Die überraschten Mitarbeiter erhielten ein Schreiben samt einer Einwilligungserklärung. Thema war die „Weitergabe von vertraulichen Informationen“ über den Verkauf der OMV-Tankstellen in Deutschland. Durchgeführt wurde die Untersuchung durch die interne Revision (Audit&Compliance). Auftraggeber war diesmal nicht der Aufsichtsrat, sondern der Vorstand unter CEO Rainer Seele.
Die Mitarbeiter wurden gebeten, freiwillig zuzustimmen, dass die OMV in den Diensthandys in verkürzte Einzelverbindungsnachweise (die letzten drei Ziffern gestrichen) sowie in das dienstliche E-Mail-Konto über einen bestimmten Zeitraum einsehen dürfe. Die Handy-Verbindungsnachweise sollten mit bestimmten Zieltelefonnummern abgeglichen werden. Auch wenn die letzten drei Ziffern fehlen, ist es trotzdem leicht nachvollziehbar, mit wem telefoniert wurde. Darüber hinaus sollten die E-Mail-Konten nach „ausgewählten Suchbegriffen“ gescreent werden. Private E-Mails und andere Mails mit sensiblen Daten seien ausgenommen.
Welcher Mitarbeiter stimmt da nicht „freiwillig“ zu? Die Ankündigung des Audits und die Einwilligungserklärung liegen dem KURIER vor.
Ein OMV Sprecher bestätigt, „dass es eine interne Untersuchung gegeben hat. Dazu sind wir auch verpflichtet, wenn vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen“. Der Betriebsrat wurde über die Aktion nicht informiert. Es sei „rechtlich nicht vorgesehen, den Betriebsrat bei einer einmaligen Untersuchung zu involvieren“. Sagt auch einiges aus über das Verhältnis zwischen Vorstand und Belegschaftsvertretung.
Arbeiterkammer und Datenschützer erklären dazu, eine rechtliche Beurteilung einer solchen Aktion sei von außen schwierig, dazu müsste man Einblick in die EDV-Betriebsvereinbarung haben.
Als Anlass wurde in den Mitteilungen an die Mitarbeiter ein KURIER-Artikel vom 28. November 2020 genannt. Dieser handelte vom ungewöhnlichen Briefwechsel zwischen Seele und dem damals neuen Aufsichtsratschef Mark Garrett. Nur im letzten Absatz wurde erwähnt, in deutschen Branchenkreisen werde kolportiert, dass nur noch zwei Bieter (PKN Orlen, EG Group) um die Tankstellen im Rennen seien. EG erhielt kurz darauf den Zuschlag.
Gar so vertraulich waren die Informationen allerdings nicht. Sie waren damals in Deutschland außerhalb der OMV längst breit bekannt. Deswegen eine solche Untersuchung zu starten und so viele Mitarbeiter generell zu verdächtigen, ist gegenüber der Belegschaft wenig vertrauensbildend. Insider spekulieren daher, dass der Anlassfall nur ein Vorwand gewesen sein könnte, um die Mitarbeiter in gewisser Weise einzuschüchtern.
In der Einwilligungserklärung heißt es, das Audit werde durchgeführt, um „etwaige Verstöße“ gegen arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflichten oder gesetzwidriges Verhalten zu erkennen und zukünftigen Verletzungen entgegenzuwirken. Die Betroffenen mussten sich auch zur Geheimhaltung über das Audit selbst verpflichten.
Im Öl-, Gas- und Chemiekonzern, an dem die Republik 31,5 Prozent hält, wurde in den vergangenen Jahren schon öfter hochnotpeinlich untersucht. Seele soll, hört man, über Informationen, die er nicht kontrollieren kann, besonders erbost sein.
Der Aufsichtsrat wurde über diese Untersuchung nicht vorab informiert. Die letzten umfangreichen Untersuchungen, teils mithilfe externer Anwälte, hatte Wolfgang Berndt veranlasst, gegangener Vorgänger von Garrett als Aufsichtsratsvorsitzender und mit Seele befreundet.
Im Vorjahr hatte wie berichtet die Betriebsratsvorsitzende Christine Asperger das Handtuch geworfen. Das Unternehmen war bei einer Untersuchung in Handy und E-Mail-Account einer Betriebsrätin hinein gegangen.
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