Handelsdeals: USA sind einen Schritt voraus

Wer zwingt wen in die Knie? Trojanisches Plastik-Pferd der TTIP-Gegner
Ringen um Partner in Asien - Japan fast so wichtig wie TTIP, sagt Ex-ÖIAG-Chef Beyrer.

Die EU verhandelt einen Handelspakt, der zwei der weltweit größten Wirtschaftsräume zusammenspannen würde. Nein, gemeint ist nicht das umstrittene Abkommen TTIP mit den USA, das die Gemüter so erhitzt. Die Rede ist vom EU-Handelsabkommen mit Japan, das in Verhandlungsrunde 17 angekommen ist.

"Japan ist fast so wichtig wie TTIP, das wird in der Öffentlichkeit aber überhaupt nicht wahr genommen", sagt Markus Beyrer, Chef der größten europäischen Wirtschaftslobby Business Europe, zum KURIER. Der frühere Generalsekretär der Industriellen-Vereinigung und Ex-ÖIAG-Chef ist gerade von einem Treffen mit Japans Premier Shinzo Abe in Tokio zurückgekehrt. "Wir hoffen, das Japan-Abkommen wird heuer noch fertig", so Beyrer.

EU stellt sich hinten an

Dabei gibt es aber ein Hindernis. Die Vereinigten Staaten sind den Europäern in Asien mehr als nur einen Schritt voraus. Sie haben ein Abkommen fix und fertig auf dem Tisch liegen: An der Transpazifischen Partnerschaft TPP sind neben USA und Japan noch zehn Länder (Australien, Brunei, Chile, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam) beteiligt. TPP klingt nicht nur ähnlich wie TTIP, die Abkommen bewegen sich auch in ähnlichen Dimensionen: Sie umfassen je 11 Prozent der Weltbevölkerung und 37 Prozent (TPP) bzw. 46 Prozent (TTIP) der Weltwirtschaftsleistung.

Weil der Präsidentschaftskandidat Donald Trump lautstark gegen Handelsdeals wettert und von Erfolg zu Erfolg eilt, liegt der Beschluss des Pazifik-Abkommens TPP in den USA aber momentan auf Eis. Und Japans Prioritäten haben sich nach den Erdbeben im April verschoben. Das verzögert auch das EU-Japan-Abkommen: "Wir werden wesentliche Punkte erst abschließen können, nachdem die Japaner TPP ratifiziert haben." Wie man in Brüssel hört, soll der EU-Japan-Deal ambitionierter sein als TPP. Deshalb wollen die Japaner ihn erst später unterzeichnen, um die USA nicht zu brüskieren.

Warum in Österreich über das geplante EU-Abkommen TTIP mit den USA so negativ diskutiert wird, könne er nur schwer nachvollziehen, sagt Beyrer: "Es ist skurril, weil wir als kleine, offene Volkswirtschaft, die ihr Heil im Export sucht, zu den Hauptprofiteuren gehören würden." Die USA hätten ihrem Pazifikabkommen TPP eine stark amerikanische Handschrift gegeben. Wenn es der EU nicht gelinge, ihre Interessen in TTIP einzubringen, würden die künftigen Regeln des Welthandels in den USA und Asien geschrieben, befürchtet Beyrer: "Dass das nicht zum Vorteil Europas und Österreichs wäre, ist ziemlich klar."

Leute "angefressen"

Österreichs Präsidentschaftswahlkampf habe er nur aus der Ferne verfolgt, sagt der ehemalige Schüssel-Berater in der ÖVP-FPÖ-Regierung. Er verweist auf die lange Reihe internationaler "Anti-Establishment"-Wahlen: Die Leute seien "angefressen, weil wenig weitergeht". Und was überwiegt für ihn nun, Sympathie für Schwarz-Blau oder das Europa-Thema? "Ich habe mit der FPÖ grundsätzlich kein Problem, mir geht es um Inhalte", sagt Beyrer. "Wenn jemand keine Vorteile für Österreich in der EU-Mitgliedschaft sieht, dann kann das nicht mein Vertreter sein."

Nachdem die erste Hysterie abebbt, stellt sich heraus: Die von Greenpeace veröffentlichten TTIP-Dokumente sind längst nicht so brisant wie behauptet. Dass die EU-Kommission als Verhandlerin alle Schleusen für fragwürdige US-Produkte öffne, stimmt nicht. Im Gegenteil: In Kernfragen liegen die Positionen noch so weit auseinander, dass fraglich ist, ob überhaupt ein Kompromiss zustande kommen kann.

Die Industrie wäre ein klarer Nutznießer von TTIP. „Uns geht es nicht um ein Abkommen um jeden Preis“, betonte jedoch Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellen-Vereinigung (IV), am Freitag. Das Abkommen müsse fair und ausgewogen sein. Ein Kernthema sei die öffentliche Beschaffung: Wenn die USA ihre Auftragsvergaben (auch auf Ebene der Bundesstaaten und Städte) nicht für EU-Firmen öffnen, sei TTIP untragbar.

Mehr Sachlichkeit

In der Debatte über Genmais, Chlorhuhn und Co. plädiert die Industrie für mehr Sachlichkeit: „Auch wir wollen keine Absenkung der Lebensmittel- oder Sozialstandards“, sagte Neumayer. „Das steht aber gar nicht zur Diskussion.“ Viele Ängste seien unbegründet. So werde US-Hormonfleisch sicher nicht in die EU kommen, weil die Einfuhr verboten sei.

Dass die „TTIP-Leaks“ die Verhandlungen stören, glaubt IV-Fachmann Michael Löwy nicht: „Das ist ein innereuropäisches Skandälchen, das hochgekocht wurde.“ Die USA hätten ihre Positionen, die EU habe ihre eigenen roten Linien – ob da Kompromisse möglich sind, werde sich zeigen.
Großkonzerne seien ohnehin längst in den USA vertreten und kämen mit komplizierten Auflagen zurecht. Exportchancen biete TTIP somit vor allem Mittelständlern. Die Regierung solle klar Position beziehen: „Die Bauern, die Bürger und die Industrie haben Interessen.Wir erwarten uns von der Regierung, dass sie Österreichs Interessen vertritt“, sagte Neumayer.

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