Federal Reserve: Mythen von Macht und Milliarden

Federal Reserve: Mythen von Macht und Milliarden
Um die einflussreichen US-Notenbanker ranken sich etliche Verschwörungstheorien

Es gibt viel ältere Notenbanken als jene der USA – wie die „privilegierte Oesterreichische National-Bank“, gegründet 1816 von Kaiser Franz I. Oder die Sveriges Riksbank (Schwedische Reichsbank) von 1668, die älteste noch bestehende Zentralbank. Keine Notenbank ist freilich so mächtig wie die Federal Reserve der USA (kurz Fed). Und kein anderes Institut beflügelt die Fantasie mehr. Um die Fed, die am 23. Dezember 100. Geburtstag feiert, ranken sich Mythen und Verschwörungstheorien – manche haben einen wahren Kern, vieles ist einfach skurril. Zum Schmunzeln bringen sie Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny trotzdem nicht: „Verschwörungstheorien sind meist nicht nur wissenschaftlich falsch, sondern beinhalten auch Gefahren und verunsichern die Bevölkerung.“ Der KURIER unterzieht einige einem Fakten-Check.

Wurde die Fed bei einem geheimen Treffen von Bankern gegründet?

Jekyll Island, eine Mini-Insel vor der Küste Georgias: Seit 1888 treffen Millionäre einander im Clubhaus zur Entenjagd. 1910 tagt hier eine Runde, die dafür keine Zeit hat: New Yorker Banker (wie der aus Deutschland stammende Paul Warburg) schreiben mit Senator Nelson Aldrich an der Blaupause für neue Bankengesetze. Das Treffen gab es tatsächlich. Geheim war es, weil Banker ein ähnlich schlechtes Image genossen wie heute. Ein offensichtlich von ihnen diktiertes Gesetz war völlig chancenlos. Der Kongress lehnte den „Aldrich-Plan“ aber trotz der Geheimniskrämerei ab. Stattdessen unterzeichnete Präsident Woodrow Wilson 1913 den Fed-Vertrag.

Sicherten sich die Banker über das Geldkartell der Fed Macht und Einfluss?

Die Banken waren an stabileren Verhältnissen interessiert, wollten aber nicht zu viel Kontrolle zulassen. Vor dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 gab es fast keine Regeln für Banken. Gefälschte Schuldscheine und panische Sparer standen auf der Tagesordnung.

Die Wall-Street-Panik von 1907 gab den Anstoß zur Fed-Gründung. Tausende Banken kollabierten – bis der unfassbar reiche Unternehmer und Bankier John Pierpont (J. P.) Morgan die Privatschatulle öffnete, um New Yorks (heute würde man sagen) Systembanken aus der Patsche zu helfen. So entstand der Ruf nach einem öffentlichen Kreditgeber der letzten Hand, der Banken Notfallkredite bereitstellen kann.

Hat J. P. Morgan die Fed erfunden und die Panik von 1907 selbst ausgelöst?

Sicher falsch. „Es gab Vorläufer schon in der Gründungsphase der Vereinigten Staaten“, sagt der Wiener Wirtschaftshistoriker Herbert Matis. So gründete der erste US-Finanzminister Alexander Hamilton 1790 die First Bank und wollte sie als Zentralbank nach britischem Vorbild etablieren. Was an politischen Grabenkämpfen scheiterte. Einheitliche US-Dollar-Scheine gab es übrigens schon vor der Fed – seit 1864.

Gehört und gehorcht die Fed den großen Wall-Street-Banken?

Darin steckt ein Korn Wahrheit. Die Fed gehört tatsächlich den großen US-Banken. Jedes Mitglied im Fed-Systems muss Aktien seiner regionalen Reserve-Bank zeichnen. So außergewöhnlich ist das nicht: Auch an der OeNB waren bis 2010 heimische Banken beteiligt. Rein privat ist die Fed aber nicht – sie steht unter politischer Kontrolle und ist dem Kongress verantwortlich. Zu behaupten, die Finanzindustrie habe gar keinen Einfluss auf die Fed, wäre freilich weltfremd. Viele Führungskräfte kommen aus der oder wechseln in die Wall Street. Gerade im Internet geht mit vielen Verschwörungstheoretikern die Fantasie durch – vieles davon ist antisemitisch motiviert. Ja, Banker mit jüdischer Herkunft waren und sind im Investmentgeschäft erfolgreich. Das waren nicht minder mächtige Bankiers wie J. P. Morgan, George F. Baker (Citibank) oder Industrielle wie Rockefeller und Getty – allesamt angelsächsische Protestanten – aber auch.

