AMS-Chef: Lehrstellenmarkt für Asylwerber öffnen
Viele Asylwerber haben mit Langzeitarbeitslosen eins gemein, schickt AMS-Chef Johannes Kopf im KURIER-Interview voraus. Ihnen fehle es an einer Tagesstruktur, und à la longue gingen sie ihrer Qualifikationen verlustig, weil sie nichts tun.
"Besonders negativ wirkt sich dieses Nichtstun auf junge Asylsuchende in der wichtigen, der Persönlichkeit bildenden Phase zwischen 15 und 18 Jahren aus", sagt Kopf. "Jugendliche gehören beschäftigt, und zwar den ganzen Tag."
Knapp 6000 Asylwerber zwischen 15 und 18 Jahren leben laut SOS-Mitmensch in Österreich derzeit in der Grundversorgung, bekommen Taschengeld und dürfen nur unter bestimmten Auflagen arbeiten.
1000 statt 40 Euro
AMS-Chef Kopf fordert deshalb einmal mehr: "Ich bin für eine generelle Öffnung des Lehrenstellenmarktes für alle Asylwerber unter 30 Jahren, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit haben. Das sind aktuell jedenfalls Syrer."
Für die Öffnung spreche, dass Flüchtlinge, während sie ein oder zwei Jahre auf ihren Asylbescheid warten, ausgebildet werden und ein paar Hundert Euro Lehrlingsentschädigung statt 40 Euro Taschengeld erhalten. "Bekommen diese Flüchtlinge dann im zweiten oder sogar schon dritten Lehrjahr Asyl gewährt, verdienen sie schon deutlich mehr, in manchen Lehrberufen auch schon 1000 Euro. Und sie haben den Anreiz, die Ausbildung fertig zu machen, anstatt irgendeine Hilfstätigkeit anzunehmen."
Genau darüber gelte es die Migranten auch immer wieder aufzuklären, weil viele kaum über unser Ausbildungssystem Bescheid wüssten. "Wir kennen dieses Problem bereits von türkischen Jugendlichen, die vor Jahren zu uns gekommen sind. In der Türkei ist es oft eher Usus, mit 15 Jahren arbeiten zu gehen als eine weitere Ausbildung zu machen."
Derzeit absolvieren laut AMS 415 Asylwerber in Mangelberufen eine Lehre. Diese mussten sie sich allerdings selbst or-ganisieren – oft unterstützt von NGOs und freiwilligen Helfern –, da das AMS bisher für Asylwerber nicht zuständig ist.
Höhere Jobchancen
Wie wichtig ein Lehrabschluss generell ist, beweist die Statistik: Die Arbeitslosenquote von Personen mit maximal Pflichtschulabschluss lag 2016 bei 26 Prozent, jene mit Lehrabschluss bei 7,9 Prozent.
Im Juni waren 374.973 Menschen in Österreich ohne Job. Das entspricht einem Minus von 3,1 Prozent im Vorjahresvergleich. Die Jugendarbeitslosigkeit (inklusive Schulungen) sank in diesem Zeitraum um 7,6 Prozent.
Das immer wiederkehrende Argument, Österreichern könnten Lehrstellen weggenommen werden, entkräftet Kopf: "Wir haben aktuell 1075 mehr freie Lehrstellen als vor einem Jahr und 133 weniger lehrstellensuchende Jugendliche." Für die Ausbildungsplätze würden nur "einige, wenige hundert Asylwerber" infrage kommen. Grund dafür sei oft deren Bildungsniveau und noch mangelnde Sprachkenntnisse. Von den zuletzt 99.570 Lehrlingen österreichweit waren 2,8 Pro-zent Flüchtlinge – das sind 2268 Personen.
Sollte der Lehrstellenmarkt geöffnet und das AMS für die Vermittlung der Ausbildungsplätze zuständig werden, könnten auch Betriebe verstärkt profitieren, befindet Kopf und verweist auf das Projekt "b.mobile": Da 60 Prozent aller Asylberechtigten in Wien leben, das Gros der offenen Lehrstellen aber in Westösterreich verfügbar ist, hilft das AMS Jugendlichen, ebendort eine Lehrstelle zu finden, und unterstützt die Betriebe durch Förderungen, Sprachkurse und Coachings.
Setzt die Regierung eine entsprechende Verordnung um, könnten einige Asylwerber schon im Herbst mit der Ausbildung beginnen, ist sich der AMS-Chef sicher.
Kommentare