Google-Europachef: "EU-Regulierung verschlechtert unsere Services"
Mit neuen Spielregeln für den digitalen Markt will die EU die Übermacht der großen Internet-Plattformen zurückdrängen und mehr Wettbewerb erzwingen. In den nächsten Monaten geht es in Brüssel um die Details des Regelwerks, weshalb sich die IT-Riesen jetzt in Position bringen. Google-Europachef Matt Brittin kritisiert die geplante Regulierung als Rückschritt und warnt im KURIER-Exklusiv-Interview davor, dass europäische Nutzer nur noch zweitklassige Services erhalten werden.
KURIER: Ziel des neuen EU-Digital-Pakets (Digital Markets Act, Anm.) ist es, für faire Spielregeln und mehr Wettbewerb zu sorgen. Was ist so falsch daran?
Matt Brittin: Daran ist gar nichts falsch. Wir verstehen, dass die bestehenden Regelungen nach 20 Jahren aktualisiert werden müssen und wir begrüßen mehr Wettbewerb, weil er uns hilft, besser zu werden. Aber wir fürchten, dass die neuen Regeln schlecht für die europäischen Nutzer sein werden. Diese erhalten dadurch ein schlechteres Service und weniger Wahlmöglichkeiten als sie zuvor hatten. Das bremst auch die Erholung der europäischen Wirtschaft.
Wieso werden Google-Services schlechter?
Ich nenne Ihnen als Beispiel die Google-Suche. Vor 15 Jahren bestand das Suchergebnis am PC aus zehn blauen Links. Wenn Sie heute mit Ihrem Smartphone die Google-Suche betätigen, liefert die Suchmaschine zwischen 25 und 100 Links. Also wesentlich mehr Auswahl. Wenn Sie nach einem Restaurant in Wien suchen, erhalten sie auch den Stadtplan, die Möglichkeit einen Tisch zu reservieren und viele weitere Informationen, also viele weitere Such-Resultate. Für Konsumenten heißt das, sie bekommen sehr rasch sehr viele weitere nützliche Services.
Die EU-Regulierung würde die Datenverknüpfung von Google Suche und Google Maps aber verhindern?
Ja, wird DMA umgesetzt, dürfen wir die Daten nicht mehr vernetzen und damit kommen als Suchergebnis wieder nur die zehn blauen Links. Wir könnten etwa Google Flights oder Google Hotel Search nicht mehr anbieten. Das wäre ein Rückschritt.
Das Ende 2020 vorgestellte EU-Digital-Paket stellt daher den bisher größten Eingriff in die Marktmacht sogenannter „Gatekeeper“ (Torwächter) in die digitale Welt dar. Auch wenn sie nicht explizit genannt werden, zielt das Regelwerk auf die fünf US-Internet-Giganten (Big Five) Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft ab. Auch die chinesischen Anbieter Tencent und Alibaba könnte es treffen.
Das Paket besteht aus zwei Teilen: Das Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Das Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geht gesellschaftliche Fragen an. Der DMA soll es kleineren (europäischen) Firmen erleichtern, mit den etablierten Plattform-Betreibern zu konkurrieren.
Bündelungs-Hürde
Zentrale Themen sind der Zugang zu den riesigen Datenbeständen der Torwächter sowie die Bündelung verschiedener Dienste. So sollen eigene Dienstleistungen, etwa die Stores von Apple oder Google, nicht mehr bevorzugt werden können. Nutzer dürfen etwa nicht daran gehindert werden, vorinstallierte Software zu deinstallieren, wenn sie dies wünschen. Wer sich nicht an die Gesetze hält, muss mit Geldbußen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes rechnen.
Weitere Details werden im Herbst festgelegt. Neben Google betreibt auch Apple derzeit intensives Lobbying gegen den Eingriff in die Geschäftsmodelle. Auch die USA reagierten ablehnend. Bis zur Umsetzung ist es noch ein weiter Weg. Sofern die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen, könnten die neuen Regeln für den digitalen Binnenmarkt frühestens 2023 in Kraft treten.
Sie verweisen auch auf neue Sicherheitsrisiken. Welche?
Google verhindert, dass auf gefährliche Seiten verlinkt wird und wir prüfen mit Play Protect jede App, die auf Google Play heruntergeladen werden kann. 2019 wurden mit Play Protect zwei Millionen Schadsoftware-Installationen verhindert. DMA würde in seiner jetzigen Form dieses Service gefährden, womit es auch ein Sicherheitsrisiko gäbe.
