Höhere Inflation: US-Notenbank zieht Zügel stärker an

Werden keine Freunde mehr: Fed-Chefin Yellen, design. Präsident Donald Trump
Geldpolitik: Trump-Pläne lassen die Preise steigen - Fed-Chefin Yellen schiebt 2017 eine Zinserhöhung ein.

Die US-Notenbank rüstet sich mit höheren Zinsen gegen rascher steigende Preise: Am Mittwochabend beschloss der Offenmarkt-Ausschuss der Fed in Washington, den US-Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf 0,50 bis 0,75 Prozent anzuheben. Zur Erklärung: Die Fed verfolgt anders als die EZB keine feste Zins-Zielgröße, sondern eine Bandbreite.

Dieser Schritt war zwar von allen Experten erwartet worden, hat aber trotzdem historische Dimensionen: Es war erst die zweite Anhebung nach Dezember 2015. Zuvor war es fast zehn Jahre lang für die US-Leitzinsen krisenbedingt nur bergab gegangen.

Drei Schritte 2017

Spannend fiel vor allem der Ausblick für das kommende Jahr aus: Fed-Chefin Janet Yellen (70) erwartet nun ein etwas rascheres Anziehen der Inflation. Die Zinsprojektionen deuten darauf hin, dass entgegen früheren Erwartungen eine zusätzliche, dritte Zinsanhebung für 2017 eingeschoben wird.

Das hängt mit den wirtschaftspolitischen Plänen des künftigen US-Präsidenten zusammen. Sollte Donald Trump nämlich tatsächlich Hunderte Milliarden Dollar pro Jahr in die Infrastruktur stecken, die Steuern massiv senken, die Immigration begrenzen und Handelshürden aufbauen, um die Produktion in den USA zu fördern, hätte das unweigerlich eine Folge: steigende Preise.

Zu früh für Urteil

Um die Inflation einzufangen, muss die US-Notenbank die Zinsen rascher anheben, als sie bisher vorhatte. Handelt sie dabei aber übereifrig, weil Trump seine Linie ändert oder nicht durch den Kongress bringt, würden zu flotte Zinsanhebungen die Wirtschaft abwürgen und in die Rezession schicken. Keine leichte Entscheidung.

Yellen betonte in der Pressekonferenz, dass die Anpassung "sehr moderat" ausgefallen sei. Man wolle nicht über die künftige Wirtschaftspolitik spekulieren, sondern werde schrittweise auf die Anforderungen reagieren. Es sei "viel zu früh", um zu prognostizieren, wie sich die mögliche künftige Trump-Politik auswirken könnte. Allerdings hätten einige Mitglieder des Offenmarkt-Ausschusses fiskalische Maßnahmen bei ihren Annahmen einkalkuliert.

Trump erbt Hochkonjunktur

Tatsache ist aber: Der neue Präsident erbt eine US-Wirtschaft in voller Blüte. Der Arbeitsmarkt ist mit 4,6 Prozent Arbeitslosigkeit nach offiziellen Daten nahe der Vollbeschäftigung und wieder auf Vorkrisenniveau angekommen. Die Wirtschaftsleistung stieg zuletzt gegenüber dem Vorquartal um 3,2 Prozent. Das spricht für höhere Zinsen.

Die Börsen reagierten zunächst so gut wie gar nicht auf die Zinsanhebung. Der Dow- Jones-Index für Industrieaktien erreichte kurzfristig Rekordstände, blieb aber vorerst unter der magischen Marke von 20.000 Punkten. Mit Fortdauer des Handelstages drehten die Indizes ins negative Terrain.

Dollar zieht stark an

Deutlicher reagierte der Dollarkurs: Die US-Währung, die seit Monaten zur Kraftmeierei neigte, stieg sofort nach der Fed-Entscheidung gegenüber dem Euro um fast 0,5 Prozent. Irgendwann 2017 dürfte somit die Parität zum Euro (ein Wechselkurs von 1:1) erreicht werden.

Die Folgen des stärkeren Dollar: Für Europäer werden Reisen in die USA teurer, dafür hilft ein starker Dollar Europas Firmen, die in die USA exportieren. Turbulent könnte es für Schwellenländer werden, die hohe Dollarschulden angehäuft haben: Sie werden sich schwer tun, diese bei höheren US-Zinsen zurückzuzahlen. Das könnte noch für dramatische Szenen sorgen.

Persönliche Zukunft

Mit einem Auge schielt Yellen wohl auch auf Trumps Twitter-Account. Im Wahlkampf hatte der Republikaner die von den Demokraten nominierte Fed-Chefin attackiert. Der neu gewählte Präsident würde einer weiteren Amtszeit Yellens wohl kaum zustimmen.

