Gewinnwarnung, Aktien im freien Fall: Was ist los bei Varta, Herr Tojner?

Gewinnwarnung, Aktien im freien Fall: Was ist los bei Varta, Herr Tojner?
Michael Tojners Varta ist in Turbulenzen. Trotzdem bleibt der Unternehmer, der sich selbst nicht als Investor oder Spekulant sieht, positiv: Varta soll der erste europäische Batteriezellen-Produzent werden – und zwar schnell.

Das Batterieunternehmen Varta ist seit 2007 im Eigentum von Michael Tojners Montana Holding. Nach Jahren des Wachstums gibt es nun Probleme: hohe Energie- und Rohstoffpreise, weniger Absatz, Umstrukturierungen in der Firma, Aktienverkäufe vom Eigentümer selbst. Der Aktienkurs von Varta ist seit 2021 um 76 Prozent gefallen. Trotzdem bleibt Tojner positiv: Varta sei die Batteriehoffnung für die europäische E-Auto-Industrie.

KURIER: Gewinnwarnung, fallender Aktienkurs, Vorstand abgezogen. Was ist los bei Varta?

Michael Tojner: Das Bild nach außen ist anders als die tatsächliche Situation. Wir haben heuer ein Übergangsjahr und mussten Schritte setzen, die wir uns schon länger vorgenommen hatten. Wir wollen in der Varta eine jüngere Führung. Und Herbert Schein auf ein neues Projekt ansetzen: die Hochleistungsbatteriezelle v4Drive. Die Varta wird das einzige europäische Unternehmen sein, das eine solche Batteriezelle produziert.

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Ein Geschäft, das aktuell vorwiegend in Asien existiert.

Die Asiaten dominieren das. Ich glaube, es ist die letzte Chance für Europa, den Asiaten hier die Stirn zu bieten. Warum jetzt? Weil wir eine viel leistungsfähigere Zelle bauen werden, ein echtes Konkurrenzprodukt. Bei den herkömmlichen Zellen auf dem Markt ist der Zug abgefahren.

Zurück zu Vartas Problemen, die kommen von allen Seiten.

Wie alle Unternehmen kämpfen wir mit extrem hohen Energie- und Rohstoffkosten. Und mit der anhaltenden Störung weltweiter Lieferketten. Deshalb haben sich die Abrufe für zwei große Aufträge mit Herstellern verzögert. Durch die Corona-Pandemie sind viele Geräte nicht so schnell auf den Markt gekommen, wie erhofft. Wir hatten uns viel vorgenommen, aber nicht alles erreichen können.

Sie haben kurz vor dem Abzug des CEO noch selbst 1,6 Millionen Aktien verkauft. Warum?

Die Mehrheitsbeteiligung ist und bleibt für mich wichtig. Wir haben uns aber von einem kleinen Aktienpaket getrennt, um Liquidität zu haben. Wir haben die Gewinnwarnung abgewartet und dann plan- und ordnungsgemäß verkauft.

Gewinnwarnung, Aktien im freien Fall: Was ist los bei Varta, Herr Tojner?

Es ist vielleicht nicht das beste Signal für den Markt, wenn der Eigentümer selbst seine Aktien verkauft.

Wenn der Eigentümer selbst verkaufen würde, um sich privat etwas zu kaufen, wäre es das falsche Signal. Wir haben unglaublich viel investiert, seit 2018 über eine Milliarde Euro und sind Finanzierungsverpflichtungen eingegangen.

Der Aktienkurs ist seit 2021 um 3/4 gefallen. Wie kriegen Sie das wieder hin?

Wir sind 2017 an die Börse gegangen mit 200 Millionen € Umsatz, 2021 hatten wir knapp 900 Millionen. Der Aktienkurs bei einem Wachstumsunternehmen lebt auch immer von Fantasie und Vertrauen. Nach 15 Jahren Wachstum müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das heuer anders ist. Wir werden nächstes Jahr wieder wachsen.

Der abgezogene Varta-Vorstand soll die Firma v4Drive hochziehen. Das Ziel: eine Zellenproduktion für E-Autos in Europa.

Wir gründen jetzt das Automotive-Geschäft aus und gehen in Verhandlungen mit strategischen Partnern, also Autoherstellern und Automobilzulieferern, um eine Zellenfertigung in Deutschland und einem anderen europäischen Land in signifikanter Höhe hochzuziehen.

Mit neuen Fabriken?

Ja, die Bagger fahren schon im Varta-Werk Nördlingen.

Warum ist eine Produktion in Europa wichtig? Wir sehen die Schwierigkeiten, weil die Zellen derzeit aus China kommen und es logistisch große Probleme gibt. Die Industrie braucht eine lokale, in Europa ansässige Produktion.

Wieso hat es Europa bisher versäumt, das zu machen?