Zurück zum Wettbewerb: Warum kann ich als Nutzerin am Smartphone vorinstallierte Google-Apps wie Maps nicht de-installieren und gegen andere Apps tauschen, wenn ich das möchte?
Das hängt ganz davon ab, welches Endgerät Sie kaufen. Sie können etwa ein Android-Handy bei Amazon bestellen ohne Google-Apps darauf. Wir stellen mit Android ein offenes Betriebssystem zur Verfügung. Die Handy-Hersteller wie etwa Samsung können ihre eigenen Anwendungen darauf laufen lassen. Natürlich wollen wir, dass Sie unsere Apps nutzen, aber Sie haben durchaus Wahlmöglichkeiten. Die neuen Regeln bringen hier auch noch Rechtsunsicherheit.
Inwiefern?
Weil wir noch gar nicht wissen, was wir in Zukunft dürfen und was nicht. Das schränkt die Entwicklung künftiger Features und Innovationen für europäischen Konsumenten ein. Und ich denke, die Europäer haben sich erstklassige und nicht zweitklassige Technologie verdient.
Aus der Sicht von Google und Apple zielt die EU-Regulierung nur auf die großen fünf US-Tech-Konzerne ab. Aber die Definition des Gatekeepers (Torwächter) würde auch auf zwei chinesische Mitbewerber passen…
Ich glaube, der EU ist es wichtig, diese Schutzmechanismen gegen große IT-Konzerne zu haben, um mehr Wettbewerb zu generieren. Zunächst zielt die Regulierung aus unserer Sicht aber nur auf fünf Konzerne ab und nicht auf den gesamten Markt.
Es gibt aber keinen einzigen europäischen Mitbewerber bei den großen Plattformen. Was glauben Sie, warum?
Es stimmt nicht, dass wir keine europäischen Mitbewerber haben und quasi der Torwächter zu allem sind. Weniger als 30 Prozent der Internet-Nutzer starten mit einer generellen Suche, die meisten suchen nach bestimmten Dingen auf bestimmten Info-Seiten. Bei einer Reise etwa auf booking.com, TripAdvisor oder expedia. Bei Jobs wiederum auf bestimmten Jobportalen. Da gibt es viele Info-Seiten, darunter viele lokale und kleine. Die meisten davon hat Google erst ermöglicht, sie können auf Google Play heruntergeladen werden. Wir haben selbst ein Interesse daran, dass die KMU im jeweiligen Land unterstützt werden.
Sie betonen, wie wichtig Ihnen Europa ist. Aber wie europäisch ist Google?
Wir haben in Europa viele Tausend Beschäftigte und seit 2007 insgesamt 12 Milliarden Euro in den Ausbau der Infrastruktur, etwa Datacenter, investiert. Außerdem haben wir mit unserem Programm „Grow with Google“ seit 20015 mehr als 17 Millionen Menschen in der EMEA-Region mit unseren digitalen Trainings erreicht, mehr als 10.000 pro Jahr allein in Österreich.
Wie wichtig ist der österreichische Markt für Google?
Es ist ein kleines Land und wir schauen, dass wir unsere Produkte und Services auch in kleinere Länder und nicht nur in die großen bringen. Da spielt etwa die deutsche Sprache eine Rolle. Österreich war eines der ersten Länder, in dem wir Google News Showcase für Verlage auf den Markt gebracht haben.
Die Frage ist nicht, ob wir Steuern zahlen oder nicht, sondern wo werden sie eingehoben.
Österreich hat als eines der wenigen EU-Länder eine eigene Digitalsteuer eingeführt, die sich als Google-Steuer entpuppt. Was sagen Sie dazu und rechnen Sie damit, dass weitere Länder folgen werden?
Die Frage ist nicht, ob wir Steuern zahlen oder nicht, sondern wo wird sie eingehoben. Derzeit bezahlen wir die meisten Steuern in den USA, weil die Gesetze eben so sind. Ich verstehe, dass immer mehr Länder frustriert sind, weil die angekündigte, globale Digitalsteuer nicht kommt. Ich bin aber optimistisch, dass es zu einer weltweiten Steuerreform kommt, wie sie nun auch auf OECD-Ebene (globale Mindeststeuer, Anm. ) angekündigt wurde.
Ich nehme an, Sie bevorzugen eher internationale als regionale Steuergesetze?
Jedes international aufgestellte Tech-Unternehmen braucht internationale Steuergesetze. Es ist besser, man einigt sich auf ein gemeinsames Werk als es macht jedes Land seine eigenen Gesetze. Das macht alles nur viel komplizierter.
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