Hagelversicherung warnt vor Bodenversiegelung: „Von Beton können wir nicht abbeißen“
von Vitus Ortner
Die Hagelversicherung (HV) warnt vor drastischen Auswirkungen der fortschreitenden Bodenversiegelung in Österreich. „Durch den Bodenverbrauch kommt es zu einer Gefährdung der heimischen Lebensmittelversorgung. Das ist auch eine Frage der nationalen Sicherheit!“, appellierte HV-Vorstandsvorsitzender Kurt Weinberger im Rahmen einer Pressekonferenz. Dort wurde eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) vorgestellt. Sie trägt den Titel „Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller“.
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Fast eine halbe Million Menschen weniger können ernährt werden
Demnach gingen in Österreich seit 1999 72.000 Hektar Ackerfläche verloren. „Diese Fläche hätte 480.000 Menschen pro Jahr ernähren können“, rechnet Franz Sinabell vom WIFO vor. Im Vergleich zu 1999 können also über fünf Prozent weniger Personen mit Nahrung versorgt werden. Gleichzeitig ist die österreichische Bevölkerung um fast 12 Prozent gewachsen.
Dadurch steigt die Abhängigkeit von Importen: Bereits heute stammen etwa zehn Prozent des Brotgetreides, 60 Prozent des Obstes und Gemüses und 70 Prozent des Sojas aus anderen Staaten. „Österreich leistet somit keinen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit. Im Gegenteil, die Abhängigkeit von Importen steigt“, kritisiert Sinabell.
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Österreich ist negativer Spitzenreiter
Doch nicht nur die Ernährungssicherheit sei bedroht. Verbauter Boden speichert auch weniger Wasser und Wärme, so sinkt der Grundwasserspiegel und steigt die Hitze in stark besiedelten Gebieten. Besonders im Vergleich zu anderen europäischen Staaten steht Österreich schlecht da: Hierzulande werden jährlich 0,56 Prozent der Agrarfläche verbaut, in Deutschland sind es 0,22 Prozent. Österreich hat außerdem die höchste Supermarktdichte Europas (60 pro 100.000 Einwohner; Deutschland: 40) und eines der dichtesten Straßennetze (15 Meter pro Kopf; Deutschland: 7,8).
Das eigentlich von der Regierung gesetzte Ziel, bis 2030 den täglichen Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag zu senken, wird nach den aktuellen Trends verfehlt werden. Gegenwärtig liegt der Wert bei über elf Hektar pro Tag.
Es soll gegengesteuert werden
Weinberger fordert nun rasche Gegenmaßnahmen: Die besten Böden nicht antasten, die über 40.000 Hektar leerstehender Immobilien nutzen und mehr in die Tiefe und die Höhe bauen. Die Länder sollen ihre verfassungsrechtlichen Genehmigungspflichten stärker wahrnehmen. Auch eine bundesweite Planung für bestimmte besonders schützenswerte Flächen könne er sich vorstellen.
„Dafür braucht es verbindliche, quantitative Zielwerte. Wenn wir das Land weiter in diesem Tempo zubetonieren, gibt es in 200 Jahren keine Landwirtschaft mehr in Österreich“, warnt Weinberger eindringlich. „Von Beton können wir nicht abbeißen.“
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