Hat die Fed die Depression der 1930er und die aktuelle Finanzkrise verursacht?

Umgekehrt: Fast immer führten Bankpleiten oder Währungskrisen zur Gründung unabhängiger Zentralbanken – in Österreich der Finanzkrach 1811, sagt Matis. Die Fed hat die Große Depression der 1930er nicht verursacht, aber bei der Bekämpfung versagt. Aus ideologischen Gründen fuhr sie einen strikten Kurs, statt (wie heute) gegen den Einbruch der Wirtschaft und die Deflation die Geldschleusen zu öffnen. Dabei macht die Dosis das Gift: Ex-Fed-Chef Greenspan trifft Mitverantwortung für die jüngste Krise: Seine Niedrigzinspolitik pumpte viel billiges Geld in Immobilien und blies eine Spekulationsblase auf. „Zentralbanken können Finanzkrisen zwar nicht zur Gänze verhindern, jedoch deren Auswirkungen eindämmen“, sagt OeNB-Chef Ewald Nowotny.

Ließ die Fed John F. Kennedy ermorden?

Darf in keiner Verschwörungstheorie fehlen. Die These: Der Präsident wollte die Fed mit der ominösen Verordnung 11.110 entmachten und ihr so das Privileg, Silberzertifikate auszustellen, entziehen – deshalb musste er sterben. Ein Missverständnis: In Wahrheit bezweckten die Dokumente das Gegenteil.

Läuft der Fed-Vertrag aus, damit die USA ihre Schulden nicht zahlen müssen?

Der Fed-Vertrag war auf 50 Jahre befristet und wurde 1963 verlängert. Verschwörungstheoretiker wittern, dass er nun am 23. Dezember nach 100 Jahren ausläuft: Die USA wollten den Dollar abschaffen, eine neue Währung gründen und sich so ihrer Schulden entledigen. Was keine ganz so triviale Aktion wäre. Die Bestellung von Janet Yellen als neue Fed-Chefin wäre dann auch sinnlos. Gut ist: Den Wahrheitsgehalt kennen wir schon morgen. Gibt es die Fed und den Dollar noch – dann war die These falsch.

Die Präsidenten

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Der wahrlich große Beharrliche

„Der Triumph der Beharrlichkeit“ heißt eine Biografie, die zu seinem 85. Geburtstag erschien. Jetzt, ein gutes Jahr später, hat sich Paul Volcker wieder einmal durchgesetzt. Die nach ihm benannte „Volcker Rule“ verbietet Banken das Spekulieren auf eigene Rechnung. Ein guter Fang für den passionierten Hobby-Fischer. Der große Ökonom (er misst 2,02 Meter) arbeitete Jahrzehnte für die US-Regierung, bevor er 1979 Notenbank-Boss wurde. Mit radikalen Zinserhöhungen – auf bis zu 20 Prozent – kämpfte er gegen die ausufernde Inflation. Mit Erfolg, aber um den Preis einer Rezession.

Der kryptische Krisen-Stratege

Verschlungene, genuschelte Sätze waren sein Markenzeichen: Mit oft nebulösen Formulierungen („Greenspeak“) bewegte Alan Greenspan (87) die Finanzmärkte. Seine zweite Frau soll den Heiratsantrag erst beim zweiten Mal verstanden haben, wird erzählt. Fast 19 Jahre lang gab der Hobby-Jazzer in der US-Geldpolitik den Ton an. Geschickt dirigierte er die USA durch etliche Krisen. Zuletzt wurde Kritik laut: Seiner Politik des billigen Geldes wird Mitschuld für die Preisblase am Immobilien- und Aktienmarkt gegeben, die die Finanzkrise auslöste.

Der schüchterne Top-Ökonom

Dass er sich in seiner akademischen Karriere mit der Großen Depression der 30er-Jahre beschäftigte, war wie eine Vorbereitung. Fast die ganze Amtszeit schlug sich Ben Bernanke (60) mit Krisen herum. Mit Zinsen nahe Null und massiven Geldspritzen führte er die USA aus der Rezession. Notfalls könne man Dollar aus dem Hubschrauber abwerfen, erklärte er einst: Der Spitzname „Helikopter-Ben“ war geboren. Bernanke gilt als zurückhaltend, fast schüchtern. Statt auf Partys zu tigern hilft er lieber seiner Frau beim Abwasch und löst Kreuzworträtsel, heißt es.

