Fragen und Antworten zum Aktiencrash in China

Fragen und Antworten zum Aktiencrash in China
Pekings staatliche Eingriffe verunsichern die Anleger noch mehr – weltweite Verkaufswelle.

Nach nur 29 Minuten war der böse Spuk vorbei: Kurz nach Börsenstart in Schanghai und Shenzhen wurde der Aktienhandel am Donnerstag für 15 Minuten unterbrochen, um den panischen Anlegern eine Nachdenkpause zu verschaffen. Die Kurse waren in kürzester Zeit um fünf Prozent eingebrochen. Nach der Wiederaufnahme ging es weiter rapide nach unten. Bei minus sieben Prozent war Schluss (der KURIER berichtete). Der neue Automatismus stoppte, wie schon am Montag, den Handel für den restlichen Tag.

Hängen die Weltkonjunktur und die Aktienmärkte am chinaseidenen Faden? Der KURIER hat die wichtigsten Fragen zusammengestellt.

Wie haben die anderen Börsen reagiert?

Anders als in China hatten Anleger in der restlichen Welt reichlich Zeit, auf den neuerlichen Crash zu reagieren. Verkaufswellen drückten die Börsenbarometer tief in die Verlustzone. Wien zählte mit 4,4 Prozent Minus zu den größten Verlierern.

Warum gab es schon wieder einen Crash?

Das Problem ist, dass die Chinesen viel Vertrauen verloren haben, dass die Politik alles richten kann. "Chinas Börse ist kaputt. Die wirtschaftspolitische Kompetenz der Regierung ist durch die wiederkehrenden Börsenabstürze nun unwiderruflich beschädigt", stellt Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator Institute for China Studies in Berlin, fest.

Wie greift der Staat bei der Börse ein?

Seit Silvester wird bei sieben Prozent Verlusten der Handelstag für beendet erklärt. Ab heute soll diese Notbremse vorläufig nicht eingesetzt werden. Großinvestoren war es jetzt ein halbes Jahr lang verboten, Aktien zu verkaufen. Künftig dürfen sie nur alle drei Monate maximal ein Prozent der Anteile eines Unternehmens verkaufen. Zudem muss der Verkauf 15 Handelstage vorher angekündigt werden.

Leitet das China-Beben eine Finanzkrise ein?

Für den US-Investor George Soros fühlt sich das zumindest so an. Die Abwertung des Yuan sorge für Probleme im Rest der Welt. Laut der Finanzagentur Bloomberg wurden in den ersten drei Handelstagen des heurigen Börsenjahres 2,5 Billionen Dollar an Wert vernichtet. Am Donnerstag ging es in der Tonart weiter. Fakt ist allerdings, dass sich vor allem im ersten Halbjahr 2015 an den chinesischen Festland-Börsen eine enorme Kursblase gebildet hatte, die schrumpfen musste. Mit der Entwicklung der Realwirtschaft hat die Börsenentwicklung praktisch nichts zu tun.

Fragen und Antworten zum Aktiencrash in China

Wie ist es dann wirklich um die chinesische Wirtschaft bestellt?

Nach den offiziellen Zahlen ist China erstaunlich gut durch die Wirtschaftskrise des Jahres 2009 gekommen und zeigt seither zwar schrumpfende, aber doch robuste Wachstumszahlen (siehe Grafik unten). China könnte allerdings durchaus unter einem "VW-Effekt" leiden. Die Kommunen (wie VW-Mitarbeiter) melden Wunderzahlen, um die Zentrale in Peking (bzw. Wolfburg bei VW) zufriedenzustellen. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass diese Daten mit der Realität wenig zu tun haben. Die Eisenerz-Importe Chinas seien bereits seit 2014 rückläufig, sagt WIFO-Experte Marcus Scheiblecker. Das sei ein Indikator dafür, dass das Wachstum schwächer ist als offiziell angegeben.

Warum kann es dem Rest der Welt nicht egal sein, wie es China geht?China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft und hat nach der Krise den mit Abstand größten Beitrag zum weltweiten Wachstum geliefert. Schwächen sich die chinesischen Investitionen einen Prozentpunkt ab, senkt das laut IWF die globale Prognose um 0,1 Prozentpunkte. Ein Schwächeln würde fast jeden treffen: Russland, Brasilien, Argentinien und die arabischen Staaten als Rohstofflieferanten, asiatische Länder wie Vietnam oder Malaysia durch die engen Handelsbeziehungen und viele Staaten Afrikas, weil China dort der größte Investor ist. Japan und die EU müssten sich auf geringere Exporte einstellen: "In Europa wäre Deutschland von einer harten Landung am stärksten betroffen", sagt Sandra Grabenweger-Straka, Executive Director bei Goldman Sachs Asset Management.

Wie will China künftig wachsen?

Der bisherige Boom war getrieben von der Industrie, von Billig-Exporten und gewaltigen Investitionen. Das ließ die Schulden chinesischer Unternehmen explodieren und hat vielerorts die Umwelt verpestet. Künftig soll das Wachstum solider sein und von Dienstleistungen und dem Konsum der chinesischen Mittelschicht getragen werden. "Dienstleistungen machen 50 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Vor zehn Jahren waren es nur 40 Prozent", sagt Grabenweger-Straka. Der Wandel passiert also, aber nicht von heute auf morgen. Die Regierung in Peking versucht das Wachstum so zu steuern, dass kein harter Aufprall droht.

Welche Rolle spielen die Währungsreserven?Die hohen Exportüberschüsse der Vergangenheit hatten auch ihr Gutes: China hat gewaltige Währungsreserven von umgerechnet 3100 Milliarden Euro angehäuft. Damit lassen sich viele Turbulenzen durch staatliches Gegensteuern abfedern. Allerdings war dieses "Pflaster" noch vor einem Jahr um 473 Milliarden Euro größer. Stützungskäufe nach dem Börsencrash von Sommer 2015 und zur Stabilisierung der Währung Yuan ließen die Reserven dahinschmelzen.

Auch auf diesem Weg drohen Folgen für die USA und Europa: Bisher war China der größte Aufkäufer von Staatsanleihen – hat also dem Westen praktisch das Schuldenmachen finanziert. Das könnte sich künftig ändern. Die Kreditaufnahme für Staaten könnte empfindlich teurer werden.

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