Lehre statt Schule: Fünf Schritte zu mehr Fachkräften

Lehre statt Schule: Fünf Schritte zu mehr Fachkräften
Handwerksbetriebe fürchten Personalnot und wollen die berufliche Ausbildung aufwerten.

Anziehende Konjunktur, Geburtenrückgang und unverminderter Trend zur Höherqualifizierung lassen bei den Gewerbe- und Handwerksbetrieben die Alarmglocken schrillen. In den kommenden Jahren droht eine riesige Personallücke. Schon jetzt klagt jedes dritte Unternehmen über Fachkräftemangel, erhob die KMU Forschung Austria, mehr als 20.000 Stellen könnten nicht besetzt werden.

Am stärksten betroffen sind das Baugewerbe, gefolgt von Tischlereien, Friseuren, Elektrotechnikern sowie Sanitärausstattern. "Wir könnten um 20 bis 30 Prozent mehr Jugendliche ausbilden, wenn wir welche finden würden", sagt Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Sparte Gewerbe & Handwerk in der Wirtschaftskammer. Viele Betriebe haben sich in den vergangenen Jahren ganz aus der Ausbildung verabschiedet (siehe Grafik).

Lehre statt Schule: Fünf Schritte zu mehr Fachkräften
Grafik

Die KMU-lastige Sparte bildet mit fast 45.000 Jugendlichen aber nach wie vor fast die Hälfte aller Lehrlinge in Österreich aus und legte nun ein Maßnahmenpapier zur Modernisierung der Lehre vor. Der KURIER nahm die wichtigsten Punkte unter die Lupe:

1. Richtige Berufswahl Berufsberatung, Talente-Checks oder Schnuppern in Betrieben sind der Schlüssel für die Berufswahl, finden aber nicht im nötigen Ausmaß statt. "Es sitzen zu viele Jugendliche in der falschen Ausbildung", kritisiert Scheichelbauer-Schuster einen Akademisierungswahn um jeden Preis. Sie fordert verpflichtende Berufsberatung und Talente-Checks in der 7. und 8. Schulstufe in allen Schultypen. Um ein Halten der Schüler in der Oberstufe vorzubeugen, will sie die Schulfinanzierung von Schülerzahl auf Ergebnisorientierung umstellen. Bekannt ist, dass vor allem Gymnasien ihre Schüler zu wenig mit der Praxis konfrontieren und daher ein Wechsel in einen Lehrberuf kaum stattfindet. Den Betrieben gehen so gut ausgebildete Jugendliche, die auch handwerklich interessiert wären, durch die Lappen. Die Durchlässigkeit muss verbessert werden.

2. Aufwertung des Meisters Um bessere Karten im Wettbewerb mit Schulen zu haben, soll der Karrierepfad nach Lehrabschluss aufgewertet werden. Lehre mit Matura ist jetzt schon möglich, aber immer noch wenig bekannt. Im europaweiten Vergleich sollen nach den Ingenieuren auch die Meister mit Bachelor-Absolventen gleichgestellt werden. Die Wirtschaftskammer will, dass die Hälfte der Kosten für Vorbereitungskurse zur Meisterprüfung der Staat übernimmt.

3. Ausbildungsreife Ein hinlänglich bekanntes Problem, insbesondere im Ballungsraum Wien: Viele Schulabgänger sind nicht "fit" für den Arbeitsmarkt. Es gibt zwar die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre und die staatlichen überbetrieblichen Lehrwerkstätten, eine Qualitätssicherung findet aber nicht statt. "Die Betriebe müssen mit den Jugendlichen arbeiten können", sagt Scheichelbauer-Schuster. Mit einer Ausbildungsreife sollen Mindeststandards in Lesen, Schreiben und Rechnen sichergestellt werden.

4. Moderne Berufe Einig sind sich die Sozialpartner in Sachen Modernisierung von Lehrberufen im Hinblick auf die Digitalisierung und Internationalisierung. So wurde im Handel heuer der Lehrberuf "digitaler Verkauf" eingeführt, bis 2020 sollen weitere 50 folgen. Im Gewerbe und Handwerk hinkt diese Entwicklung noch etwas nach.

5. Bessere Bezahlung Zur Aufwertung der Lehre gehören auch höhere Lehrlings-Entschädigungen. Forderungen nach einer generellen Mindestentlohnung von 700 Euro im Monat blieben zuletzt ungehört, der Wettbewerb um die besten Köpfe sorgt aber bereits für freiwillige Höherzahlungen und Zusatz-Leistungen etwa im Handel. Die Gewerkschaftsjugend will eine Übernahme der Internatskosten durch den Betrieb oder Staat sowie Gratis-Führerscheine. Kleine Handwerksbetriebe können da nur schwer mithalten. Sie fordern, dass während der Berufsschulzeit der Staat für die Lehrlings-Entschädigung aufkommt.

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