Flaute am Bau: Teurer Dominoeffekt der neuen Kreditregeln
Vom Baumeister bis zum Fertighaushersteller, vom Immobilienmakler bis zum Projektentwickler läuten die Alarmglocken. Ab dem zweiten Halbjahr 2022 ist das Neukreditgeschäft der Banken massiv eingebrochen, beklagen Bau- wie Immobilienwirtschaft eine heftige Flaute.
Besserung ist jedoch nicht in Sicht, die Situation verschlimmert sich eher noch, sagt Michael Klien vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) mit Blick auf die Daten aus dem ersten Quartal.
War das Kreditgeschäft für private Wohnimmobilien zu Jahresbeginn um 50 Prozent rückläufig, so brach es im März im Vorjahresvergleich um zwei Drittel ein.
Wie viele andere Experten macht auch Klien in erster Linie die kräftig gestiegenen Zinsen für die Situation verantwortlich, mit der die EZB auf die hohe Inflation reagiert hat – und weiter kontern will. Aber, so Klien: „Die strengeren Kreditregeln haben da einen deutlichen Zusatzeffekt gehabt.“
So kam es auch zu dem laut Klien „unzweifelhaften Dominoeffekt“ auf viele andere Branchen außerhalb der engeren Bankenlandschaft. Der Experte sagt: „Der Wohnungsneubau leidet massiv und es gibt Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt.“
Die Befürworter der strengeren Kreditvergaberegeln wie Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber wenden freilich ein, der nach vielen Boomjahren überhitzte Immobilienmarkt sehe derzeit eine „normale“ Preiskorrektur. Käufer und Verkäufer würden sich angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und insgesamt hohen Finanzierungskosten für Immobilen zurückhalten. Verpflichtende Kreditregeln seien deshalb nötig geworden, weil sich Banken nicht an die vormals freiwilligen Empfehlungen gehalten hätten.
Auch Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt spricht davon, dass man quasi die Notbremse ziehen habe müssen. Angesichts des ungewöhnlich hohen Anteils von variabel verzinsten Krediten in Österreich sei es das Ziel gewesen, bei steigenden Zinsen Risiko aus dem Markt zu nehmen. Badelt: „Es wäre doch höchst fahrlässig gewesen, nichts zu tun. In gewisser Weise musste man die Kreditnehmer vor sich selbst schützen.“
Anders als zuletzt die Chefs der Finanzmarktaufsicht FMA, signalisiert Nationalbank-Vize Haber dennoch Gesprächsbereitschaft über die Kreditregeln. Auch wenn er noch keinen akuten Änderungsbedarf nach ersten Lockerungen im April sieht, sagt er: „Es werden laufend alle Instrumente evaluiert.“
Das dürfte nicht nur die Banken freuen, die sich von der Finanz nach den Worten von Raiffeisenholding-Chef Michael Höllerer fast schon „besachwaltet“ fühlen.
Auch Konsumentenschützer Christian Prantner von der AK Wien begrüßt das. „Die Kernpunkte der Kreditverordnung sind grundvernünftig. Aber eine jährliche Evaluierung macht Sinn, das ermöglicht mehr Flexibilität.“
Im Kern gehe es ja um den schwierigen Spagat zwischen der Vermeidung einer Überschuldung von Kreditnehmern und ihrem Bedürfnis nach Wohnraum-Eigentum. Vor den verpflichtenden Kreditregeln betrug beispielsweise die monatliche Kreditrate bei rund jedem fünften Kredit schon mehr als 40 Prozent vom Nettoeinkommen. Jetzt darf die Kreditrate 40 Prozent nicht mehr übersteigen.
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