Aber wenn Putin mit der Energie Druck machen will, ist dann anzunehmen, dass er das dann macht, um uns besonders weh zu tun?
Die militärischen Experten sagen, dass man das nicht im Sommer macht, da nutzt man das als Drohung. Das wird strategisch eher im Winter passieren. Aber ich sage nochmal, das ist ja keine Zufallsentscheidung. Da haben Menschen in der Europäischen Kommission Entscheidungen getroffen und den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, was man machen soll, um den Krieg zu beenden. Und man hat verabsäumt, der Bevölkerung zu sagen, wie der Preiszettel dafür aussieht. Das ist nicht die alleinige Entscheidung der Russen, sondern Europa hat sich an die Seite der Ukraine gestellt. Das sind politische Entscheidungen von Leuten, die dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Es geht hier nicht nur um Frieden in der Ukraine, es geht in der Folge auch um den sozialen Frieden in unseren Ländern. In Deutschland wird schon debattiert, dass die Energiekosten, also Heizen, Strom und Sprit, für eine Familie um 300 bis 400 Euro pro Monat steigen könnten. Der Energieminister hat sogar schon vom vierstelligen Bereich gesprochen, das kann schon mal ein Monatsgehalt sein. Da braucht man zur Dramatik der möglichen Auswirkungen, sie sind ja noch nicht eingetreten, nichts mehr sagen.
War es ein Fehler der EU-Kommission, so harte Sanktionen zu verhängen? Man wollte damit den Krieg beenden, aber scheinbar funktioniert das nicht, die Sanktionen wirken in dieser Form nicht so stark in Russland.
Ich weiß nicht, ob es ein Fehler war. Ich weiß nur auch nicht, ob es fertig gedacht war. Ich möchte nicht beurteilen, ob es gut oder schlecht ist, aber man muss solche Entscheidungen fertig denken. Was bedeutet das für die Menschen in Europa, für die Wirtschaft und den Standort? Wie lange halten wir das so aus? Diese Sanktionen haben auch indirekte Wirkungen. Man hätte bedenken müssen, dass es nur eine begrenzte Energie-Infrastruktur gibt, die nach Europa führt. Wenn ich öffentlich sage und die politische Entscheidung treffe, dass ich mich mittelfristig vom russischen Gas unabhängig machen will, dann weiß ich, dass ich andere Quellen brauche und von dort auch transportieren muss. Wenn ich natürlich in der Pendeluhr schlafe und mich nicht rechtzeitig um die Infrastruktur kümmere, mache ich mich schuldig. Wir in Österreich haben keinen Meereshafen, wir können das nicht allein machen, aber es braucht einen schnellen Bau von Pipelines aus dem Süden, um nicht nur Österreich sondern auch Deutschland, Tschechien und die Slowakei versorgen zu können. Sonst gibt es nicht nur im kommenden Winter, sondern möglicherweise in den kommenden Jahren ein echtes Engpassproblem und hohe Preise. Und zwar nicht nur für Monate, sondern für eine lange Zeit. Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist untragbar und muss vermieden werden.
Das sind schwere Vorwürfe. Sie sagen, man macht sich schuldig, an wen genau adressieren Sie das?
Ich glaube es muss von der Europäischen Kommission einen ganz klaren Plan geben, wo es hingeht. Die Länder sind unterschiedlich betroffen, wir in Österreich sind ein Binnenstaat und sind jetzt davon abhängig, dass uns jemand Gas verkauft, aber dafür braucht es ein Leitungsnetz. Und ein Leitungsnetz brauch Rechts- und Planungssicherheit, damit die Investitionen getätigt werden. Um ein Beispiel zu nennen, es braucht einen Lückenschluss nach Krk in Kroatien. Dort gibt es ein Terminal, das kann man vergrößern und ausbauen. Und damit von dort auch wirklich Gas an unsere Hauptleitung kommt, braucht es in Murfeld in der Steiermark auch einen Pipeline-Anschluss.
In Deutschland wird jetzt das Flüssiggasterminal Oldenburg gebaut. Innerhalb weniger Wochen wurden alle Genehmigungen erteilt und im Dezember soll es bereits fertig sein. Geht es mit dem Infrastrukturausbau Ihrer Meinung nach in Österreich schnell genug?
