Gamestop-Kurs-Ausschläge: Duell um Vorherrschaft an der Börse

Gamestop-Kurs-Ausschläge: Duell um Vorherrschaft an der Börse
Kleinanleger bescherten Hedgefonds Milliardenverluste. Trotzdem scheint es, als würde die ausgerufene Revolution ausbleiben

Hier die alteingesessenen Marktteilnehmer, dort die junge, wilde Garde, die sich mithilfe moderner Plattformen anschickt, die ungeschriebenen Gesetze des Kapitalmarkts neu zu gestalten. Das zeigen die aktuellen Geschehnisse rund um den US-Spielehändler Gamestop. Gut gegen Böse oder David gegen Goliath wurde der Machtkampf in den vergangenen Tagen oft betitelt. Doch letztendlich geht es inzwischen auf beiden Seiten um viel eingesetztes Kapital.

Während die etablierten Investoren, meist Hedgefonds, auf einen sinkenden Kurs setzen, wollen vor allem Privatanleger dies verhindern und kaufen fleißig Gamestop-Aktien. Das zeigt auch der Kurs des Wertpapiers, der seit Jahresbeginn ausschließlich wegen der Spekulanten von 17 auf bis zu 420 US-Dollar hochschnellte, ehe er wieder auf rund 54 Dollar zurückfiel. Am Freitag dann der Gegenschlag: Die Tradingplattform Robinhood hob ihre Handelsbeschränkungen auf und der Kurs legte vorerst erneut um 40 Prozent zu. Das Rennen scheint also noch nicht endgültig entschieden. Die Aufsicht hat sich aber jedenfalls eingeschaltet und prüft die Vorgänge.

Wie aus Hedgefonds Heuschrecken wurden

Hedgefonds gelten als Heuschrecken der Kapitalmärkte. Dabei  waren die ersten Hedgefonds eigentlich als sichere Vehikel der Vermögensverwaltung gedacht (siehe Lexikon unten). Doch das Bild hat sich gewandelt. Spätestens, als George Soros 1992 das britische Pfund in den Keller trieb, war es um ihren Ruf geschehen. Gefestigt hat sich dieser in der Finanzkrise 2008, als wilde Spekulationen  bereits vorhandene Turbulenzen verstärkten. Die damals geäußerten Absichten seitens der Politik, sie gesetzlich zu beschränken, blieben vielfach eine leere Drohung.

Immerhin trat  2012 ein EU-weites Verbot für ungedeckte Leerverkäufe  in Kraft. „Gedeckte Leerverkäufe können auch  in Ausnahmesituationen – wie im Vorjahr – verboten werden“, erklärt Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse.  „Allerdings muss das Verbot zeitlich begrenzt und sachlich sein.“ Und zudem, so gibt er zu bedenken, sei Short Selling ein altes Instrument an der Börse – und auch die Gegenreaktion. „Der aktuelle, von der Aufsicht auf Missbrauch zu prüfende Ablauf ist alles andere als neu, nur hat er jetzt wegen der sozialen Medien eine andere Dimension.“

In der Tat sind solche Kämpfe um die Hoheit über einen Börsekurs nichts Neues. 2008 etwa wurde die VW-Aktie Opfer eines heftigen Gerangels und vor Kurzem verloren Hedgefonds viel Geld mit ihrer Short-Taktik bei Tesla und Varta.

Ungerechte Kritik

Apropos Hedgefonds: Für Boschan sind sie eine „Kapitalsammelstelle wie jede andere“; der Begriff Heuschrecke sei nicht gerechtfertigt.  So etwa wurde die Bawag von einem Hedgefonds saniert und dadurch tausende Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich gehalten.  Andere Marktteilnehmer verweisen darauf, dass Hedgefonds ihre Short-Strategie vielfach ohnehin bei nur angeschlagenen Unternehmen, wie etwa auch Gamestop, ansetzen.

Boschan glaubt nicht, dass die neuen Handelsplattformen zu mehr Turbulenzen  führen. „Dafür sind sie im Verhältnis zum Gesamtmarkt zu klein. Für den Privatanleger im Einzelfall ist es allemal tragisch genug.“

Gamestop-Kurs-Ausschläge: Duell um Vorherrschaft an der Börse

Trotz reddit: Die „Kleinen“ sind nur gemeinsam stark

Der aktuelle Sturm auf die Börse braute sich schon länger auf der Onlineplattform reddit zusammen. Alles begann dort Ende 2019 mit einem Posting des Nutzers „DeepFuckingValue“. Er heißt in Wahrheit Keith Gill, ist 34 Jahre alt und war bis vor Kurzem noch für eine Lebensversicherung in Boston tätig.

Gill postete also im Subforum r/WallStreetBets ein Bild, das bestätigte, dass er soeben Aktien des kriselnden Videospielhändlers Gamestop im Wert von 53.000 Dollar gekauft hatte. Für diese hochriskante Wette wurde Gill  im Forum berühmt. Dann postete er regelmäßig seine steigenden Gewinne. Nach und nach begannen weitere reddit-Nutzer, es ihm nachzumachen. Im Jänner kam es dann zum Ansturm auf Gamestop und der Preis der Aktie wurde in ungeahnte Höhen getrieben.

Am 28. Jänner, als der Kurs seinen Höchstwert  erreichte, besaß Gill Anteile im Wert von knapp 28 Mio. Dollar. Und hielt. Nur einen Tag später war der Wert seiner Aktien infolge des Kaufstopps durch den Tradinganbieter Robinhood auf einen Schlag um 11 Mio. Dollar eingebrochen. Gill hielt weiter. Auf reddit wird er deshalb als Gott verehrt.

Andere Nutzer stachelten sich gegenseitig an und investierten in weitere geshortete Titel. So stürzte sich die Masse auf  andere schlecht bewertete Werte wie Blackberry, Nokia oder den US-Kinobetreiber AMC.


Eine Revolution?

Während viele Mitglieder klarmachen, dass es ihnen rein um persönlichen Profit geht, sehen sich einige  als Rädelsführer einer Revolution. Ihr Ziel ist dabei nichts anderes die Zerstörung des von Großanlegern kontrollierten Finanzsystems.

Doch seit Robinhood und Co. den Kauf ausgewählter Aktien einschränkten, scheint man auf reddit misstrauisch zu werden. So sehen sie den steigenden Silberpreis als Ablenkungsmanöver der Hedgefonds und verteufeln alle, die angesichts sinkender Kurse Anteile verkauft haben.

Die „Kleinen“ wirken gespalten und scheinen das Match verloren zu haben – die Frage ist, ob sie auf eine baldige Revanche aus sind.

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