anfang wurden vor allem E-Mails und Telefonie genutzt, weil die Österreicher bei der digitalen Nutzung von Tools noch immer sehr konservativ sind. 80 Prozent nutzten E-Mails und Kalender, aber nur 40 Prozent Videotelefonie. Vor allem kleinere Unternehmen sind hier noch digitale Nachzügler.
Steht uns in der zweiten Infektionswelle auch eine zweite Digitalisierungswelle bevor? Und was wären die Voraussetzungen dafür?
Also ich glaube, es gibt drei Faktoren, die für virtuelles Arbeiten nötig sind: Erstens die Unternehmenskultur. Alle müssen hier mitarbeiten, dafür sind Trainings erforderlich. Hier muss auch die Führung vorangehen. Das zweite Thema ist die Technik. Früher hat man im Büro darüber gesprochen, wie das Essen in der Kantine ist und wo mein Parkplatz ist. Heute besprechen Mitarbeiter, wie gut ihre Internetverbindung zuhause ist, ob man ein Video einschalten kann oder nicht. Und beim dritten Thema sind Politik und Wirtschaft gefordert: Welche Regeln braucht man für Homeoffice.
Die Regierung hat die Sozialpartner gebeten, Vorschläge zu machen. Diese kommen aber erst 2021. Ist die Politik da zu langsam?
Wir setzen hier auf Betriebsvereinbarungen, quasi als Übergangslösung. Aber ich freue mich auch, wenn die finale Regelung da ist.
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Arbeitsleistung gemacht? Einerseits arbeiten Mitarbeiter zuhause länger, aber sie machen eventuell auch längere Pausen?
Ich bin ein absoluter Freund von Output und nicht von Präsenzkultur. Wir haben einen Prozess aufgesetzt, bei dem wir 140 Mitarbeiter miteinbezogen haben. Da werden Fragen wie das zukünftige Arbeiten besprochen.
Das Roaming, also das Telefonieren und Surfen im Ausland ist in der Krise komplett eingebrochen?
Zu Beginn der Krise sind die Nutzungsdaten auf Geschäftsreisen um 80 Prozent eingebrochen. Von März bis September waren es immer noch minus 40 Prozent, wobei es länderweise Unterschiede gibt, in Deutschland zum Beispiel nur minus 15 Prozent, USA aber minus 90 Prozent. Spannend ist aber, dass die Privatkunden wieder mehr ins Ausland fahren. Diese Kurve hat sich wieder erholt. Geschäftsreisen werden künftig viel selektiver wahrgenommen werden, weil auch hier ja virtuelles Arbeiten möglich ist. Das bringt Zeit- und Kostenersparnis.
Haben Sie auch erforscht, ob Mitarbeiter das Homeoffice überhaupt wollen?
Sieben von zehn Mitarbeitern sagen jetzt, dass sie an das Homeoffice glauben. Das sind sowohl Entscheider als auch Mitarbeiter. Sie glauben, dass sich ihr Leben dadurch verbessert hat. Sogar acht von zehn glauben, dass sich die Arbeitswelt im Summe verbessert hat.
Dann werden aber künftig viele Büroflächen leer stehen?
Es wird eine andere Art des Zusammentreffens sein. Es wird nicht mehr so sein, dass man an seinem Schreibtisch sitzt, sondern es wird mehr Begegnungszonen im Büro geben, für kreatives Arbeiten miteinander. Man wird also andere Büroflächen brauchen, zum Beispiel mit Rückzugsorten für Videotelefonie. Man muss sich jetzt schon Gedanken machen, wie das Büro künftig aussehen soll. Wichtig ist auch, dass man die Kluft zwischen jenen, die in das Büro gehen und jenen, die im Homeoffice arbeiten können, nicht zu groß werden lässt. Das muss man kulturell ausgleichen und offen darüber reden.
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