Exporte nach Russland "brechen weg"

Rupprechter: Neue Märkte für Export
Bis Jahresende schon 40 bis 50 Millionen Euro Schaden für heimische Erzeuger.

Die Landwirtschaft in der Europäischen Union leidet doppelt unter dem russischen Importstopp: Zum einen fällt ein, wie Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sagt, "interessanter" Absatzmarkt weg. Zum anderen wird befürchtet, dass die Preise im Binnenmarkt unter Druck geraten, weil durch die nicht exportierten Waren ein Überschuss entsteht.

Österreichs Agrariern dürfte laut einer Studie des WIFO, die Rupprechter am Freitag am Rande eines Sonder-Agrarrates in Brüssel vorlegte, allein von August bis Dezember ein Schaden von 40 bis 50 Millionen Euro durch weggefallene Exporte entstehen. Zuletzt hatte Österreich jährlich Nahrungsmittelprodukte im Wert von 240 Millionen Euro nach Russland exportiert – knapp drei Prozent der Gesamt-Exporte.

"Ich rechne damit, dass der russische Markt wegbrechen wird", sagt Rupprechter. Er gehe aber davon aus, "dass wir das mit einer gezielten Exportoffensive in den nächsten beiden Jahren wettmachen können." Als neue Absatzmärkte seien unter anderem China, Korea, der Nahe Osten und Nordafrika im Visier.

Um die Folgen der russischen Sanktionen zu mildern, wird in Brüssel nun in die Geldtöpfe gegriffen: 60 Millionen Euro will die EU-Kommission für die Eroberungen neuer Märkte zur Verfügung stellen; Österreichs Anteil beträgt 1,2 Millionen.

Darüber hinaus könnte – etwa für Direktzahlungen an Bauern – die Krisenreserve aus dem EU-Haushalt genutzt werden: Jährlich sind hier 400 Millionen Euro eingeplant, im Bedarfsfall kann Geld aus den kommenden Jahren vorgezogen werden.

Die EU-Bauern bleiben auf ihren Exporten sitzen und befürchten, dass die Preise weiter verfallen. Die russische Bevölkerung stöhnt über den gegenteiligen Effekt: Die Lebensmittelpreise sind im August um 10,3 Prozent gestiegen. Besonders stark haben sich Fleisch, Milch und Fisch verteuert – und das, obwohl die generelle Inflationsrate fast bei null lag. Der Teuerungsschub ist hausgemacht: Es war Präsident Wladimir Putin, der den Importstopp für EU-Waren verhängt hat.

Über die Wirkung der Sanktionen, die die EU im Juli beschlossen hat, um Putin zum Meinungsschwenk in Sachen Ukraine zu bewegen, sind die Meinungen geteilt. Diplomaten in Brüssel hatten sich insbesondere von den Finanzsanktionen kurzfristige Wirkung versprochen. Russische Großbanken, die mehrheitlich in Staatsbesitz sind, und ausgewählte Unternehmen dürfen im Westen keine Kredite mit Laufzeiten über 90 Tagen aufnehmen. Als Erfolg wertet das Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem: „Es war ein weiser Ansatz. Wir haben durchaus die Möglichkeit nachzulegen“, sagte er im EU-Parlament. Womöglich werden auch kürzere Kreditgeschäfte verboten.

Ein Indiz für die Wirkung: Rosneft musste kürzlich den Staat um eine Finanzierungshilfe bitten. Der Erdölriese wälzt einen Schuldenberg von gut 30 Milliarden Euro. Der Putin-Vertraute und Rosneft-Chef Igor Setschin dementierte im Nachrichtenmagazin Der Spiegel jedoch einen Zusammenhang. Auch westliche Ökonomen sind skeptisch, ob die Sanktionen zum Ziel führen: Für Putin seien sie eine willkommene Ausrede für die Wirtschaftsmisere. Viele russische Unternehmen sitzen auf gut gefüllten Geldpolstern – oder weichen auf andere Märkte aus: Man werde mehr Investoren in Asien und arabischen Staaten gewinnen, antwortete die Zentralbank in Moskau auf Gerüchte, wonach die EU den Kauf russischer Staatsanleihen verbieten könnte.

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