Nach ihrer persönlichen Zukunft befragt, betonte die Fed-Chefin zu allererst die Unabhängigkeit der Zentralbank: Es habe schon seine guten Gründe, warum die Periode des Fed-Vorsitzes und der Präsidentschaft nicht parallel verlaufen. Sie habe jedenfalls vor, ihre laufende Amtszeit zu beenden. Dazu, ob sie für eine weitere kandidieren wolle und/oder der Fed weiterhin erhalten bleibe, habe sie noch keine Entscheidung getroffen.

@realDonaldTrump bleibt stumm

Vor der Fed-Entscheidung war auch noch diese Frage offen: Bricht Trump erneut ein Tabu und kritisiert als gewählter Präsident eine Entscheidung der unabhängigen Notenbank? Dann stünden Yellen wohl stürmische Monate bevor.

Zumindest in den ersten Stunden nach der Fed-Sitzung blieb der Twitter-Account von @realDonaldTrump allerdings stumm. Kein Wunder: Der designierte Präsident war abgelenkt. Er saß nämlich gerade mit der amerikanischen IT-Elite im Trump-Tower zusammen.

Höhere Inflation: US-Notenbank zieht Zügel stärker an
(FILES) This file photo taken on April 2, 2009 shows the US Federal Reserve building in Washington, DC. When the US Federal Reserve issues its next interest rate decision on November 2, 2016, the dawn of a bitterly fought presidential election day will be only 136 hours away. Trailing in opinion polls, Republican nominee Donald Trump has lambasted the central bank and accused it of artificially suppressing rates to help President Barack Obama -- a charge Fed Chair Janet Yellen has emphatically denied. Most observers expect the Fed's Federal Open Market Committee, which sets interest rate policy, to stand pat, seeing no pressing need to act, especially right before an election. / AFP PHOTO / KAREN BLEIER

ifo-Präsident Clemens Fuest:

„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen. Auch die EZB sollte sich auf einen Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik vorbereiten, denn es ist absehbar, dass die Inflationsrate nächstes Jahr auch im Euroraum ansteigen wird. Die Nullzinspolitik stört die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte, verunsichert die Sparer und führt zu Vermögensblasen, die beim Platzen das Finanzsystem in Not bringen können.“

Stefan Kreuzkamp, Deutsche Asset Management:

"Obwohl weitestgehend erwartet, kommt die Entscheidung der US-Notenbank zu einem kritischen Zeitpunkt: Der Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen hat die jüngsten Markttrends noch verschärft: US-Aktien stehen auf Rekordständen, zehnjährige US-Anleihen haben seit der Wahl um mehr als 60 Basispunkte zugelegt und notieren bei gut 2,5 Prozent. Inflations- und Wachstumserwartungen sind geradezu erschreckend schnell angestiegen - erschreckend zumindest für Anleiheinvestoren. Wir erwarten aber dennoch keinen Anleihe-Abverkauf.

Aufgrund der erwarteten Zinserhöhung und einer eher moderaten Sprache dürfte die Dollar-Rally erst einmal eine Pause machen. Dennoch rechnen wir auf Jahressicht mit Parität zum Euro."

Harm Bandholz, Unicredit-Chefvolkswirt

„Wir haben uns schon eine ganze Weile lang für eine schnellere Normalisierung der Geldpolitik ausgesprochen. Aber die Fed ging immer zu vorsichtig vor und fand Gründe, die nächste Zinserhöhung wieder und wieder zu verschieben. Vor diesem Hintergrund sehen wir das Anziehen als Schritt in die richtige Richtung, haben aber Zweifel, dass dies eine Änderung des Kurses bedeutet.“

Klaus Wiener, Chefvolkswirt beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft:

„Der Zinsschritt in den USA nach einer sehr langen Pause von zwölf Monaten war überfällig. Immerhin hat die US-Wirtschaft Vollbeschäftigung erreicht, und der Lohndruck steigt. Auch die Inflation zieht an, was an dem von der Fed favorisierten Preisindex für die privaten Konsumausgaben sehr deutlich wird. Er hat sich von 0,8 Prozent im Juli auf 1,4 Prozent im November erhöht. Insofern sind negative Realzinsen wie in der Finanzkrise nicht mehr erforderlich, ja mit Blick auf mögliche Inflationsgefahren sogar gefährlich.“

Ulrich Kater, Chefökonom Dekabank:

„Erwarteten die FOMC (Offenmarktausschuss)-Mitglieder bislang für 2017 nur zwei Zinserhöhungen, rechnen sie nun mit drei Schritten. Dies ist das erste Mal seit September 2014, dass die FOMC-Mitglieder ihren erwarteten Leitzinspfad nach oben korrigiert haben. Insoweit markiert das Meeting der Fed möglicherweise einen Zeitenwechsel hin zu einer zukünftig rascheren geldpolitischen Straffung.“

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