Reparaturbetrieb
„Die Wirtschaft ist aber noch immer im Reparaturbetrieb“, sagt Martin Lück, Leiter der Kapitalmarktstrategie für die DACH-Region und Osteuropa bei Blackrock. Lieferkettenprobleme, hohe Energiepreise oder Arbeitskräftemangel würden von der Angebotsseite her Probleme verursachen. Das führe zu einer höheren Volatilität und mache Zinszyklen und damit auch Entwicklungen an der Börse schwieriger einschätzbar. Hinzu kämen neue strukturelle Verschiebungen, die sogenannten Megaforces; neben KI seien dies demografische Veränderungen, der Übergang in eine kohlenstoffärmere Welt oder neue Regeln im Finanzsystem, etwa die wachsende Bedeutung von privaten Kreditfonds. Stagflation, also das Zusammentreffen steigender Preise bei zugleich wirtschaftlichem Stillstands – werde aufgrund zahlreicher Verschiebungen häufiger passieren. „Die Wirtschaftspolitik ist da teilweise ein bisschen machtlos“, sagt Lück im KURIER-Gespräch.
In diesem Szenario rät Lück generell zu zwei Sachen: Ein Portfolio sollte nicht nur aus Aktien und Anleihen bestehen. Und zweitens sollten Anleger häufiger einen Blick in ihr Portfolio werfen und Adaptierungen vornehmen.
Für kommendes Jahr erwartet Lück ein unterdurchschnittliches Wachstum in den großen Wirtschaftsräumen bei weiter sinkender Inflation. „2024 wird das Jahr der Zinssenkungen. Das wird Aktien helfen und bestehende Anleihen werden zulegen.“
Lück bleibt bei US-Aktien untergewichtet, für Europa ebenfalls zurückhaltend. Bei Emerging Markets zeigt er sich vorsichtig (ausgenommen China), da Zinsen schneller sinken und es daher zu Währungsverlusten kommen könnte. Nach Sektoren setzt der Experte auf Gesundheits- und weiterhin Techtitel, wobei hier die Kursgewinne nicht mehr so ausgeprägt sein sollten wie noch heuer. Anleihen sollten noch besser performen als dieses Jahr.
Breit streuen
Wolfgang Ules, seit Mai Vorstandschef der Security KAG, ist ebenfalls für Anleihen optimistisch. „US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit und 4,2 Prozent gesicherter Rendite im Jahr sind attraktiv.“ Auch Unternehmensanleihen mit schlechten Bonitäten (High Yield) würden gute Renditen bringen. Eine nur leichte Rezession sollte die Zahl an Ausfällen gering halten. Wichtig aber sei auch in diesem Zusammenhang eine breite Streuung.
Bezüglich Aktien wird bei der Security KAG laut Ules „intern sehr wohl diskutiert, ob der Techtrend weiterhin so anhält“. Wachstumsaussichten und Gewinnentwicklung würden noch durchaus Potenzial zeigen, wobei die hohen Kursgewinne auch Aufholeffekte aus dem schlechten Jahr 2022 wären. Wer jetzt noch nicht eingestiegen sei, sollte dies tun. Tech gehöre in jedes Portfolio. Aber: „Ich warne, nur darauf zu setzen.“ Und ebenso vor kurzfristigen Veranlagungen am Geldmarkt. Denn es gebe ein Wiederveranlagungsrisiko, wenn in einigen Monaten die Zinsen wieder auf tieferen Niveaus lägen.
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Für Ules spricht derzeit vieles für Mischfonds wie etwa dem Value Investment Fonds Klassik. Seit Jahresbeginn liegt dieser mit einem Aktienanteil von rund einem Drittel 8,4 Prozent im Plus. Auch die Erste AM sieht wieder die Zeit für Mischfonds gekommen. „Wir haben Renten- und gemischte Fonds lange nicht empfohlen. Das ändert sich jetzt in einer Zeit, in der jede Anlageklasse interessante Chancen bieten kann. 2024 ist man mit Mischfonds für die meisten Szenarien gut aufgehoben.“
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