Gezielte Gutscheine & Co.: Was laut Expertin gegen hohe Lebensmittelpreise helfen würde

Verbände rechnen mit weiter steigenden Lebensmittelpreisen
Die Debatte um die hohen Lebensmittelpreise in Österreich erreicht einen neuen Höhepunkt. Welche Maßnahmen wirklich sinnvoll wären.

Seit Wochen wird in Österreich über zu hohe Lebensmittelpreise diskutiert. Ausschlaggebend für die immer lauter werdende Debatte ist zum einen die konstant hohe Inflationsrate in Österreich. Während sie nämlich in anderen EU-Ländern wieder sinkt, ist sie laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria im April 2023 hierzulande auf 9,8 Prozent gestiegen.  

Dass aber das Niveau der Lebensmittelpreise in Österreich seit Jahren viel höher als in anderen Ländern ist, bezeichnet Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, freilich als "bekanntes Problem". 

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Eine brandaktuelle Studie zu den unterschiedlichen Lebensmittelpreisen in Deutschland und Österreich befeuert die Debatte zusätzlich. Ein von der Europäischen Zentralbank koordiniertes Forschungsprojekt fand heraus, dass Supermarktpreise - bei gleicher Produktauswahl - in Österreich im Schnitt um 13 Prozent teurer sind.  

Erklärungsnot

Die Regierung geriet zuletzt zunehmend in Erklärungsnot. Was Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) wohl dazu bewegte, am Montagvormittag einen Gipfel zu veranstalten. Zwei Stunden lang unterhielt man sich mit Handelsvertretern, Sozialpartnern, Konsumentenschützern und Vertretern von Sozialorganisationen über Ursachen und mögliche Maßnahmen. Das Ergebnis: Keines. Zumindest kein konkretes.

Ein "Mini-Entgegenkommen" seitens des Handels gab es immerhin. Man werde die "Transparenzanstrengungen intensivieren", erklärte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will dazu direkt nach dem Gipfel. Soll heißen: Die Preise der "20 bis 30 günstigsten Eigenmarken-Produkte werden auf unseren Homepages hervorgehoben", so der Geschäftsführer.

Aber reicht das aus? Im Gespräch waren ursprünglich ganz andere Ideen: von einer Mehrwertsteuer-Senkung über das „französische Modell“ bis zu einer Preisplattform.

Was genau hat es mit diesen Maßnahmen auf sich - und welche wären sinnvoll für Österreich? 

Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) Gabriel Felbermayer regte vergangene Woche an, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel in Österreich zu senken. Diese liegt hierzuland bei 10 Prozent.

Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der Steuersatz auf Lebensmittel sieben Prozent. Seit Anfang April 2022 erlaubt die EU eine komplette Befreiuung für Nahrungsmittel von der Umsatzsteuer. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) zeigte sich begeistert von dieser Idee.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sprach sich sogar dafür aus, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel temporär zu streichen oder wenigstens um die Hälfte zu reduzieren.

Finanzminister Magnus Brunner hingegen lehnt eine Mehrwertsteuersenkung im Kampf gegen die hohen Lebensmittelpreise vehement ab. "Bei der Mwst. habe ich eine konkrete Meinung. Die Senkung wird nicht oder nur teilweise weitergegeben und ist nur eine Gießkanne. Es profitieren nur die höheren Einkommen", erklärte Brunner am Samstag auf Ö1 Im Journal zu Gast.

Auch die Ökonomin und EcoAustria-Präsidentin Köppl-Turyna warnt vor einer Steuersenkung: "Es ist nicht klar, dass das dann auch wirklich bei den einkommensschwächeren Menschen ankommt. Das Gießkannen-Problem sollte man eher vermeiden."

Außerdem, so Köppl-Turyna, sei es eine teure Maßnahme - gerade im Hinblick darauf, dass sie eben auch den Personen mit höheren Einkommen zugutekommen würde. 

Das "französische Modell"

Finanzminister Brunner sprach sich hingegen für eine Problemlösung nach dem Vorbild Frankreichs aus. Was hat es mit dem oft erwähnten "fanzösischem Modell" auf sich?

In Frankreich haben sich große Lebensmittelhändler und Regierung im März darauf geeinigt, dass Supermärkte auf freiwilliger Basis die Preise für eine Reihe von Produkten des täglichen Bedarfs von April bis Juni "möglichst niedrig" halten.

Die Regierung in Paris pochte im Kampf gegen die hohe Inflation aber auf Freiwilligkeit. Das führte dazu, dass sich nicht alle Supermarktketten an der Maßnahme beteiligen. Zudem konnten die Händler selbst festlegen, welche Produkte mit dem Etikett „Anti-Inflation“ ausgezeichnet werden.

Was sagt Expertin Köppl-Turyna zu dem Modell? Wäre das auch in Österreich vorstellbar?

"Nicht wirklich. In Frankreich gibt es viel mehr Konkurrenz, mehr aktive Supermarktketten. Wenn es also irgendwo funktioniert, dann dort." Und außerdem: "Das Risiko dabei ist schon, wenn der Handel damit Verluste macht, wird er auch andere Produkte verteuern."

Auch Sozialminister Rauch ist vom Frankreich-Modell wenig überzeugt, gibt er im Ö1 Mittagsjournal zu verstehen: "Wir haben das Modell geprüft. Das hat schon auch seine Tücken. Und bei allen Maßnahmen, die gesetzt werden, muss darauf geachtet werden, dass sie auch wirklich bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen." 

Transparenz

Apropos ankommen: Im Sinne der Transparenz setzt man seitens der Bundesregierung auf eine Preisplattform. Die heimischen Handelsketten sollen dabei alle aktuellen Preise auf einer Internet-Plattform veröffentlichen und täglich aktualisieren. 

Bisher wollten die Handelsvertreter davon nichts wis. Beim Lebensmittelgipfel hat man sich nun auf "20-30 günstige Produkte der Eigenmarken" geeinigt, die man auf den Homepages "hervorheben" wird. 

Kommt das beim Endverbraucher an? Expertin Köppl-Turyna fürchtet nicht, denn, "mit einer Online-Plattform erreicht man nicht alle Leute, die man erreichen will. Gerade für Menschen ohne Internetzugang oder ältere Personen ist das sehr schwierig." Man müsse sich überlegen, ob man solche Infos nicht eher den Behörden übermitteln sollte, rät die EcoAustria-Präsidentin. 

Ob das geschehen wird, bleibt abzuwarten. Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will versprach am Montagvormittag jedenfalls die Preise "freiwillig wöchentlich ans Sozialministerium zu melden".

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