Finanzexperte Hüfner: "Es wird einen Krach geben"

Hüfner sieht düstere Zeiten für Anleger voraus
Der deutsche Ökonom Martin Hüfner verrät im KURIER-Interview, warum die Zinsverluste noch steigen und Börsen abstürzen werden

Der deutsche Wirtschafts- und Finanzexperte Martin Hüfner trifft mit seinen Aussagen oft ins Schwarze. In Anleger-Kreisen ist der frühere Chefvolkswirt der Bayerischen Vereinsbank, der HypoVereinsbank und Berater der in Salzburg ansässigen direktanlage.at (heute Hellobank) daher ein begehrter Vortragender. Der KURIER sprach mit ihm bei der Gewinn-Messe über Nullzinsen für Sparer und die Gefahr eines Börse-Crashs.

KURIER: Die jüngsten Veröffentlichungen über die Teuerung in Europa deuten auf stärker anziehende Preise hin. Ist die Zeit der nahezu Null-Inflation vorüber?

Martin Hüfner: Ja, die Inflation kommt zurück. Nicht so groß, wie wir sie früher einmal hatten. Aber die Ölpreise steigen, auch die Nahrungsmittelpreise ziehen an. Und die Konjunktur ist nicht schlecht, sodass höhere Kosten der Unternehmen auf die Preise überwälzt werden können. Ich denke, der Tiefpunkt der Inflation ist überwunden.

Können wir also zufrieden sein mit der Politik der Europäischen Zentralbank?

Vorsicht! Die Politiker sind zufrieden, die Volkswirte auch. Aber die Sparer sind in einer ganz blöden Situation. Sie zahlen höhere Preise und bekommen immer noch die tiefen Zinsen. Die Sparer werden also unzufrieden sein.

Warum steigen die Zinsen nicht gleichzeitig mit der höheren Teuerung?

Die Zinsen werden nicht so schnell steigen. Der Durchschnittsbürger steht also im nächsten Jahr im Hinblick auf die Preise schlechter da. Heuer war es noch nicht so schlimm. Wir hatten null Zinsen, aber auch null Inflation. Im nächsten Jahr werden wir weiter null Zinsen haben, aber höhere Inflation. Für die Sparer wird es also noch schlechter.

Damit wächst der Druck auf die EZB, die Zinsen zu erhöhen. Wann passiert das?

Ich glaube, dass das Wertpapier-Ankaufsprogramm der EZB vielleicht noch bis Juni 2017 dauert. Die Zinsen werden so lange nicht steigen, solange dieses Kaufprogramm nicht zurückgeführt ist. Das wird bestimmt bis 2018 dauern. Aber wenn die EZB keine Wertpapiere mehr kauft, steigen die Anleihezinsen. Ende 2017 haben wir bei festverzinslichen Anleihen wieder ein Prozent Zinsen.

Was raten Sie den Sparern in diesem Umfeld?

Der normale Sparer, der wenig Geld hat, bleibt in Spareinlagen und muss abwarten, bis die Zinsen höher werden. Der betuchtere geht in Anleihen. Aber ich wäre dabei vorsichtig. Denn die bringen zwar mehr Zinsen im nächsten Jahr, aber wenn die Zinsen weiter steigen, gibt es Kursverluste.

Wenn die Konjunktur besser läuft, sind Aktien eine Option ...

Ich wäre vorsichtig. Denn wir sind in einer dramatischen Umstrukturierung. Eigentlich ist die verrückte Welt der niedrigen Zinsen vorbei, diese Welt der Negativzinsen, in der Altersvorsorge kaum möglich ist. Aber diese Umstrukturierung wird Unruhe bringen. Wenn der EZB-Präsident sagt, er denkt, die expansive Geldpolitik geht zu Ende, werden die Märkte zusammenbrechen.

Mit Aktienkäufen also den nächsten Crash abwarten ...

Ja, wenn die Kurse abstürzen, ist eine gute Kaufgelegenheit. Vorher wäre ich ein bisschen vorsichtig. Ich weiß natürlich nicht, wann Herr Draghi das sagt. Es kann im Dezember sein, es kann aber auch im März oder April sein. Aktien haben die dumme Eigenschaft: Sie können im Kurs fallen, und da soll man nicht zum falschen Zeitpunkt investieren. Also: Sparkonten noch nicht auflösen und Aktien noch nicht kaufen.

Glauben Sie wirklich, dass wir bald wieder in "normale Zins-Zeiten" kommen?

Ja, wir kommen in eine bessere Welt, in der sich Altersvorsorge wieder auszahlt, in der es Zinsen gibt, in der man für Kredite wieder etwas bezahlen muss. Aber wir werden zuerst den Schock der Unsicherheit erleben. Es wird einen Krach geben. All das ist aber ein Zeichen, dass wir aus der großen Krise, in der wir seit 2008 leben, allmählich herauskommen.

Sie rechnen mit einem Börsenkrach. Erwarten Sie auch einen Immobilien-Krach?

Ja, auch an den Immobilienmärkten wird es bei steigenden Zinsen krachen. Wir haben ja überhitzte Märkte überall. Die Aktienkurse sind zu hoch, die Immobilienpreise sind zu hoch. Insofern werden die meisten sagen: Eigentlich, wenn ich nicht selbst davon betroffen bin, ist das gut, wenn die Immo-Preise fallen.

Wir haben über steigende Preise gesprochen. Wird die Teuerung in frühere Höhen gehen?

Wir leben in einer alternden Gesellschaft, da wächst die Wirtschaft nicht mehr so stark, da gibt es nicht mehr die Überhitzungen, die wir früher hatten mit fünf, sechs Prozent Inflation. Wir werden also lange in einer Phase langsamen Wachstums sein, und da hoffen wir, dass sich die Inflation in Grenzen hält. Die Inflation wird nicht auf vier oder fünf Prozent steigen. Wir kommen auch nicht auf die alten Zinsen zurück.

Kann die Digitalisierung einen Wachstumsschub bringen?

Das ist eine spannende Frage: Wir erleben einen ungeheuren technischen Fortschritt, aber kaum Wachstum. Wir Ökonomen müssen uns fragen, ob unsere Messmethode stimmt. Apps sind oft gratis und scheinen daher nicht in der Statistik auf.

Der angesehene deutsche Ökonom Martin Hüfner (74) hat zu Beginn seiner Laufbahn als Journalist bei der Mainzer Allgemeinen Zeitung gearbeitet, bevor er Volkswirtschaft in Paris und München studierte. Bei der Bayerischen Vereinsbank und anschließend bei der HypoVereinsbank (heute UniCredit) war er Chefvolkswirt. Seit 2009 arbeitet er für die Vermögensverwaltung Assenagon. Hüfner ist Autor einer Reihe von Büchern z.B. „Geldfallen“) und begehrter Vortragender.

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