EZB greift zu letzten Mitteln: Leitzins nun bei 0,0 Prozent

EZB greift zu letzten Mitteln: Leitzins nun bei 0,0 Prozent
Strafzins für Bankeinlagen wird erhöht, Anleihenkaufprogramm ausgeweitet.

Die Europäische Zentralbank (EZB) legt im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche massiv nach - zum zweiten Mal binnen drei Monaten. Die Währungshüter senkten den Leitzins am Donnerstag überraschend von 0,05 Prozent auf Null Prozent.

EZB greift zu letzten Mitteln: Leitzins nun bei 0,0 Prozent
Leitzins Fed und EZB seit 2000 - Kurvengrafik GRAFIK 0282-16, 88 x 70 mm
Zudem müssen Banken wie erwartet künftig noch mehr Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, statt Kredite an Unternehmen und Verbraucher zu vergeben. Auch die milliardenschweren Anleihenkäufe werden weiter ausgeweitet. Und es gibt neue Langfristkredite für Banken.

Anleihenkaufprogramm wird ausgeweitet

Seit einem Jahr steckt die EZB Monat für Monat 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Die Maßnahme, die im Fachjargon "Quantitative Easing"oder kurz QE genannt wird, wurde erst im Dezember um ein halbes Jahr bis mindestens März 2017 verlängert. Ab April will die EZB nun monatlich 80 Milliarden Euro investieren. Zudem werden weitere Papiere in den Korb aufgenommen.

Nochmals verschärft wurde der Strafzins für Bankeinlagen. Statt 0,3 Prozent müssen Geschäftsbanken künftig 0,4 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld kurzzeitig bei der EZB parken. Mit dem negativen Einlagenzins wollen die Währungshüter die Kreditvergabe im Euroraum ankurbeln. Müssen Banken mehr für das Bunkern von Liquidität zahlen - so die Theorie - bringt sie das eher dazu, das Geld als Kredit an Verbraucher und Unternehmen weiterzureichen.

Sparer müssen weiter leiden

Die Strafgebühr für Bankeinlagen ist umstritten. Ökonomen befürchten, dass Banken die Kosten auf ihre Kunden abwälzen könnten, statt mehr Kredite zu vergeben. Dadurch könnten Sparer, die bereits unter den Niedrigzinsen der EZB leiden, noch mehr in Mitleidenschaft gezogen werden.

Ab Juni wird die EZB den Banken im Euroraum weitere zielgerichtete Langfristkredite mit vier Jahren Laufzeit anbieten (TLTRO) - mit negativen Zinsen. Zuletzt war die Nachfrage nach solchen Krediten verhalten.

Hoher Einsatz, wenig Wirkung

Bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld nicht im gewünschten Maß in der Wirtschaft an. Die Konjunktur im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller. Im Euroraum fielen die Verbraucherpreise im Februar erstmals seit einem halben Jahr sogar wieder: Die Inflationsrate ging auf minus 0,2 Prozent zurück. Das viele billige Geld sollte die Inflation anheizen. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird. Die EZB strebt daher mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.

Börsen jubeln, Trump mault

An den großen europäischen Börsen wurde die historische Zins-Eliminierung mit Jubel begrüßt. Kaum waren die EZB-Beschlüsse bekannt, schossen die Kursniveaus in die Höhe. Der Euro verlor gegenüber dem US-Dollar kurz an Boden, erholte sich danach aber wieder. Trotzdem kam vom republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump postwendend scharfe Kritik an der EZB. In der Abwertung von Währungen sieht er eine Gefahr für die Arbeitsplätze in den USA.

Nach Ansicht des Wifo-Bankenexperten Franz Hahn wird der jetzige Schritt der EZB die Banken nicht dazu bringen, mehr Kredite zu vergeben. "Die Banken verdienen ja an der Fristentransformation", so Hahn. Aber "wenn sie kurzfristig null Prozent kriegen und langfristig auch null Prozent, dann bringt ihnen das nichts".

"An diesen flachen Zinsstrukturkurven können nur jene Banken Nettozinserträge erzielen, die sehr schlanke Kostenstrukturen haben", sagte Hahn. Dass die Banken ihren Kunden für Einlagen Negativzinsen verrechnen werden, "würde ich fast ausschließen", so der Wifo-Experte, "weil dann nimmt jeder sein Packl Geld und versteckt es in der Truhe".