Nein, das machen die Deutschen ganz sicher besser. Und im Übrigen sind das keine Investitionen, die dann nicht weiter genutzt werden können. Jedes dieser Projekte ist darauf ausgelegt, dass man in Zukunft auch Wasserstoff über die Pipelines transportieren kann. In Österreich sind wir da sicher zu langsam. Ich kenne keinen integrierten Plan. Wir kennen von den Mitgliedsbetrieben die Ideen, wir wissen, was technisch notwendig wäre, aber da liegt die steuernde Verantwortung im Energieministerium, das sich mit der Kommission abstimmen muss. Keine einzelne Firma kann sagen, dass sie jetzt das Pipelinenetz baut. Es braucht Not-Genehmigungsverfahren und vielleicht sogar neue gesetzliche Grundlagen. Wir haben uns ausgerechnet, dass die Lückenschlüsse von Süden nach Norden Investitionen von 650 Millionen bis einer Milliarde Euro benötigen. Also bei den Beträgen, die wir gerade an Beihilfen ausgeben, ist das kein großes Investment. Das ist alles schulterbar, aber es braucht mehr Geschwindigkeit.
Der Nationalrat tagt morgen zum letzten mal vor der Sommerpause. Geht sich das aus, wenn man solche Probleme hat, dass man zwei Monate Pause macht?
Es sind noch viele Vorbereitungsarbeiten nötig, bis der Nationalrat tatsächlich ein Gesetz beschließt. Aber wir als Sozialpartner haben schon vor rund sechs Wochen einen Alpen-Adria-Gipfel gefordert, wir stehen auch in dauerndem Austausch mit all unseren Partnern rund um Österreich herum. Die Betriebe und die Bürger dort haben dieselben Probleme. Aber so eine Verantwortung können wir als Sozialpartner nicht allein auf uns nehmen. Wir machen gerne mit und greifen der Regierung unter die Arme aber der Impuls muss von dort kommen, vor allem von der Energieministerin.
Das Energieministerium hat den Betrieben empfohlen, von Gas auf Öl umzusteigen. Ist das realistisch?
In manchen Bereichen ist das möglich. Die Unternehmen waren ja nicht untätig und machen das auch schon aus Eigeninitiative seit Anfang März. Aber bei der großen Mehrheit geht das nicht. Die Problematik ist, wo sie überhaupt die nötigen Teile herbekommen sollen. Und gibt es genügend Heizöl? Bekannterweise ist das auch nicht in rauen Mengen verfügbar. Selbst wenn man es kaufen kann, wie soll es nach Österreich kommen? Tanker und Waggons sind ein knappes Gut. Und da muss man schon noch einmal nach der Verantwortung fragen, weil das wissen wir ja alles seit Monaten.
Vizekanzler Kogler hat gesagt, die WKO hätte Putin den „roten Teppich mit Schleimspur“ ausgerollt. Wie viel Schuld hat die Wirtschaftskammer?
Ich habe mich damals vor die Gesamtorganisation gestellt und dem Vizekanzler gesagt, dass das so nicht geht. Das war meiner Meinung nach ein peinlicher Ausrutscher. Er hat sich dann auch entschuldigt, zugegebenermaßen erst vor ein paar Wochen. Schwamm drüber. Der Energiemix ist historisch gewachsen, angefangen in den 60ern, da haben wir uns für das billige Gas statt dem teuren Öl entschieden. Dann wollte man nach der Ölkrise in den 70ern unabhängiger von den arabischen Staaten werden. Und wir haben uns auch gegen Atomstrom entschieden. Unser Wohlstand in Österreich und in Deutschland basiert darauf, dass wir im internationalen Vergleich tolle Produkte zu einem vernünftigen Preis anbieten können. Darauf basiert der österreichische Traum vom Einfamilienhaus am Land, von der eigenen Wohnung. Und das ist wegen den exorbitanten Energiepreisen in Gefahr. Natürlich hätten wir mehr auf erneuerbare Energien schauen sollen. Aber warum haben wir denn viele große Kraftwerksprojekte im Bereich Wind oder Wasser nicht umgesetzt? Man muss auch fragen, welche NGOs und Bewegungen immer neue Kraftwerke verhindert haben und jetzt mit dem Finger auf andere zeigen. Das meine ich mit einer ehrlichen Debatte, man muss offen zu den Bürgern sein.
In Deutschland sagen Politiker schon, mit dem Wohlstand sei es vorbei. Ist das ehrlich?
Nein, lassen wir die Kirche im Dorf, das ist der Versuch, die Bevölkerung auf einen harten Winter vorzubereiten. Wir können auf europäischer Ebene noch viel machen, dass das nicht passiert. Hier braucht es Mut und politischen Willen. Wir müssen den Wohlstand und sozialen Frieden wahren und nicht nur auf die Ukraine schielen. Man muss auf beides schauen.
Sie kritisieren sehr stark die Energieministerin. Liegt es nicht auch am Kanzler als Regierungschef?
Ich kritisiere sehr stark die Europäische Kommission, wo die Mehrheit der Vorschläge herkommt. Die Energiekrise betrifft jede Familie in Österreich, da kann man nicht einfach weit weg entscheiden ohne das fertig durchzudenken. Man kann das schon in den Griff bekommen, aber man muss es machen.
Das Interview führte Richard Grasl, Mitarbeit und Transkription Vitus Ortner
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