Als ich Varta gekauft habe, haben mir viele Berater gesagt, das Batterie-Geschäft ist längst tot, für die Europäer und Amerikaner sei der Zug abgefahren. Aber so ist es nicht. Jetzt sehen wir, welche Abhängigkeiten es hier gibt.

Wie sehr ist die Politik interessiert, dass es eine Zellenproduktion in Europa gibt?

Die europäische, deutsche und österreichische Politik hat hier durchaus ein Interesse und fördert mit großen Budgets. Aber Asien ist da dann doch eine andere Kategorie: dort wurden Batterie-Technologien seit Jahrzehnten mit Hunderten Milliarden aufgebaut und unterstützt. Das ist für diesen Wirtschaftsraum eine strategisch sehr wichtige Industrie.

Wie viel investieren Sie, wann produzieren Sie?

Zwei, später 10 Milliarden Euro. Know-how ist da, wir peilen die Fertigung für 2025 an.

Wie viel Bedarf sehen Sie in Europa?

Sicher 900 Gigawatt, 200 davon im Premiumbereich. Wenn wir 10 % Marktanteil hätten, wären wir glücklich.

Varta battery cells are displayed in this picture illustration

Wird sich bei der Batterietechnik in den nächsten Jahren Grundlegendes ändern?

Die Zellen werden leistungsstärker und effektiver. Da gibt es kontinuierliche Entwicklungen. Vom Lithium werden wir nicht wegkommen, wobei man sagen muss, dass Lithium kein knapper Rohstoff ist. Die Frage ist nur, wo man es abbaut. Man kann Lithium komplett recyceln, das wird man auch zunehmend machen. Alle anderen Stoffe würde ich als ersetzbar betrachten.

In Graz wird zu diesem Thema auch geforscht.

In Graz gab es eine der drei wichtigsten Universitäten für Zellen- und Batterie-Forschung. Aber dann war der Lehrstuhl verwaist. Wir haben ihn wiederbelebt, mit anfangs drei Millionen Euro. Mittlerweile hat die Materialforschung in Graz 20 Wissenschafter.

Sie wollen zudem ein neues Forschungszentrum in Graz aufbauen.

Wir bauen das schon. Und reden im Endausbau 40, 50 Wissenschaftern vor Ort.

Glauben Sie, dass sich durch die Energiekrise der Umstieg auf die Elektromobilität verzögern wird?

Wir haben multiple Krisen, vor allem eine Klimakrise, auch wenn diese auf der Tagesordnung momentan nicht ganz oben steht. Es gibt viele Diskussionen, ob die Elektromobilität die richtige Antwort ist. Letztlich ist das eine politische Frage, die man klar mit Ja beantwortet hat. Was den Ausstiegsplan für Verbrenner 2035 angeht, glaube ich, dass man hier sicherlich situationsbezogen agieren wird.

Es gibt immer Gründe, etwas nicht zu tun.

Ja, das stimmt. Wir müssen jetzt die Chancen nützen, Ärmel aufkrempeln und an Lösungen arbeiten.

Ich möchte noch auf Ihre Person überleiten: Sie polarisieren, werden als Grenzgänger und Spekulant bezeichnet. Wie sehen Sie sich?

Das bin ich alles nicht. Wenn ich Spekulant wäre, hätte ich bei 120 Euro alle Varta-Aktien verkauft. Ich möchte zeigen, dass wir europäische Champions bauen können. Und dabei muss man auch Rückschläge, so wie es jetzt der Fall ist, wegstecken können. Es geht mir bei allen Firmen und überall, wo ich dabei bin, darum, unternehmerisch etwas zu entwickeln.

Sie wollen als Unternehmer gesehen werden.

So sehe ich mich. Ich habe die Montana gegründet, weil ich ein Interesse daran habe, Firmen zu entwickeln. Ich bin halt nicht ein normaler Industrieller, der Unternehmen aus der Elterngeneration übernimmt und verwaltet. Es reicht mir auch nicht, eine brave, österreichische Firma zu bauen. Ich beschleunige alles. Ich will mit der Varta einen europäischen Champion bauen. Das Unternehmerleben ist halt so, dass man sich von Rückschlägen nicht ablenken lassen darf.

Auch nicht von Strafverfahren und Anklagen.

Das lässt mich persönlich nicht unbeeindruckt. Es ist auch für meine Familie und für meine 13.000 Mitarbeiter eine Belastung. Wenn man liest, was über mich geschrieben wird, fragt man sich schon, warum man das alles tut. Wegen des Geldes mache ich es sicher nicht.

Warum also?

Ich will als Unternehmer etwas voranbringen. Ich bin sehr stolz, was wir mit Varta alles erreicht haben: von einem aufgegebenen Knopfzellenproduzenten, den keiner haben wollte, zu einem weltweit führenden Technologieunternehmen.

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