Falsche Zahlen: Schelling will EU-Strafe runterhandeln

Wegen Salzburg musste Österreich die Schulden 2012 um 1,2 Mrd. Euro nach oben revidieren
30-Millionen-Euro-Buße: "Kriminelle Energie" war an Missständen schuld, von EU zu wenig berücksichtigt.

29,8 Millionen Euro wegen falscher Schuldenangaben des Landes Salzburg: Finanzminister Hans Jörg Schelling hofft, die Geldstrafe, die die EU-Kommission gegen Österreich verhängt hat, abwenden oder zumindest verringern zu können. Beschließen muss diese der Rat seiner 27 EU-Finanzministerkollegen.

Österreich hat dabei klarerweise kein Stimmrecht, aber Schelling hofft, mit dem Argument Gehör zu finden, dass "kriminelle Energie" zu den Missständen geführt habe. Das sei "nicht ausreichend gewürdigt worden", sagte der Minister am Donnerstag zu Journalisten.

Aber wer ist für die verspätete Statistikkorrektur rund um den Salzburger Finanzskandal verantwortlich? Das entwickelte sich am Donnerstag zum Pingpong zwischen dem Land Salzburg und der Statistik Austria.

Strafe ist "nicht hoch"

Die Fakten: Im Dezember 2012 flog der Skandal wegen hoher Spekulationsverluste auf. Das Land Salzburg behauptet, es habe im Mai 2013 korrigierte Schuldenangaben an die Statistik Austria gemeldet. Diese habe sie aber erst im März 2014 an die EU-Behörde Eurostat weitergeleitet. Stimmt nicht, kontern Österreichs Statistiker: Die Salzburger Daten von Mai 2013 seien alles andere als korrekt und vollständig gewesen.So oder so: Die EU-Kommission will Österreich deswegen jedenfalls 29,8 Millionen Euro aufbrummen.

Die Strafen für falsche Finanzstatistiken wurden 2011 als Lehre aus der Griechenland-Krise eingeführt (zum Gesetzestext). Österreich ist erst der zweite "Sünder" – zuvor hatte es nur Spanien getroffen, weil Valencia unkorrekte Daten geliefert hatte. Damals wurden rund 20 Millionen Euro "bezahlt und damit war der Fall für uns erledigt", sagte Marc Fähndrich, wirtschaftspolitischer Berater der EU-Kommission, am Donnerstag in Wien.

Die Strafe für Österreich sei im übrigen "nicht hoch". Die EU-Kommission habe den Referenzwert (119,2 Mio. Euro), der sich an der Schadenshöhe orientiert, nur zu einem Viertel ausgeschöpft. Als mildernd wurde gewertet, dass Österreich kooperiert habe und es sonst keinen Anlass für Zweifel an den Statistiken gebe. Als Maximalstrafe wären sogar 700 Millionen Euro (0,2 Prozent des BIP) möglich gewesen.

Zahlen müsste die Strafe die Republik, sie könnte sich aber an Salzburg schadlos halten. Oder eine Klage dagegen einbringen. Das ließ Schelling vorerst noch offen.

Anstieg der Mieten

Der Länderbericht, den die EU-Kommission jedes Jahr vorlegt, fiel heuer positiv aus. Österreich ist eines von 15 EU-Ländern, die keine wirtschaftlichen Ungleichgewichte aufweisen. Das Budget sei "grob im Rahmen", die Steuerreform habe das Wachstum beschleunigt. Kritisch gesehen werden hingegen die hohen Gesundheits- und Pensionskosten.

Noch eine Warnung lässt aufhorchen: Die Mieten könnten kräftig steigen, was die Haushaltseinkommen belasten würde. In keinem anderen EU-Land seien die Immobilienpreise seit 2008 so eklatant gestiegen wie in Österreich – "stärker als Einkommen, Mieten und Inflation", sagte Fähndrich. Bisher schlug das kaum auf Mieten durch, weil Hauseigentümer mit zwei bis drei Prozent Rendite zufrieden seien. Was sich ändern werde, wenn die Zinsen steigen und andere Anlageformen mehr Gewinn abwerfen.

Budgetdisziplin und exakte Zahlen sind wichtig, keine Frage. Die Griechen hatten sich mit falschen Statistiken in die Eurozone hineingetrickst – die Folgen sind bekannt. Der Vorwurf, dass die Schuldenangaben eines Landes nicht stimmen, wiegt also schwer.

Aber 30 Millionen Euro Strafe? Das ist deftig. Und es klingt leicht süffisant, wenn die Kommission betont, dass gerade Österreich (mit Deutschland) besonders viel Wert darauf gelegt habe, dass es Strafen für solche Vergehen gibt.

Wobei: Das Sittenbild, das der Bericht von den Verhältnissen zeichnet, fällt nicht gerade sehr vorteilhaft aus. Das Land Salzburg ist mit den Zahlen tatsächlich sehr schludrig umgegangen. Und die Statistik Austria hätte früher an die Eurostat-Kollegen melden können (und sollen), dass etwas im Argen liegt.

Die Strafe mag schon gerechtfertigt sein. Ein Land kann sich schließlich nicht zum Moralapostel emporschwingen, aber beleidigt sein, sobald es selbst betroffen ist. Und trotzdem darf man Einwände formulieren: Sollte das wirklich der gravierendste Fehler in den Budgets aller 28 EU-Länder sein? Dann müssten die anderen Statistiken wahrlich blitzsauber sein.

Die Strafhöhe ist auch deshalb überzogen, weil Österreich nicht bewusst getrickst hat. Und weil der Fehler letztlich keine Auswirkungen hatte: Die Finanzen sind dadurch nicht in Schieflage geraten, sie haben das Defizitverfahren der EU gegen Österreich nicht beeinflusst, räumen selbst die EU-Experten ein.

Finanzminister Schelling möge also Verhandlungsgeschick beweisen und die Strafe kräftig drücken. Und künftig penibel drauf achten, dass große Länder ebenso kritisch behandelt werden. Strafe muss sein – für alle gleich.

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