Infineon-Chefin kritisiert Covid-Management der Regierung
Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria, der Österreich-Tochter des deutschen Halbleiterkonzerns Infineon, geht mit dem Corona-Management der Regierung hart ins Gericht. „Die Komplexitätsforscher haben bereits im Sommer eindrucksvoll prognostiziert, wie sich die Zahlen bis zum Herbst entwickeln werden.“ Auf die Woche genau hätten sie vorhergesagt, wie die Infektionen steigen und dass sie im November 15.000 pro Tag erreichen würden.
Man hätte auf der Grundlage von Sachlichkeit Maßnahmen setzen müssen, um die Krise zu managen. „Das erwarte ich mir in Zukunft“, sagt Herlitschka gegenüber dem KURIER. Je später Maßnahmen gesetzt werden, desto intensiver müssten diese auch sein. „Man hätte viele Monate Zeit gehabt, um PCR-Tests aufzubauen.“
Wien als Vorbild
Wien habe vorgezeigt, wie es gehe, die Gurgel-Tests würden hier fantastisch funktionieren. Allerdings räumt sie ein, dass deren Umsetzung in Flächenbundesländern schwieriger sei. Gefordert sei allerdings nicht nur die Politik, sondern auch jeder Einzelne, jeder müsse sich an die notwendigen Maßnahmen halten.
Dass eine Impfpflicht kommen würde, sei absehbar gewesen. Eine solche sei zwar eine Ultima Ratio, also ein letztmöglicher Weg, doch solange man nicht eine Impfquote von 80 bis 85 Prozent erreicht habe, müsse man sich eben überlegen, wo man den Hebel ansetzen müsse. „Wir können nicht von einem Lockdown in den nächsten fallen“, sagt Herlitschka.
"Never waste a good crisis"
Sie hat aus der Krise gelernt, wie wichtig es ist, den Fokus auf die nötigen Aufgaben zu legen: auf Sachlichkeit, Mäßigkeit und die Sicherstellung von Schutz und Sicherheit. Doch das Leben gehe auch mit der Krise weiter, die Technologie, der globale Wettbewerb, die Innovationskraft, der Standort, die Wettbewerbsfähigkeit – all das würde sich weiterentwickeln. Zudem sei ein EU-Recovery-Programm aufgesetzt worden, auch habe es wirtschaftspolitische Maßnahmen gegeben.
„Es klingt abgedroschen, aber es ist wahr: Never waste a good crisis“, sagt Herlitschka. Wegen der Pandemie würde man die Kraft aufbringen, Dinge zu tun, die man sonst nicht machen würde. Und dadurch würde auch Veränderung vorangetrieben werden, wie zum Beispiel bei der Digitalisierung.
Halbleiter-Mangel bleibt
Apropos Veränderung. Diese – Stichwort Digitalisierung und Elektrifizierung – bringe auch, gemeinsam mit anderen Faktoren, eine aktuell sehr hohe Nachfrage nach Halbleitern mit sich. Viele Halbleiter-Produzenten erweitern jetzt ihre Kapazitäten. Nur: Das dauert. Immerhin sei der aktuelle Mangel ja aus einer Vielzahl von Faktoren – generell steigende Nachfrage, Pandemie etc. – heraus entstanden. Die kann man nicht so schnell beheben.
Und: „Chip ist ja nicht gleich Chip, da gibt es viele Kategorien. Den Mangel gibt es vor allem in den kleinen Strukturbreiten, im Besonderen bei den Mikroprozessoren. Wir sind in der Leistungselektronik tätig, das ist technologisch ein anderer Bereich.“ Aber auch hier ist die Nachfrage ungebremst hoch.
Infineon kann hier jetzt aber Schritt für Schritt mehr Halbleiter liefern, denn das Unternehmen hat ja in Kärnten im September die Erweiterung der 300-mm-Dünnwafer-Chipfabrik am Standort Villach eröffnet. Hier konzentriere man sich jetzt auf das geordnete Hochfahren zur Vollauslastung bis 2025, das sei ein hochkomplexer Prozess. Eine weitere Erweiterung des Standorts sei möglich, geplant sei diese aktuell aber nicht.
Bedarf weiter hoch
Sehr wohl würden aber an den verschiedenen Standorten des Konzerns Erweiterungen bzw. Investitionen evaluiert. „Wir denken, dass die Situation sicher bis weit in das Jahr 2022 hinein angespannt bleiben wird.“ Der Bedarf werde aber sowieso hoch bleiben, vor allem durch die Bereiche Elektrifizierung und Digitalisierung.
Die Infineon-Chefin sieht in der Bekämpfung der Klimakrise auch eine Chance für Europa, sich bei der Halbleiter-Produktion gegen Asien zu behaupten. „Wenn man den Green Deal schlau genug im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit anlegt, kann das tatsächlich eine Stärke für Europa sein.“ In Staaten wie Südkorea und den USA wird die Halbleiterindustrie durch Förderprogramme stark unterstützt. In Europa ist der sogenannte Chips Act nach wie vor in Planung. „Da ist wirklich Handlungsbedarf“, sagt Herlitschka. „Wir sagen seit langem, dass es hier konzertierte Maßnahmen braucht. Meine ersten Vorträge, in denen ich diese Situation aufgezeigt habe, gehen auf die Jahre 2015 und 2016 zurück.“
"Wir schaffen das"
Was die Bekämpfung der Klimakrise generell angeht, sei sie optimistisch, betont Herlitschka. „Ich erinnere mich gut, als vor Jahrzehnten Themen wie saurer Regen und das Ozonloch aktuell waren. Auch da sind entsprechende Maßnahmen gesetzt worden, und heute stehen wir bei diesen Themen deutlich besser da.“ Die Energiewende hinzubekommen sei „eine der größten Herausforderungen“. Aber: „Wir haben andere Dinge auch geschafft, wir werden auch das schaffen.“
Und noch eine – wenn auch kleinere Veränderung – steht bei Infineon an: ein Chefwechsel. Der langjährige und versierte Konzern-Chef und Österreich-Fan Reinhard Ploss geht in Pension. Der Neue, Jochen Hanebeck, bringe dem Österreich-Standort aber ebenso viel Sympathie wie sein Vorgänger entgegen, meint Herlitschka. Demzufolge werde der Österreich-Standort wohl auch in Zukunft einen wichtigen Stellenwert haben. Infineon Austria müsse aber nichtsdestotrotz mit Fach- und Sachargumenten von seiner Bedeutung überzeugen.
- Starkes Wachstum
Die Österreich-Tochter des deutschen Halbleiterkonzerns Infineon hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 ihr Ergebnis vor Steuern um 84 Prozent auf 361 Millionen Euro gesteigert. Der Umsatz wuchs um 25 Prozent auf 3,898 Milliarden Euro.
- Hohe Nachfrage
8,72 Milliarden Chips wurden im Geschäftsjahr 2020/21 in Villach erzeugt. Das starke Wachstum ist auf die hohe Nachfrage nach Mikroelektronik zurückzuführen. 4.820 Personen arbeiten derzeit bei Infineon Austria, um sieben Prozent mehr als ein Jahr davor.
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