EZB sieht Abschwung und prüft Anleihenkäufe

Euro-Inflationsrate
Die EZB erwartet einen Abschwung im Euroraum. Neben einer Leitzins-Senkung wird auch über die Wiederauflage der Anleihenkäufe nachgedacht.

USA und China im Handelskrieg, bei dem sich beide Partner immer wieder aufs Neue mit neuen Strafzöllen eindecken und wo nun auch der Vorwurf der Währungsmanipulation im Raum steht; Japan, das mit Südkorea über Exportschranken streitet; ein mehr als unklarer Brexit-Fahrplan; Europas-Konjunkturlokomotive Deutschland, die von einer schwächelnden Industrieproduktion wohl auf längere Sicht gebremst wird; eine US-Notenbank, die nach zehn Jahren erstmal wieder den Leitzins gesenkt hat und sogleich eine Riege an Nachahmern im asiatisch-pazifischen Raum fand: Angesichts solcher Belastungen für das Weltwirtschaftsklima blickt die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sorge auf die Konjunktur.

Anhaltende Unsicherheiten, eine zunehmende Gefahr des Protektionismus sowie Anfälligkeiten in Schwellenländern drückten auf die Stimmung in der Wirtschaft, insbesondere in der Industrie, teilte die EZB in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Wirtschaftsbericht mit.

Inflation

In diesem Umfeld bleibe auch der Inflationsdruck verhalten. Aus Sicht der Notenbank ist daher weiterhin ein erhebliches Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung notwendig. Der frühere EZB-Chef Jean-Claude Trichet warnte jüngst wegen der niedrigen Inflation vor einer möglichen Krise. "Wenn sie zu lange zu niedrig bleibt, kann sie zu Perioden von Deflation, also insgesamt fallenden Preisen führen", sagte er dem gegenüber dem Handelsblatt. Dies wäre extrem schädlich.

Trichet erklärte, es gebe vier Faktoren, mit denen man gegensteuern könnte: Geldpolitik, Finanzpolitik, strukturelle Reformen und das Verhalten der Sozialpartner. "Aus Sicht der Notenbanken haben sie selbst zweifellos am meisten geleistet, während die anderen drei Bereiche vernachlässigt wurden." Die EZB werde "bisher allein gelassen", sagte der ehemalige EZB-Präsident. "Wie sie selbst immer wieder betont, kann das nicht immer so weitergehen - sonst werden wir die nächste tiefe Krise erleben."

Anleihenkäufe

Wegen der gestiegenen Konjunktursorgen hatten die Euro-Wächter auf ihrer Zinssitzung im Juli die Möglichkeit nach noch tieferen Leitzinsen angedeutet. An sich sollten diese bis Mitte 2020 stabil gehalten werden. Nun gilt als ziemlich sicher, dass bei der kommenden Zinssitzung im September der Einlagezins gesenkt wird. Die Euro-Notenbank hat den Satz erstmals 2014 auf unter null Prozent gesenkt. Bei einem negativen Satz müssen Geschäftsbanken Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Zentralbank überschüssige Gelder parken.

Banken klagen, dass die Einlagezinsen unter Null zu sehr am Gewinn zehren würden. Nun aber soll ein abgestuftes System eingeführt werden, in dem die Banken umso mehr zahlen müssen, je mehr Geld sie horten. Bei kurzfristigen Kapitalspritzen und sogenannten Übernachtkrediten werden wie bisher 0,25 Prozent Zinsen fällig.

Die EZB prüft außerdem eine Wiederauflage ihrer umstrittenen Anleihenkäufe. Im März 2015 hat die Zentralbank mit einem großangelegten Kauf europäischer Staatsanleihen begonnen. Bis Ende Dezember 2018 wurden Euro-Länder Wertpapiere im Volumen von rund 2,6 Billionen Euro erworben. Seit Jänner werden nur noch ablaufende Anleihen ersetzt. Gegen das Programm wurden mehrere Verfassungsbeschwerden eingelegt.

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