Hans Staud: 50 Jahre Süßes und Saures
Auf dem Tisch neben dem Adventkranz mit den brennenden Kerzen steht eine Weihnachtskarte. Weißes Papier, goldener Druck, unterschrieben von Bundespräsident Van der Bellen persönlich. „Schön, dass er noch an mich denkt“, sagt Hans Staud. Woher er Alexander Van der Bellen kennt? „Wir sind ja Kollegen“, sagt Staud, zündet sich eine Zigarette an, grinst. Damit will er sagen – aus diversen Raucherecken.
Und natürlich von einer Zeit, in der VdB noch für die Grünen auf Wahlkampftour in Ottakring war. Also im Grätzl, in dem Staud so etwas wie die Graue Eminenz ist. 2021 feiert der „Marmeladinger“ (wie er sich selbst nennt) sein 50-jähriges Firmenjubiläum, sein Pavillon am Yppenplatz („der nicht einmal eine g’scheite Adresse hat“) ist speziell an den Samstagen ein Fixpunkt für Stammkunden. Denn am Wochenende hält der Chef Hof, plaudert mit Kunden und Geschäftspartnern, führt Schmäh. Staud hätte auch das Zeug zum Entertainer gehabt, wollte als Jugendlicher Musiker werden, doch die Eltern wollten, dass er etwas G’scheites lernt. Also hat er studiert, den Betrieb übernommen und Staud gegründet, der Welt „Süßes und Saures“ gegeben, also Marmeladen und eingelegtes Gemüse, das er in die halbe Welt exportiert – selbst in Hongkonger Hotels bekommt man zum Frühstück Marmelade von Staud’s serviert.
Musikalisch ist Staud geblieben – mit dem Klavier hat er sich sogar Aufträge erspielt, sagt ein Mitbewerber anerkennend. Er erinnert sich an einen Messeauftritt vor vielen Jahren: In der Riesenhalle internationale Großkonzerne mit pompösen Produkt- und Firmenpräsentationen, mitten drin der kleine Stand von Staud’s. Dort spielte Hans am Klavier und lenkte damit die Aufmerksamkeit aller auf sich.
Hello Dolly
Seine Wersi-Orgel gehört zum kunstsinnigen Geschäftsmann – sie ist auch fixer Bestandteil seines Geschäfts am Yppenplatz. „Was soll ich spielen?“, fragt Staud und spielt auch schon „Hello Dolly“ von Louis Armstrong. Der Applaus ist ihm sichtbar unangenehm. Der Geschäftsmann ist bescheiden geblieben. Als er einst für sein soziales und gesellschaftliches Engagement den „Augustin“-Preis (einer von vielen Auszeichnungen, die er bekommen hat) verliehen bekam, hat er mit den Standlern vom Brunnenmarkt gefeiert. Das war 2014. „Waltraut Haas hat sich damals getraut, mit mir Mariandl zu singen. Ich krieg’ heut noch Gänsehaut, wenn ich dran denk’.“ Hintergrund: Die Schauspielerin hatte nicht einmal im gleichnamigen Filmklassiker aus dem Jahr 1961 selbst gesungen. In der Firma hat Staud das Zepter übergeben. An seine langjährigen Mitarbeiter Stefan Schauer (der sich um die süße Sparte kümmert) und Jürgen Hagenauer (der fürs Saure zuständig ist).
Der nun gehypte Regionalitätstrend ist für das Trio alles andere als neu. „Wir haben schon 1991 auf die Marmeladengläser geschrieben, woher die darin enthaltenen Früchte kommen“, sagt Staud. „Trend“, sei das damals noch keiner gewesen. Aber er habe es gemacht, „weil der Helmut Touzimsky, damals Chef vom Meinl am Graben, auf dem Thema herumgeritten ist“. Das ist eine der typischen Charaktereigenschaften Stauds. Er ärgert sich im Stillen – und tut dann, was er für richtig hält.
„Euch werd ich’s zeigen“
Aus demselben Grund hat er Serbokroatisch gelernt. Als junger Chef konnte er das Gefühl nicht loswerden, dass ihn seine Mitarbeiterinnen aus Ex-Jugoslawien nicht ernst nehmen. „Na wart’, euch werd ich’s zeigen“, habe er gedacht und ihre Sprache gelernt. Was den Klang von Sprache angeht, habe es ihm aber das Französische angetan. Deswegen wollte er eine französisch sprechende Mitarbeiterin haben. „Das hab’ ich Anfang der 1970er-Jahre dann denen am Arbeitsamt erzählt und gekommen ist Brigitte aus Rennes in Frankreich. Mit dem Motorrad ist sie bis nach Ottakring gefahren“, erinnert sich Staud gern. Offenbar nicht nur Staud. Diese Woche kam eine Karte aus Frankreich – von Brigitte, die ihrem Wegbegleiter fröhliche Weihnachten wünscht.
Zur Person
Der 72-Jährige war sein Leben lang mit der Firma verheiratet, ist leidenschaftlicher Musiker und Theatergeher. Nach einem Schlaganfall hat er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Die Firma gehört jetzt seiner Stiftung. 2021 ist es 50 Jahre her, seit Staud nach seinem Handelsstudium die Firma gegründet hat. Auch, weil er ein „hagliches Kind“ war, dem Supermarkt-Marmeladen ein Graus waren.
Zum Unternehmen
Die Marmeladen von Staud’s werden nach wie vor in Wien Ottakring hergestellt, die saure Sparte wird im Burgenland produziert. Ein Drittel der Produktion geht in den Export – von New York bis nach Tokio.
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