„TTIP light“ wäre ein schlechter Deal

Um bis 1. Juni den Streit über Stahl- und Aluzölle auszuräumen, erwägt die EU einen Handelspakt im Eilverfahren.

Bis 1. Juni bleibt noch Zeit, um einen Kompromiss zu finden und den Handelskonflikt abzuwenden. Sonst wollen die USA die Importzölle für Alu- (10 Prozent)  und Stahlprodukte (25 Prozent) aus der EU in Kraft setzen. Und das endgültig, eine weitere Verlängerung der Ausnahme soll es nicht geben.

Was steckt hinter der erneut verlängerten Frist?

Solange die USA keine definitive Entscheidung fällen, diktieren sie den Lauf des Geschehens. Das gefällt Trump und kommt ihm entgegen: Da einige Länder wie Südkorea, Argentinien, Australien oder Brasilien umgekippt sind und sich mit den USA geeinigt haben, steigt der Druck auf die EU, ebenfalls Zugeständnisse zu machen. Trumps Sprecherin erwähnte „Fortschritte“, die eine Verschiebung der Entscheidung bis 1. Juni rechtfertigen würden.

Erst drohen, dann verhandeln: Geht das Kalkül auf?

Es ist zu früh,  das zu beurteilen. Die Strategie „USA gegen den Rest der Welt“ war hoch gepokert. Trump behauptet zwar, ein Handelskrieg sei „gut und leicht zu gewinnen“. Für die US-Firmen und die Bevölkerung hätte es aber bitter ausgehen können – wenn alle betroffenen Länder mit Gegenzöllen reagiert hätten, wie sie die EU vorbereitet. Dann hätte sich das Kräfteverhältnis in „Alle gegen einen“ verkehrt. Nach einer globalen Freihandelsfront, die Trump die Stirn bietet, sieht es aber nicht aus.

Was verlangen die USA überhaupt?

Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer und sein Berater Peter Navarro seien „in der Wolle gefärbte Protektionisten. Sie haben sich noch in jeden Zolltarif und jede Importquote verliebt“, urteilte Steve Hanke, einst Berater von Ex-Präsident Ronald Reagan, in einem Forbes-Gastbeitrag. Ihre Forderung lautet, die EU soll ihre Stahl- und Aluexporte „freiwillig“ reduzieren. Obendrein sollen die EU-Importzölle für US-Autos sinken. Aus Brüsseler Sicht sind das inakzeptable Forderungen hart an der Grenze zur Erpressung. Die Erwartung lautet: Gibt man einmal nach, werden die Forderungen immer dreister ausfallen.

Was kann die EU tun?

Das Wichtigste wäre, mit einer Stimme zu sprechen. Dass Frankreichs Präsident Macron und Deutschlands Kanzlerin Merkel sich bei Trump die Klinke nacheinander in die Hand gaben, werten Beobachter als groben Schnitzer: Es signalisiert nämlich, dass jeder Europäer nur für sich spricht.
Die EU sucht noch immer ihre Strategie.  „Wir weigern uns, unter Druck und Drohungen zu verhandeln“, gab sich Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch hart. Aus Berlin klang das viel gemäßigter, man wolle weiter das Gespräch mit den Vereinigten Staaten suchen.  Kein Wunder, dass der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier mehr Einigkeit einforderte: „Wir müssen jedenfalls sagen, was wir für richtig halten.“ Aus seiner Sicht: Zölle zu senken statt zu erhöhen und offene Märkte möglichst auszubauen.

Jetzt wird viel über ein „TTIP light“ gesprochen. Was ist damit gemeint?

Die Idee klingt verführerisch: Die USA wollen, dass die Europäer ihre Auto-Importzölle senken. Die EU will prinzipiell auch querbeet die Zölle senken. Warum also nicht das geplante Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantischer Handels- und Investitionspakt)  aus der Schublade holen, wo genau das umgesetzt worden wäre? Um die Verhandlungen zu beschleunigen schlugen EU-Kommissar Günther Oettinger sowie Industrievertreter ein abgespecktes „TTIP light“ vor, das sich vor allem auf den Abbau der Zölle beschränkt.

Was spricht dagegen?

Die Importzölle variieren zwar je nach Produktgruppe stark. Im Durchschnitt über alle Kategorien sind die Zölle für Einfuhren in die EU aber höher als jene in die USA – da trifft Trumps Kritik tatsächlich einen wunden Punkt. Dafür ist jedoch die US-Wirtschaft in anderen Bereichen viel stärker abgeschottet, etwa bei öffentlichen Aufträgen.  Das heißt: Würden nur Zölle gesenkt, hätten die USA viel  mehr davon als die EU.  Ein „TTIP light“ im Eilverfahren käme Trump somit gelegen, aus EU-Sicht wäre es ein schlechter Deal.

Was sollte die EU im Gegenzug verlangen?

Eine EU-Forderung lautete schon bei TTIP, dass die US-Staaten und Großstädte ihre Ausschreibungen und Aufträge für EU-Firmen öffnen. Das war jedoch nicht einmal mit der TTIP-freundlichen Obama-Regierung möglich. Unter Trump, der die Devise „Amerika zuerst“ predigt, ist das unrealistischer denn je.

Wie rasch ließe sich ein „TTIP light“ abschließen?

Auch der Abschluss eines abgespeckten Vertrages würde Jahre dauern. Zur Erinnerung: Die Verhandlungen zu TTIP steckten schon in der Sackgasse fest, bevor das Abkommen von Trump auf Eis gelegt wurde. Ein Handelsvertrag ist ein fein austariertes Geben und Nehmen.  Mit dem sprunghaften US-Präsidenten als Gegenüber ist ein vertrauensvolles Gesprächsklima schwer vorstellbar. Noch dazu,  wo nicht einmal klar ist, ob die USA die Welthandelsorganisation als Schiedsrichter für Streitfälle akzeptieren.

Manche der US-Stahl- und Aluzölle sind seit April in Kraft. Was waren die Folgen?

Dass US-Firmen selbst keine Freude mit den Importzöllen haben, beweisen zwei Zahlen: In der kurzen Zeit wurden bereits 1210 Ausnahmen für Stahl- und 54 für Aluprodukte offiziell beantragt. Das ist dann möglich, wenn ein benötigtes Produkt in den USA nicht oder nur zu unzumutbaren Preisen erhältlich ist.

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