Die kleine Lady mit dem großen IQ

Debatten mit ihr könne man nur verlieren, ihre Argumente seien stets bombenfest, wird über sie erzählt. Eine kleine Lady mit großem IQ, heißt es in Washington voller Respekt. Trotz ihrer zurückhaltenden Art wird ihr Führungsstärke attestiert. Die Ökonomin Janet Yellen (67) wird ab Anfang Februar die erste Frau an der Fed-Spitze sein. Seit 2010 war sie die Nummer zwei hinter Bernanke und hat die Ankurbelung der Konjunktur immer unterstützt. Manchmal soll sie sogar für noch stärkere Maßnahmen eingetreten sein: Der Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit liegt ihr besonders am Herzen.


KURIER: Die Federal Reserve, kurz Fed, wurde in Reaktion auf eine Bankenpanik gegründet. Können Zentralbanken denn überhaupt Finanzkrisen verhindern?

Ewald Nowotny: Zentralbanken können Finanzkrisen zwar nicht zur Gänze verhindern, aber ihre Auswirkungen eindämmen. Auch bei der Bewältigung der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Notenbanken dieser Aufgabe wieder nachgekommen. Beispielsweise konnte durch die konzertierte Senkung der Leitzinsen unmittelbar nach dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers das Schlimmste verhindert werden. Im weiteren Verlauf der Krisen waren die Notenbankmaßnahmen entscheidend für die Abschwächung der negativen Auswirkungen. Die Europäische Zentralbank hat ihr Instrumentarium erweitert und auch die sogenannten unkonventionellen Maßnahmen eingeführt, mittels derer schnell Liquidität zur Verfügung gestellt wurde.

KURIER: Kann die EZB von der Fed etwas lernen? Sollte sie auch nicht nur stabile Preise, sondern zugleich den Arbeitsmarkt im Blick haben?

Nowotny: Die EZB hat nach dem EU-Vertrag primär das Ziel der Preisstabilität zu verfolgen. Dabei wird Preisstabilität definiert als eine Inflationsrate nicht über, aber knapp bei 2 Prozent. Es sollen sowohl Inflation, aber auch Deflation vermieden werden. Bei Erreichen des Ziels der Preisstabilität ist die EZB angehalten, auch zu den „anderen Zielsetzungen“ der EU, und damit speziell zu Wachstum und Beschäftigung, beizutragen.

KURIER: Worin liegen die größten Unterschiede zwischen EZB und Fed?

Nowotny: Der größte Unterschied liegt darin, dass die EZB im Gegensatz zur Fed ein primäres Ziel – Preisstabilität – verfolgt. Die Fed hingegen verfolgt mehrere gleichberechtigte Ziele: Hoher Beschäftigungsstand, stabile Preise und moderate langfristige Zinsen.

KURIER: Wie würden Sie die drei „jüngsten“ Fed-Chefs Paul Volcker, Alan Greenspan und Ben Bernanke mit jeweils drei Worten charakterisieren?

Nowotny: Paul Volcker - mutig, bedeutend, risikofreudig. Alan Greenspan - eine Legende, hat durch überzogenes Vertrauen in die Märkte und zu starke Deregulierung eine Krisenanfälligkeit der Finanzwirtschaft zugelassen. Ben Bernanke - pragmatisch, erfolgreich, ungewöhnliche Ideen.

KURIER: Worauf muss Janet Yellen, die ab Februar 2014 neue Fed-Chefin sein wird, besonders achten?

Nowotny: Die große Herausforderung für Janet Yellen wird es sein, den Ausstieg aus den milliardenschweren Anleihekäufen so zu gestalten, dass dabei die Konjunktur nicht beeinträchtigt wird. Aufgrund ihrer großen ökonomischen Expertise und langjährigen Erfahrung in der Notenbank ist davon auszugehen, dass sie ihrer Aufgabe als Notenbankchefin bestmöglich nachkommen wird.

KURIER: Rund um die Fed ranken sich viele skurrile Verschwörungstheorien. Gibt es darunter etwas, das Sie schmunzeln lässt?

Nowotny: Verschwörungstheorien sind meist nicht nur wissenschaftlich falsch, sondern beinhalten auch Gefahren und verunsichern die Bevölkerung. Aus diesem Grund kann ich darüber nicht schmunzeln.

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