EZB greift zu letzten Mitteln: Leitzins nun bei 0,0 Prozent
Das Geld wurde von Polizei und Feuerwehrtauchern geborgen.
"Die Banken werden aber ihre Gebührenpolitik viel kostenorientierter betreiben müssen, also alle Dienstleistungen, die sie anbieten, als Kostenposition kalkulieren." So könnten sie künftig auch Bankomatgebühren verlangen. Jedenfalls müssten die Banken weiter rationalisieren: "Personalaufwand ist das zentrale Problem, Filialschließungen längst überfällig."

Von den Banken hieß es am Donnerstag jedenfalls einhellig, man wolle die Sparer nicht zur Kassa bitten. Weniger als null gehe nicht, hieß es etwa aus der Erste Bank.

Deutsche Ökonomen reagierten auf den Zinsen-Kahlschlag der EZB überaus verhalten, eine Stimmenauswahl:

  • ANDREAS BLEY, CHEFVOLKSWIRT DES BANKENVERBANDS BVR: "Die heute vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen zur Ausweitung der Liquidität werden nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Noch mehr billiges Geld und bizarre Welt der negativen Zinsen verunsichert Unternehmen und Verbraucher, noch niedrigere Zinsen führen nicht zu mehr Investitionen. Im Gegenteil."
  • ALEXANDER ERDLAND, PRÄSIDENT DES VERSICHERERVERBANDS GDV: "Die EZB hat sich noch tiefer in die Sackgasse manövriert….Mittlerweile ist sogar zu befürchten, dass diese unorthodoxe Geldpolitik das Gegenteil von dem bewirkt, was eigentlich beabsichtigt ist - nämlich mehr Wachstum und eine höhere Inflation. Die Notenbank läuft daher zunehmend Gefahr, von den Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns eingeholt zu werden."
  • LIANE BUCHHOLZ, VÖB-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRERIN: "Die EZB beschleunigt ihre geldpolitische Irrfahrt. Die heutige Zinsentscheidung der EZB verstärkt den Abwärtsstrudel für die Sparer. Langfristige Altersvorsorgekonzepte werden ebenso entwertet, wie zinsabhängige Institute in risikoreichere Geschäfte gedrängt werden."
  • MICHAEL KEMMER, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER VOM BANKENVERBAND BDB: "Es ist vollkommen unnötig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn heute noch weiter aufgedreht hat. Die Notenbank überzeichnet die Deflationsrisiken. Der Geldmarkt im Euroraum ist durch die EZB-Politik faktisch stillgelegt."
  • JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT: "Doktor Draghi hat die Dosis deutlich erhöht. Diese Geldpolitik wird kaum in der Realwirtschaft ankommen. Denn die Nebenwirkungen sind massiv. Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt. Außerdem wird der Anreiz für Euro-Länder gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen. Alles in allem verschlechtert diese lockere Geldpolitik langfristig die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, so dass sie sich heute schon zurückhalten. Die Medizin wird nicht wirken, auch wenn man die Dosis erhöht."

Eine Bank tritt in den Streik: Der Chef der deutschen Ethikbank, Klaus Euler, und seine Mitarbeiter wollen so am 16. März gegen die "überbordende Kontrollbürokratie" der EU und die "repressive Niedrigzinspolitik" der EZB protestieren. Kleine Banken würden dadurch gezwungen, Filialen zu schließen und ins Spekulationsgeschäft einzusteigen.

"Täglich mit dem Wahnsinn konfrontiert"

Am Mittwoch kommender Woche werde bei der Ethikbank niemand erreichbar sein, weder persönlich noch per Telefon oder E-Mail, teilte das Geldinstitut mit. Aufgerufen zu der Protestaktion habe der Vorstand. Die Idee sei aber aus den Reihen der Mitarbeiter gekommen, erklärte Bank-Chef Euler. Sie seien "täglich mit diesem Wahnsinn konfrontiert".

Die Kontrollmechanismen der EU ließen sich von Volksbanken und Sparkassen kaum noch schultern und schränkten den Handlungsspielraum erheblich ein. Sie seien "maßlos übertrieben", erklärte Euler, da nicht zwischen regional agierenden Instituten und den großen Bankkonzernen unterschieden werde. Die Niedrigzinspolitik der EZB nehme den mittelständischen Banken die Haupteinnahmequelle - das Zinsergebnis.

Leidtragende seien auch die Sparer, die keine Zinsen mehr bekommen, und mittelständische Unternehmen, deren Bankbeziehung von persönlichem Vertrauen geprägt sei, erklärte Euler. Einige Kunden der Ethikbank hätten angekündigt, sich dem Streik anzuschließen.

Die Ethikbank ist eine von wenigen kleinen Banken in Deutschland, die Kredite streng nach ökologischen und ethischen Kriterien vergeben. Daneben gibt es beispielsweise noch die Triodos Bank und die GLS Bank.

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