Fronius-Chefin: Solar-Industrie von der Politik aufgegeben

Fronius-Zentrale mit Solarmodulen
Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß kritisiert, dass der Solar-Markt kampflos chinesischen Herstellern überlassen wurde.

„Ich habe das Gefühl, dass wir als PV-Industrie von der Politik aufgegeben worden sind“, sagt Fronius-CEO Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß im Interview mit der APA. Sie plädiert dafür, das Förderregime darauf auszurichten, dass die Wertschöpfung des Green Deal in Europa bleibt. Fronius hat binnen zweier Jahre seine Fertigungskapazitäten verdoppelt und kann nun wieder die stark wachsende Nachfrage bedienen.

Aufgrund des PV-Booms konnte Fronius in den vergangenen Jahren nicht so viel liefern wie nachgefragt wurde, daher hat man groß investiert - 187 Mio. Euro im Vorjahr und 233 Mio. Euro heuer, großteils in weitere Produktionslinien am Standort Sattledt, teilweise auch in den Standort Krumau. „Der Treiber für die Investitionen ist zum größten Teil die PV“, so Engelbrechtsmüller-Strauß. Auch das Lieferkettenproblem habe sich entspannt. Daher habe man am Donnerstag zahlreiche Großhändler zu einem Event nach Sattledt geladen, um zu signalisieren: „Wir sind verfügbar, ihr könnt bei uns bestellen.“

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„Da passiert nix“

Fronius habe in den vergangenen Jahren Marktanteile verloren, „aber nur weil wir nicht verfügbar waren. Die Nachfrage war ja viel größer und viele unserer Kunden haben leider auf chinesische Mitbewerber ausweichen müssen“. In China werde das ganze Energiesystem als Schlüsselbranche gesehen. „Das sind staatsnahe Unternehmen, die ganz andere Förderungen bekommen als ein europäisches Familienunternehmen.“ Sie kritisiert, dass sich die Politik hierzulande zu wenig darum kümmere, dass PV-Industrie in Österreich angesiedelt oder aufgebaut wird. „Da passiert nix.“

Engelbrechtsmüller-Strauß wehrt sich dagegen zu sagen „die PV-Industrie ist ohnehin nur mehr chinesisch und es macht jetzt keinen Sinn, dass man da noch viel zurückholt“. Auch wenn eine einzelne PV-Anlage vielleicht noch keine kritische Infrastruktur sei, der Zusammenschluss vieler Anlagen habe „wesentlichen Anteil an der Stromversorgung. Und es ist schon ein Problem, wenn ich ein Netz oder ein Energiesystem nur mit chinesischen Komponenten aufbaue“, warnt sie.

Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß

Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß

„Daten in der chinesischen Cloud“

Der Wechselrichter - das Produkt, das Fronius herstellt - „ist die Intelligenz der Photovoltaikanlage. Dort wird das ganze Energiemanagement gemacht und dort werden auch alle Daten gespeichert. Ob es klug ist, wenn wir einen Green Deal nur mit chinesischen Produkten machen, würde ich infrage stellen, weil dann die ganzen Daten in einer chinesischen Cloud sind“, warnt sie davor, sich in Sachen Energieversorgung in Abhängigkeit zu begeben. Man müsse mehr Wertschöpfung in Europa halten.

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„Die Amerikaner machen eine ganz starke Industriepolitik, was die Erneuerbaren betrifft, die Chinesen auch. Aber wir sind offen für alle und werden dann überrannt“, warnt sie. „Wir sind wettbewerbsfähig - sonst könnten wir uns gar nicht leisten zu investieren.“ Aber es brauche Rahmenbedingungen, die die europäische Industrie stärken, etwa indem man Förderungen an die heimische Wertschöpfung koppelt. Auch pocht sie auf mehr Tempo bei Bewilligungsverfahren, vor allem bei den Netzen. Man müsse schauen, „dass man mehr PV in die Netze bringt“.

Fertigung in den USA im Aufbau

Prinzipiell ist für Fronius der größte Markt Europa, daher werde auch „eigentlich alles“ in Europa produziert. Aber speziell für die Solarsparte seien die USA interessant. „Wir haben dort jetzt begonnen ein Team aufzubauen, das Produkte für den lokalen Markt entwickelt.“ Fronius will auch „eine kleine Fertigung“ nahe Chicago starten. „Das ist aber kein Auslagern, sondern ein Add-on“, betont sie, man wolle in den USA für den amerikanischen Markt fertigen. In China hingegen sehe sie am PV-Markt keine Chance, hier ist Fronius aber mit einer Schweißtechnik-Tochter aktiv.

Fachkräfte gesucht

Auch mit dem Personalmangel hat das Untenrehmen zu kämpfen. „Wir haben heuer schon über 1.000 Leute aufgenommen“, weitere werden gesucht. Von der für 2023 angekündigten Personalaufstockung um 1.300 Mitarbeitende würden noch rund 160 fehlen, vor allem im Bereich F&E. Die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung ist für die Firmenchefin daher eine „Themenverfehlung“. Dem Wunsch nach mehr Work-Life-Balance komme man aber mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und einem Betriebskindergarten entgegen.

Um Frauen raus aus der Teilzeit zu bekommen, sieht sie auch die Notwendigkeit, an tradierten Rollenbildern zu arbeiten, „weil es bei uns noch immer ganz stark verankert ist: Berufstätige Frauen sind nicht gerade die besten Mütter. Und ich glaube, es ist nicht gut, wenn jede Frau, die berufstätig ist, immer irgendwie ein schlechtes Gewissen hat.“

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Das oberösterreichische Technologieunternehmen Fronius mit Sitz in Pettenbach (Bezirk Kirchdorf), das 1945 vom Großvater der heutigen CEO als Ein-Mann-Betrieb gegründet worden war, hat 2022 ca. 1,2 Mrd. (2021: 995 Mio.) Euro umgesetzt und beschäftigt aktuell rund 8.000 Mitarbeiter. Das Geschäft stützt sich auf drei recht ungleich große Pfeiler: Der Solarbereich macht etwa 63 Prozent aus, die Schweißtechnik ein Drittel und der Batterieladebereich rund 5 Prozent.

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