Flughafen Wien: Hoffen auf die Billig-Airlines
Geschätzte 1,5 Millionen Passagiere könnte der Flughafen Wien durch das Downgrading von NIKI verlieren. Die von Niki Lauda gegründete Billigfluggesellschaft wird auf einen reinen Ferienflieger reduziert und nur noch mit fünf statt bisher 19 Flugzeugen starten. Alles im Rahmen der Sanierung der schwer defizitären Muttergesellschaft Air Berlin.
Eine gute Chance für die Lufthansa mit ihren Töchtern AUA und Eurowings, ihren Marktanteil in Wien von derzeit knapp 57 Prozent (siehe Grafik) weiter zu erhöhen. Eurowings wird die Zahl der Flieger auf sechs verdoppeln, die AUA bekommt fünf jener 38 Maschinen dazu, welche die Lufthansa samt Crews von Air Berlin anmietet.
Wachstumstreiber
Ganz so komfortabel wird es für Lufthansa & Co. allerdings nicht. Europas große Billig-Airlines beobachten die Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich ganz genau. Jetzt schon sind die Low-Coster die Wachstumstreiber, im Vorjahr beförderten sie insgesamt mehr als 800.000 Passagiere zusätzlich von und nach Wien.
Brexit
Der Low-Cost-Konkurrent easyJet könnte dem Lufthansa-Konzern einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Wien ist für die britische Airline, die mit ihren rund 300 Maschinen Punkt-zu-Punkt-Verkehr fliegt und hinter Ryanair die Nummer zwei unter Europas Billig-Carriern ist, aus zwei Gründen besonders interessant. Nicht nur wegen der Lücke, die sich durch die Redimensionierung von NIKI auftut. Die Airline braucht einen Standort innerhalb der EU, Stichwort Brexit. Sobald die Briten nämlich aus der EU draußen sind, verlieren die dortigen Airlines ihre Flugrechte innerhalb der Europäischen Union. Daher lässt easyJet-Chefin Dame Carolyn McCall Standorte im EU-Raum sondieren. Der börsenotierten easyJet setzt außerdem der Verfall des britischen Pfund kräftig zu, die Airline schockte die Anleger mit einer Gewinnwarnung.
Mit dem Verkehrsministerium und der Flugbehörde Austro Control laufen schon seit Längerem Gespräche. Etwa 160 Flugzeuge sind außerhalb Englands im Einsatz. Gewinnt Wien das Rennen, würden die Flugzeuge in Österreich angemeldet. Womit die Briten dann auf dem Papier die größte Airline in Österreich wären.
Head-Office
Die meisten Maschinen würden freilich nicht in Wien stationiert werden, sondern innerhalb der EU verteilt bleiben. Das Head-Office für den Kontinentalverkehr würde aber vermutlich in Österreich angesiedelt werden.
"Wir sind immer noch mit einer Reihe von Ländern im Gespräch und machen gute Fortschritte auf dem Weg zu unserer endgültigen Entscheidung", sagt Thomas Haagensen, Chef von easyJet Deutschland, gegenüber dem KURIER. Die Zusammenarbeit mit dem Flughafen Wien sei gut, "wir sind zufrieden mit unserem Geschäftsbetrieb dort".
In Wien rangierte easyJet im Vorjahr bereits hinter der Lufthansa-Gruppe und Air Berlin/NIKI. Die Zahl der Passagiere verdoppelte sich beinahe auf mehr als 628.000 Fluggäste.
Branchen-Gigant
Durchaus möglich, dass auch der Branchen-Gigant Ryanair, der im Vorjahr mit 117 Millionen Passagieren erstmals am Erzrivalen Lufthansa (knapp 110 Millionen) vorbeizog, endlich doch in Wien andockt. Bisherige Startversuche der Iren waren immer daran gescheitert, dass Ryanair die Gebühren in Wien zu hoch waren.
Das hat sich geändert. Lufthansa-Vorstand und AUA-Aufsichtsratspräsident Harry Hohmeister strich Wien kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung unter den Lufthansa-Hubs heraus. Frankfurt seit ohnehin viel zu teuer, München um 20 Prozent günstiger und Wien noch billiger. Am noch kostengünstigeren Flughafen Bratislava, eine knappe Fahrstunde von Wien, expandiert Ryanair seit Längerem kräftig.
Budapest
Ebenfalls Interesse in Wien zu landen wird in der Luftfahrtbranche der Wizz Air nachgesagt, die bereits vorgefühlt haben soll. Die in Budapest stationierte Airline ist mit 74 Flugzeugen der größte Billig-Anbieter in Osteuropa. Regionalpolitisch wäre Wien als neue Destination also geradezu ideal.
Der streitlustige Ryanair-Boss Michael O’Leary schießt nach wie vor scharf gegen den Deal zwischen Air Berlin/NIKI und Lufthansa. "Es ist ein Witz", höhnte O’Leary. Die Lufthansa zerschlage Air Berlin "unter dem Feigenblatt eines Miet-Deals und kauft so ihren einzigen einheimischen Rivalen". Auch der deutsche Rivale Condor will den Deal nicht akzeptieren.
Dass die Konkurrenz wettert, ist schon klar. Interessant ist, wie die Wettbewerbsbehörden die Kooperation beurteilen.
Das deutsche Bundeskartellamt hat die Vereinbarung bereits durchgewunken. Ebenso die EU-Kommission.
Flugzeuge sollen für eine Airline keine wesentlichen Betriebsmittel sein. Ein bemerkenswerter Standpunkt. Was dann sind die wichtigsten Betriebsmittel einer Airline?
Monopole
Theodor Thanner, Chef der heimischen Bundeswettbewerbsbehörde BWB, kann das jedenfalls nicht nachvollziehen. Man werde "den Markt sehr genau beobachten. Insbesondere die Strecken, wo Monopole entstehen", sagte Thanner im Gespräch mit dem KURIER. Konkret meint der oberste Wettbewerbshüter die Destinationen Brüssel und Zürich, "sowie einige weitere Strecken".
Der neue Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann dürfte übrigens selbst auch nicht so ganz an das Überleben des Unternehmens glauben. Der vormalige Lufthansa-Manager, der die Eurowings-Vorgängergesellschaft Germanwings pilotiert hatte, soll vor seinem Amtsantritt vor wenigen Tagen eine Bankgarantie verlangt haben. Um die Auszahlung seines Gehaltes abzusichern.
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