Handel: "Es geht um das Überleben"
Das Weihnachtsgeschäft ist für die meisten Handelsbetriebe das wichtigste des Jahres. Beim Interview mit der Handelsexpertin Hania Bomba im KURIER-Stadtstudio „Pods & Bowls“ blicken wir jedoch auf eine Mariahilfer Straße, die im Vergleich zum Dezember der Vorjahre eher schwach frequentiert ist. Für viele Betriebe könnte 2021 das Aus bedeuten.
KURIER: In Deutschland sind seit Mittwoch die Geschäfte zu, und das mitten im Weihnachtsgeschäft. Wie schlimm wäre so ein totaler Lockdown im Dezember für die Betriebe hier gewesen?
Hania Bomba: Da gibt es nur eine Antwort: ganz schlimm. In vielen Branchen entscheidet das Weihnachtsgeschäft darüber, ob man überlebt oder nicht. Diese zwei Monate sind existenziell, und schon der zweite Lockdown hat viel Umsatz gekostet. Dass man in Deutschland auch nur zwei Tage Vorlaufzeit hatte, ist problematisch. In vielen Geschäften konnte man nur noch schauen, ob noch verderbliche Lebensmittel im Kühlschrank sind.
Also ein Lockdown, der ja auch bei uns diskutiert wurde, hätte zu einer Insolvenzwelle geführt? Mit Sicherheit. Die Frage ist, ob die nicht im Frühjahr kommt. Viele schaffen es ja nur wegen der staatlichen Unterstützung, die wir uns ja auch nicht ewig leisten können. Daher droht vielen bald das Ende.
Handelsexpertin Hani Bomba im Checkpoint bei Richard Grasl
Reicht ein Offenhalten bis Weihnachten? Wäre ein Lockdown ab Jänner das kleinere Übel? Nein, denn vielfach werden ja Geldgeschenke ausgegeben und Gutscheine eingelöst. Im Betriebsergebnis schlägt ja nicht der gekaufte, sondern erst der eingelöste Gutschein zu Buche. Daher ist der Jänner noch wichtig. Sieht man es nur aus der Perspektive des Handels, wäre ein weiterer Lockdown – wenn er unbedingt sein muss – im Februar oder März besser. Das sind üblicherweise schwächere Monate.
Viele haben sich schon im ersten Lockdown daran gewöhnt, Produkte online zu kaufen. Ist da ein nachhaltiger Trend entstanden? Ganz sicher sogar. Das ist einfach ein Entwicklungsbeschleuniger und hätte sowieso stattgefunden, nur nicht in diesem Tempo.
Was kann ein kleiner Händler dafür jetzt noch machen? Zahlt sich der Aufbau eines eigenen Online-Shops überhaupt noch aus? Ich denke schon, aber viele haben das immer noch nicht gemacht. Das ist gar keine Kritik, sondern viele hatten einfach noch voll mit den Folgen des ersten Lockdowns zu kämpfen. Man muss das auf sein Geschäftsmodell und seine Marketingstrategie anpassen. Nur irgendeinem Megatrend zu folgen und quasi eine Rakete in den Himmel abzuschießen, ist zu wenig.
Was meinen Sie damit konkret? Ich kann online für den Verkauf nützen, aber auch unterstützend als weitere Maßnahme für die Werbung oder für den Kontakt zum Kunden. Nachhaltigkeit und Regionalität sind ein großer Trend. Vielleicht wollen Kunden einfach lieber beim kleinen Händler kaufen und nicht irgendwo in Ostasien.
Wo es aber meistens billiger ist. Zählt da für viele nicht der Preis? Nicht wenn es um ein paar Prozent geht. Da ist vielen wichtiger, dass sie zum Beispiel im Servicefall jemanden haben, den sie kontaktieren können oder im ersten Jahr zweimal ein Service dazubekommen. Wenn die Preisdifferenz aber zu groß wird, ist das ein Problem. Viele Menschen brauchen einfach ihr gesamtes Einkommen für die Deckung ihrer Fixkosten. Wenn jetzt viele durch Kurzarbeit oder Jobverlust auch nur 20 Prozent weniger verdienen, geht sich das nicht mehr aus. Und wenn die Leute einfach das Geld nicht ausgeben, weil sie Angst vor der Zukunft haben, spürt das der Handel natürlich massiv.
Wer sind die großen Verlierer in diesem Jahr? Auch wenn das Weihnachtsgeschäft noch läuft, sind es die überregionalen Einkaufszentren. Das ist logisch, denn wer möchte sich schon mit Tausenden Menschen in einem geschlossenen Raum aufhalten? Gewinner wären kleine Händler, am besten, wo ich mit dem Auto vor der Tür parken, ins Geschäft gehen und schell wieder weg sein kann.
Wird es so weit kommen, dass Unternehmen sagen, dass man sein Geschäft nur mehr mit Corona-Impfpass betreten darf? Nein. Und wenn, dann erst, wenn die Impfrate höher als 80 Prozent ist. Kein Geschäft möchte Kunden ausschließen. Das kann sich der Handel einfach auch nicht leisten.
- Hania Bomba
In Polen geboren und studierte an der Uni Wien. Sie ist 42 Jahre alt
- Beraterin
Seit 1999 arbeitet sie als Beraterin und Expertin für diverse Unternehmen. Von 1999 und 2017 in diversen Funktionen für die RegioPlan Consulting GmbH tätig, zuletzt als handels- und gewerberechtliche Geschäftsführerin. Sie bekleidet außerdem zwei Aufsichtsratsmandate: S Immo und Erste Immo KAG
- BeRetail GmbH
Seit 2018 Geschäftsführerin der BeRetail GmbH. Seit fünf Jahren Lektorin an der Donau Uni Krems
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