Hektische Suche nach neuem Chef für Österreich Werbung
Die Tourismuswirtschaft wurde auf dem falschen Fuß erwischt, und zwar heftig. Mitten in der größten Krise, die einen der wichtigsten Wirtschaftsbereiche des Landes um 50 Jahre zurückgeworfen hat, kündigte Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung (ÖW) im Gespräch mit dem KURIER an, sich nach 15 Jahren nicht mehr um eine weitere Verlängerung zu bewerben. Es geht um die wichtigste Tourismus-Organisation der Republik.
Über den Grund der Nicht-Kandidatur kann nur spekuliert werden. Ein Zerwürfnis zwischen der Top-Managerin und ÖVP-Tourismusministerin Elisabeth Köstinger dürfte es nicht gegeben haben. Auch nicht mit der zuständigen Sektionschefin Ulrike Rauch-Keschmann, die zuvor Stolbas Pressesprecherin war.
Aber nicht nur für die höchst besorgte Branche kam die Nachricht überraschend, auch für die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Diese ist zu 25 Prozent an der wichtigsten heimischen Tourismusorganisation beteiligt, wusste aber nichts von den Plänen. Dabei sind Ministerium und Kammer eng verzahnt. Das Ministerium hat mit 75 Prozent das Sagen, doch die Geschäftsführung muss einstimmig bestellt werden. Beim Budget braucht Köstinger die WKÖ ebenfalls. Der Gesamtrahmen von 50 Millionen Euro wurde seit 2001 nicht valorisiert und soll jetzt krisenbedingt erhöht werden.
Auffallende Ausschreibung
Die bis 8. März laufende Ausschreibung für den mit rund 250.000 Euro dotierten Job ist auffallend allgemein und mit bescheidenen Ansprüchen für einen der wichtigsten Jobs im österreichischen Tourismus verfasst. Weder ein Studium noch eine touristische Ausbildung oder Führungserfahrung in der Branche sind Bedingung.
Klar, dass viel spekuliert wird, bis dahin, Bundeskanzler Sebastian Kurz habe eine geheime Liste für neue Köpfe. Gerüchte, die Vorarlbergerin Maryrose Sutterlüty, Büroleiterin von WKÖ-Präsident Harald Mahrer, sei als Spitzenkandidatin gesetzt, werden dementiert. Köstinger will angeblich eine Frau holen, die derzeit in Deutschland tätig sei.
Einer der am besten Qualifizierten, der langjährige Tirol-Werber Josef Margreiter, heute Chef der Lebensraum Tirol Holding, winkt ab: „Die ÖW ist zweifellos eine herausfordernde, spannende Aufgabe. Ich will aber in Tirol branchenübergreifend etwas aufbauen. Das hat für mich höchste Priorität, daher ist eine Bewerbung für mich kein Thema“. Genannt wird auch Köstingers Landsmann, der Kärntner Tourismus-Werber Christian Kresse.
Top-Besetzung gefordert
Durchaus möglich, dass die Ministerin noch gar keine Favoritin hat. Die Hearingkommission, die dem Präsidium die Top-Kandidaten präsentiert, ist noch nicht besetzt. Das wird ein Sprung ins kalte Wasser. Denn Köstinger muss eine Top-Besetzung vorweisen. In Zeiten wie diesen ringen tausende Betriebe ums Überleben. Von der WKÖ hört man, es müsse „ein absoluter Vollprofi im Tourismus oder im Markenbereich her und niemand mit Expertise in der öffentlichen Verwaltung“. Womit Politgünstlinge gemeint sind.
Stolba hat die Latte hoch gelegt. Präsidiumsmitglied und Spitzenhotelierin Elisabeth Gürtler bedauert den Abgang; „Tut mir sehr leid, sie hat hervorragende Arbeit geleistet und die ÖW zu einem modernen Unternehmen umgebaut, mit dem man arbeiten kann und das auch im Ausland Anerkennung findet.“
Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung, meint, „in Zeiten der Krise sollte man personell an Altbewährtem festhalten“. Schlägt aber vor, das System ÖW neu zu denken und zwischen Werbung und einem Kompetenzzentrum aufzuteilen. Dieses sollte alle Daten sammeln und aufbereiten, Content verbinden und Algorithmen aufsetzen“.
Florian Phleps, Chef der Tirol Werbung, findet Stolbas Abgang ebenfalls „schade. Ich habe sie fachlich und persönlich sehr geschätzt“. Von der ÖW wünscht er sich „einen stärkeren Fokus auf Innovation und Entwicklungen im Tourismus sowie mehr Leadership in der Koordination“.
Helga Freund, Vorständin des Verkehrsbüros, der größten heimischen Tourismusgruppe, attestiert Stolba „gute Zusammenarbeit in der Krise“. Jetzt sei der Zeitpunkt ideal, „dass sich ÖW und die neun Landes-Tourismusorganisationen neu aufstellen.
Neos-Wirtschaftssprecher und Unternehmer Sepp Schellhorn schlägt überhaupt vor, Stolba „soll noch zwei, drei Jahre an Bord bleiben, um die Umstrukturierung der ÖW durchzuziehen“. Für die Zeit nach der Krise brauche es einen Fokus auf Digitalisierung, die Umsetzung des Medienhauses sowie die Integration von Einheimischen und Mitarbeitern, Landwirtschaft und Industrie.
Auch der Hotelier und ehemalige WKÖ-Tourismusobmann Hans Schenner plädiert dafür, dass Stolba bleibt: „Das wäre nur vernünftig. Wir brauchen jetzt jemand, der den Markt kennt und perfekt mit den Landes-Tourismusdirektoren zusammenarbeitet“.
150 Millionen für Werbung
Werbung und Marketing sind in Österreich auf zahlreiche Organisationen und Verbände aufgesplittet. Die als Verein organisierte ÖW, die neun Landes-Tourismusorganisationen, die 90 Destinationen und 1.400 Verbände investieren jährlich rund 150 Millionen Euro für Werbung im Ausland.
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