Globalisierung: Reiche Staaten profitieren

Die Welt in der Nussschale: „Inder und Chinesen graben uns nicht den Wohlstand ab“, sagt Studienautor Jan Arpe.
Studie: Finnland steigerte Wohlstand am stärksten, Österreich auf Platz sieben.

Die Welt ist zum Dorf geworden – jedenfalls zu einem riesigen Marktplatz. Der Austausch von Geld, Waren oder Dienstleistungen stößt auf weniger Schranken denn je.

Wem nützt das? Um diese Frage tobt ein wilder Ideologiestreit. Befürworter der Öffnung behaupten, dass alle profitieren. Globalisierungsgegner warnen, die Abwanderung von Jobs in Billiglohnländer koste reiche Staaten Arbeitsplätze. Nicht Wohlstand, sondern mehr Armut sei die Folge.

Wer hat recht? Die reichen Industriestaaten profitieren von der Globalisierung deutlich stärker als die Schwellen- und Entwicklungsländer, behauptet eine Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung, die am Montag veröffentlicht wurde. "Es ist nicht so, dass uns Chinesen und Inder den Wohlstand abgraben", sagt Studienleiter Jan Arpe zum KURIER. Die wirtschaftsliberale Denkfabrik hat untersucht, wie viel vom Wirtschaftswachstum der Jahre 1990 bis 2011 auf die stärkere globale Vernetzung zurückzuführen ist.

"Global-Tausender"

"Globalisierungs-Weltmeister" ist demnach Finnland: Jeder Finne habe der vertieften Globalisierung rund 1500 Euro Wohlstandsgewinn pro Jahr zu verdanken (siehe Tabelle). Schon auf Platz sieben liegt Österreich mit 1010 Euro. Am unteren Ende der Skala sind China und Indien – dort betrug der jährliche Zuwachs pro Einwohner nur 80 bzw. 20 Euro. Der verstärkte Austausch der Länder lässt die Kluft zwischen Arm und Reich nicht verschwinden – er vertieft sie sogar noch.

Globalisierung: Reiche Staaten profitieren

"Längerfristig wird sich die Schere sicher schließen", ist Arpe jedoch überzeugt. Länder wie China und Indien hätten noch sehr viele Möglichkeiten, ihre Wirtschaftssysteme zu öffnen.

Wie fair ist das, wenn die Globalisierung primär den reichen Staaten nützt? Arpe bemüht dazu einen Vergleich aus dem Alltag: Angenommen, ein Arbeitnehmer mit 100.000 Euro Einkommen erhält sechs Prozent Gehaltserhöhung. Sein Kollege mit 50.000 Euro bekommt hingegen um zehn Prozent mehr. "Wer profitiert da stärker? Das zu bewerten ist sehr schwierig", sagt Arpe: "In absoluten Zahlen geht dann die Einkommensschere nämlich weiter auf: Der Besserverdiener erhält um 6000 Euro mehr, sein Kollege aber nur um 5000 Euro." So ähnlich verhalte es sich auch mit den Effekten der Globalisierung.

Nimmt man das niedrigere Ausgangsniveau als Maßstab, dann hat China am stärksten profitiert: Der Zuwachs je Einwohner beträgt 18,5 Prozent pro Jahr. In Österreich (Platz 27) waren es nur 4,9 Prozent. Was dem Einzelnen überbleibt, sagt die Studie nicht: Mit Einkommen je Einwohner meint sie nicht das Geld im Börsel, sondern die Wirtschaftsleistung pro Kopf. "Das Problem ist, dass dabei die Verteilung nicht berücksichtigt wird", sagt Arbeiterkammer-Ökonom Markus Marterbauer. Die Gewinne der Globalisierung, vor allem aus Finanzgeschäften, kämen nur sehr wenigen zugute. Die Bertelsmann-Stiftung will das in einer Folgestudie prüfen – zunächst für Deutschland.

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