Krisenpaket für heimische Betriebe gefordert
War der Apfel nur der Anfang? In Schladming wurden kürzlich Wanderer mit Gratis-Äpfeln versorgt, die wegen der Sanktionen an der Grenze liegen geblieben waren und wieder zurückgeschickt wurden.
Um für eine Verschärfung der Sanktionen gewappnet zu sein, fordert die WKÖ ein Krisenpaket für Österreichs Wirtschaft. Dieses soll etwa Garantien und Haftungen sowie Arbeitsstiftungen für gekündigte Mitarbeiter betroffener Betriebe beinhalten. "Wer andere sanktioniert, der sanktioniert sich selbst", so WKÖ-Chef Christoph Leitl, der einen Handelskrieg mit Russland strikt ablehnt.
Ein Grund - Österreich ist wirtschaftlich enger mit Russland verflochten als viele andere EU-Länder:
Exporte
Russland ist das zehntwichtigste Exportland, etwa 1200 heimische Betriebe liefern Waren nach Russland, zuletzt im Wert von knapp 3,5 Mrd. Euro. Neun Prozent davon waren übrigens Lebensmittel.
Tourismus
Nach den ersten Einbußen im Städtetourismus bangen nun die Skigebiete in Tirol und Salzburg um die russischen Wintergäste. Immerhin 70 Prozent der Nächtigungen finden von November bis April statt. Die Buchungen dafür beginnen im Oktober, weshalb eine Eskalation fatal wäre, heißt es beim Salzburger Land Tourismus: "Die Flug-Kontingente sind bereits gebucht, wir hoffen, dass die Flieger auch voll werden." Bei der Tirol Werbung, die bei den Olympischen Spielen in Sotschi um russische Gäste warb, betrachtet man weniger die Sanktionen als den schwachen Rubel mit Sorge. Dieser würde den Tirol-Urlaub deutlich verteuern.
Banken
Raiffeisen Bank International (RBI) und Bank Austria zählen zu den zehn größten Banken in Russland. 40 Prozent des Ertrags der RBI kommen von ihrer russischen Tochter. Noch spürt die RBI kaum Auswirkungen der Krise. Je weiter der Sanktionswettlauf fortschreite, desto schwerer werde es, wieder aufeinander zuzugehen, sagte RBI-Chef Karl Sevelda kürzlich. "Wir halten Russland nach wie vor mittel- und langfristig für einen attraktiven Bankenmarkt und werden in diesem Markt bleiben." Und die Angst-Szenarien? Darüber spricht niemand offen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Putin im Falle eines Wirtschaftskrieges darum kümmern könnte, ausländische Banken aus seinem Land hinauszudrängen. Niemand weiß, ob die österreichischen Institute dann nicht plötzlich ihre Banklizenz verlieren könnten.
Energie
Als Gegenreaktion auf Sanktionen könnte Russland aufs Gas steigen und damit Versorgungsängste auslösen. Österreich ist zu knapp 56 Prozent von Russen-Gas abhängig. Ein Lieferstopp durch die Ukraine könnte mit anderen Pipelines umgangen werden, bei einem völligen Ausfall würden die Vorräte zumindest ein paar weitere Monate reichen. Die Gasspeicher sind fast voll.
In Brüssel arbeiten hohe Beamte des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der EU-Kommission intensiv an einem neuen, verschärften Sanktionen-Paket gegenüber Russland. Das ist der Auftrag der 28 Staats- und Regierungschefs vom Sondergipfel am Samstag. Innerhalb einer Woche soll es neue Sanktionen geben, wenn Russland nicht zur Deeskalation der Lage in der Ostukraine bereit ist.
Am Mittwoch werden sich die EU-Kommissare in ihrer wöchentlichen Sitzung mit den Sanktionen befassen. Einige Informationen sind schon durchgesickert: Die neuen Strafmaßnahmen dürften sich auf den Finanzsektor konzentrieren, weil dies eher die russische Regierung und weniger die Bevölkerung treffe. "Die Sanktionen sollen der Regierung richtig weh tun", sagte ein hoher EU-Diplomat.
Die Strafen könnten mit den USA abgestimmt werden, um eine noch größere Wirkung zu entfalten. Künftig könnte auch der Verkauf von russischen Staatsanleihen verboten werden, um der russischen Regierung die Aufnahme von neuem Kapital zu erschweren.
Neben dem Finanzbereich soll von den Sanktionen auch der Technologietransfer, im besonderen zur Ölförderung, betroffen sein, Güter, die man militärisch und zivil nützen kann, sowie ein Verbot neuer Rüstungsgeschäfte mit Russland.
Waffen-Boykott
Grundsätzlich verspricht er sich mehr vom Dialog und politischem Druck. "Es soll niemand glauben, dass eine Verschärfung des Ukraine-Russland-Konflikts nicht auch wirtschaftliche Folgen für Europa und Österreich hat. Darauf müssen wir uns gründlich vorbereiten", warnte der Bundeskanzler.
Seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel (CDU) verteidigte am Montag weitere Sanktionen gegen Russland. Diese seien selbst dann richtig, wenn sie auch der deutschen Wirtschaft schaden könnten, entgegnete sie kritischen Stimmen von Ökonomen und Unternehmen, für die Sanktionen "ein Gift für die Wirtschaft" seien.
"Ich habe darauf hingewiesen, dass es natürlich etwas bedeuten kann, auch für die Unternehmen", sagte Merkel. "Was es bedeuten kann, wenn man in Europa ohne Folgen Grenzen verschieben kann und andere Länder sozusagen mit seinen Truppen angreifen kann, das ist aus meiner Sicht eine viel größere Gefahr, als wenn jetzt zeitweise bestimmte Nachteile für die Wirtschaft zu akzeptieren sind." Merkel sei klar, dass "Russland den Versuch unternimmt, bestehende Grenzen unter Androhung oder sogar unter Einsatz von Gewalt zu verschieben", sagte sie am Montag in einer Regierungserklärung im Bundestag.
Erneut erklärte sie, dass die EU keine militärische Lösung des Konflikts in der Ostukraine wolle. "Aber einfach hinnehmen kann man dieses Verhalten Russlands auch nicht." Deshalb sei es richtig, neue Sanktionen vorzubereiten.
Der russische Präsident Wladimir Putin appellierte indessen an den Westen, sich bei der Diskussion über weitere Sanktionen gegen sein Land vom "gesunden Menschenverstand" leiten zu lassen. Er hoffe, dass in einer "normalen, zeitgemäßen Art und Weise" miteinander umgegangen werde und keine Seite unter gegenseitigen Strafmaßnahmen leiden müsse, erklärte Putin gegenüber Interfax.
Putins Worte schenkt man in der EU aber kaum Glauben. "Es ist keine Zurückhaltung angebracht, wenn es darum geht, den politischen Druck auf Putin zu erhöhen", betonte Kanzler Faymann. Er wirft Putin "Verschleierungstaktik" vor, die er sofort beenden müsse. "Beim Völkerrecht und bei der Freiheit, die Europa einigt, muss der politische Druck auf Putin erhöht werden." Auch Faymann ist gegen eine "militärische Logik".
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