Fairtrade boomt – am Schokoladenmarkt ist dennoch viel im Argen

Trotz sinkender Haushaltsbudgets haben die Österreicher im Vorjahr mehr Geld für – tendenziell höherpreisige – Fairtrade-Ware ausgegeben. Die Umsätze unter dem Siegel sind um 22 Prozent auf 592 Millionen Euro gestiegen. Am meisten haben die Österreicher demnach für Schokolade und Süßwaren unter dem Fairtradesiegel ausgegeben (60 Prozent Umsatzanteil, gefolgt von Bananen und Kaffee mit einem Anteil von jeweils 13 Prozent). Mit Respektabstand folgen Rosen, Baumwolle und diverse Getränke (jeweils rund drei Prozent).
„Die Preise unserer Produkte sind laut ACNielsen oft auch weniger stark gestiegen als bei konventioneller Ware“, sagt Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner.
So hätten die Preise für Fairtrade-Röstkaffee binnen Jahresfrist um 9,2 Prozent angezogen, bei konventioneller Ware habe das Plus 15,6 Prozent betragen. Bei Tafelschokolade seien die Preise nahezu stabil geblieben (+0,2 Prozent), bei Nicht-Fairtrade-zertifizierter Ware um 2,8 Prozent gestiegen.

Fairtrade-Österreich-Geschäftsführer Hartwig Kirner: Trotz Krise mehr Umsatz
Apropos Schokolade und Süßwaren: 70 Prozent des weltweit gehandelten Kakaos liefern zwei Länder – Ghana und die Elfenbeinküste. Das große Geschäft mit den Kakaobohnen machen aber nicht die Bauern in den beiden afrikanischen Ländern, sondern die großen Konzerne entlang der Wertschöpfungskette.
Schätzungen zufolge erwirtschaften fünf Konzerne zwei Drittel des weltweiten Schokolade-Umsatzes. Entsprechend groß ist die Marktmacht der großen Kakaoverarbeiter Cargil, Olam und Barry Callebout. Und entsprechend schwach die Verhandlungsmacht der afrikanischen Kleinbauern.
Fairer Preis gescheitert
Die Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas haben daher vor drei Jahren zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegriffen und einen staatlichen Fonds gegründet, in den Rohstoffhändler 400 Dollar pro Tonne gekauftem Kakao einzahlen müssen. Geld, das verwendet werden sollte, um die Einkommen der Bauern bei sinkenden Weltmarktpreisen zu stabilisieren.
Klingt theoretisch gut, scheint in der Praxis aber nicht funktioniert zu haben, beobachtet Kirner. „Der Weltmarktpreis ist mysteriöserweise genau im Ausmaß dieses Aufschlags gesunken.“ Was den Verdacht nahe legt, dass die großen Händler und Verarbeiter ihre Lager vor Einführung der Prämie randvoll aufgefüllt haben und erst einmal den Kauf von Kakaobohnen aus den beiden Ländern eingestellt haben.
Die Fabriken wurden aus den eigenen Lägern beliefert, der Weltmarktpreis mangels Nachfrage auf Talfahrt geschickt. „Wenn Kakao die Haupteinnahmequelle des Landes ist, wird die Regierung eben schnell einmal nervös“, mutmaßt Kirner, warum die Preise ausgerechnet in der Größenordnung der Prämie gesunken sind.
Lippenbekenntnisse
Aus seiner Sicht ein einziges Ärgernis. Einerseits würden alle Firmen und Marken gern mit Nachhaltigkeitsthemen werben, andererseits würden nicht einmal existenzsichernde Löhne an die Bauern gezahlt werden. Fairtrade habe jedenfalls den Mindestpreis und die zusätzliche Prämie für Kakaobohnen bereits 2019 um jeweils 20 Prozent erhöht, um die Bauern zu unterstützen.
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