Während halb Österreich unter der Hitzewelle stöhnt, treibt den Touristikern die bevorstehende Wintersaison die Schweißperlen auf die Stirn. Die Urlaubspakete für die nächste Saison müssen geschnürt werden, aber noch weiß niemand, welche Regeln heuer auf der Piste und beim Après-Ski gelten werden.
„Es ist fünf vor zwölf“, sagt Helga Freund, Vorstandsmitglied von Österreichs größtem Tourismuskonzern, der Verkehrsbüro Group (Ruefa, Eurotours, Hofer Reisen, Hotellerie- und Business Touristik). „Wir brauchen klare Regelungen für ganz Österreich, wie der Wintertourismus heuer stattfinden wird.“
Touristiker aus Deutschland, den Niederlanden, Tschechien und anderen wichtigen Herkunftsmärkten wollen längst wissen, auf was sich ihre Gäste einstellen müssen. „Die Partner erwarten Sicherheit“, sagt Freund. „Am gescheitesten wäre es, wenn es heuer gar kein Party-Après-Ski geben würde.“
Dass ohne Party auch keine Gäste kommen, glaubt die Touristikerin nicht. „Nicht alle kommen zum Feiern. Es gibt viele Familien und Sportler, denen das Sicherheitsthema viel wichtiger ist. Viele Orte verzichten deswegen schon auf Après-Ski.“
Neues Partyprogramm
In Ischgl gehörte die Party zur DNA der Marke. Ob sie heuer überhaupt steigt, steht in den Sternen. „Wir brauchen Planungssicherheit. Am besten gestern“, sagt Andreas Steibl, Geschäftsführer vom Tourismusverband Paznaun-Ischgl. „Täglich hageln Fragen von Stammgästen auf uns ein, die wissen wollen, wie das Abendprogramm heuer aussehen wird.“ Das Worst-Case-Szenario wäre freilich, dass die Party ersatzlos gestrichen wird.
Steibl rechnet damit, dass es ein Ersatzprogramm geben wird. Etwa Erlebnisgastronomie, wie man sie von Konzepten wie Dinner&Crime kennt. Entscheidend für das Programm werden Verordnungen und Auflagen (etwa fixe Sitzplätze) sein, auf die die Branche wartet.
„In ganz Tirol herrscht Konsens, dass Lokale wie das Kitzloch heuer im November nicht aufsperren können wie bisher“, betont der Zillertaler Hotelier und Seilbahner Franz Hörl. „Verbote sind aber der falsche Weg“, findet er. „Verbietet man eine Saufmeile, findet die Party eben wo anders statt. Das hat man ja in Spanien gesehen.“
Hörl schlägt neue Sperrstunden-Regelungen vor – und zwar mitten am Tag. „Vor 20, 30 Jahren haben die Skihütten ja auch um 17 Uhr zugesperrt. Dann würde eine Stunde z’amg’räumt und wieder aufgesperrt.“ Um wieder zu diesem Modell zurückzukehren, sei aber eine entsprechende Regelung in der Gewerbeordnung nötig. „Auf Freiwilligkeit würde ich mich nicht verlassen“, sagt selbst Hörl. Schließlich sei kein Unternehmer der Feind seines eigenen Geldes. Hörl: „Ohne klare Regeln wird gar nichts gehen.“
Auflagen für die Gondel?
Aus Sicht von Hörls Branchenkollegin Martha Schulz muss eine neue Regelung jedenfalls „bis Ende August“ her. „Wir müssen planen und werden uns an das halten, was vorgeschrieben wird.“
Zu klären sind auch die Regeln für die Seilbahnwirtschaft. Etwa, ob limitiert werden soll, wie viele Menschen gleichzeitig in einer Gondel befördert werden dürfen. Seilbahn-Sprecher Eric Wolf sieht dafür keinen Anlass. „Das Problem ergibt sich durch Aerosole in geschlossenen Räumen. Bei uns finden aber 85 Prozent der Beförderungen unter freiem Himmel statt.“ Also via Sessel- oder Schlepplift.
Zudem dauere eine Bergfahrt auch nur wenige Minuten, überschreitet also die kritische 15-Minuten-Marke nicht. Aus der Seilbahnwirtschaft ist zu hören, dass heuer in den Wintersportgebieten wohl verstärkt Give-aways wie Schlauchschals (Buffs) verteilt werden, die in Gondeln auch zum Mund-Nasen-Schutz umfunktioniert werden können.
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