Gasliefer-Verträge der OMV: Hohes Risiko, kaum Gewinn
Nachher ist man immer klüger, aber je mehr Details über die Gasliefer-Verträge mit Russland bekannt werden, desto mehr stellt sich die Frage, ob die OMV klug verhandelt hat. Als die Verträge 2018 unter dem damaligen CEO Rainer Seele verlängert wurden, hatte Russland längst schon die Krim annektiert. Das politische Risiko musste allen Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt gedämmert haben. Andererseits wurden ein steigender Bedarf und eine sinkende Gas-Produktion in der EU prognostiziert.
Gibt es Alternativen zum russischen Gas?
Abgeschlossen wurden zwei Vereinbarungen, eine bis 2032, die zweite bis 2040. Die maximale Liefermenge aus beiden Verträgen beläuft sich auf insgesamt 125 TWh. Rund 40 Prozent davon werden nach Deutschland geliefert, der Rest ist für Österreich, das zu 80 Prozent von Gas aus Russland abhängig ist. Der gesamte Inlandsverbrauch lag im Vorjahr bei rund 96 TWh.
Beide Verträge enthalten wie berichtet die Klausel „Take or pay“. Das heißt, die OMV muss in jedem Fall bezahlen, auch wenn sie die vereinbarten Liefermengen nicht abruft. Das wäre allerdings nicht nur bei einem Gas-Embargo der EU der Fall.
Die Verträge mit den Kunden sind wesentlich kurzfristiger. Die mittleren Laufzeiten betragen zwei bis vier Jahre, etliche Verträge aber sind mit einem halben Jahr befristet.
Verliert die OMV beispielsweise einen Kunden in Deutschland, muss sofort Ersatz gefunden werden, denn die Zahlungen an Gazprom laufen weiter. Unabhängig davon, ob die Liefermenge abgerufen wird. „Man hat damals offenbar vergessen, eine Risiko-Mitigation, also eine Milderung des Risikos, einzubauen“, meint dazu ein internationaler Gas-Experte.
Die Gewinne der OMV aus den Gazprom-Verträgen sind trotz des hohen Risikos äußerst bescheiden und dürften lediglich bei 10 bis 20 Millionen Euro liegen. Peanuts im Vergleich zum Gesamtgewinn des Konzerns. Die Milliarden-Erträge mit Gas werden in Exploration & Produktion gemacht. Der Gashandel insgesamt brachte im ersten Quartal 2022 (ohne Petrom) ein operatives Ergebnis von 56 Millionen Euro, die Gazprom-Verträghe sind nur ein Teil davon. Im Vorjahr verdiente die OMV mit dem Gashandel (inklusive Petrom) 252 Millionen Euro.
Wie das Gas nach Europa kommt
Vorstand
Apropos Exploration. Auf der Tagesordnung der heutigen Aufsichtsratssitzung stehen auch Vorstandsangelegenheiten. Ursprünglich war geplant, dass Explorationsvorstand und Vize-CEO Johann Pleininger, dessen Vertrag noch bis Sommer 2023 läuft, nach Rumänien geht. Und die Chefin des rumänischen Tochter-Konzerns Petrom, Christina Verchere, Pleininger in Österreich beerbt.
Wie man hört, will Verchere jedoch unbedingt in Rumänien bleiben. Außerdem wäre es riskant, ausgerechnet in dieser Krisenzeit den einzigen Öl- und Gas-Experten im OMV-Vorstand nicht zu verlängern. Das Problem ist allerdings das gespannte Klima zwischen Pleininger und OMV-Chef Alfred Stern. Derzeit ist noch alles offen, hört man aus Eigentümerkreisen. Fix dagegen soll der Abgang von Vorständin Elena Skortsova sein.
5 Fragen, 5 Antworten: Österreich & das russische Gas
Das Gutachten der Frau Professor
Hat sich Österreichs anerkannteste Unternehmensrechtlerin, Univ.-Prof. Susanne Kalss, Institutsleiterin an der WU Wien, für ein Gefälligkeitsgutachten hergegeben? Oder wurde eine vielleicht etwas naive Professorin, die keine Ahnung von den Grabenkämpfen in der OMV unter Ex-Chef Rainer Seele hatte, benutzt?
Im Dezember 2021 verließ der langjährige Internal Audit & Compliance-Chef die OMV. Sein Abgang soll ihm mit mehr als einer Million Euro versüßt worden sein, selbst für die OMV unüblich großzügig.
Der Manager erhielt von Seele im August 2020 einen Sideletter zu seinem Arbeitsvertrag, gezeichnet vom Chef und der Personalchefin. Dieser sicherte einen Kündigungsverzicht vonseiten der OMV bis September 2023 sowie eine Überbrückungszahlung für den Fall einer späteren Kündigung zu. Der Manager hatte zuvor Spesen von Seele und das 25-Millionen-Fußballsponsoring für Zenit St. Petersburg geprüft und für in Ordnung befunden.
Im April 2021 wurde bekannt, dass Seele gehen werde. Der Revisionschef wusste also, dass sein "Beschützer" bald weg sein würde. Mit 8. Juli 2021 erstellten Kalss und ein Arbeitsrechtler ein Gutachten über die „Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Aufsichtsrates und des Prüfungsausschusses“ bezüglich des Sideletters. Das Gutachten, das von der OMV beauftragt und bezahlt wurde, liegt dem KURIER vor. Ergebnis: Alles in bester Ordnung, da die Vereinbarung die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses betreffe. Der Manager könne sich auf den Vertrag berufen „und allfällige Ansprüche daraus geltend machen“. Was er auch tat. Jetzt prüft eine deutsche Anwaltskanzlei die Causa, die ebenfalls Thema im Aufsichtsrat ist.
Obendrein erhielt der Manager für das Wintersemester auf seine Initiative hin einen Lehrauftrag am Institut von Kalss und scheint auf der Homepage des Instituts auf. Er hatte mit Kalss im Rahmen ihrer Tätigkeit für die OMV zusammengearbeitet. Ein Lehrauftrag wird zwar nicht bezahl, bringt aber viel Prestige.
Kalss erklärt dazu, dass es schon länger eine rege Kooperation mit dem Institut und Gutachten für die OMV gegeben habe. Und man sei immer froh, kompetente Praktiker für Lehraufträge als Bereicherung für die Studenten zu bekommen.
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