Experte: Ölpreisverfall vor allem wegen Corona-Konjunkturängsten

Saudi-arabischer Öl-Konzern Aramco senkt Ölpreis
Weil Russland bei der ab Anfang April geplanten Ölförderkürzung nicht mitziehen wollte, kommt auch die am Donnerstag in Aussicht gestellte Kürzung der OPEC-Länder nicht zustande.

Für Raiffeisen-Analyst Hannes Loacker ist der starke Ölpreisverfall um mehr als ein Viertel an diesem Montag nicht nur vom Ölkonflikt zwischen Saudis und Russland bestimmt, sondern vor allem durch Konjunkturängste wegen der Coronavirus-Auswirkungen. Sollten die Saudis den Ölhahn wie angedroht voll aufdrehen, seien unter 30 Dollar/Fass möglich, bei Gesprächen zwischen Moskau und Riad wieder über 40 Dollar.

Übers Wochenende habe sich gezeigt, dass die Ausbreitung des Coronavirus in Italien viel schneller als erwartet erfolge, das betreffe große Regionen und eine ganze Volkswirtschaft. Dadurch seien am Montag die Börsen weltweit stark nach unten gedrückt werden - nicht nur von den Konjunktur-Ängsten, auch technisch bedingt. "Die Konjunktur ist das ausschlaggebende - deshalb wollten sich die OPEC- und Nicht-OPEC-Länder ja für weitere Förderkürzungen in Wien treffen", erinnerte Loacker.

Weil Russland bei der ab Anfang April geplanten Ölförderkürzung nicht mitziehen wollte, kommt auch die am Donnerstag in Aussicht gestellte Kürzung der OPEC-Länder nicht zustande. "Da die alten Förderregelungen Ende März auslaufen, kann ab Anfang April jedes Land so viel produzieren wie es will", sagte der Rohstoffanalyst von Raiffeisen Capital Management (RCM) im APA-Gespräch. Und nach dem Platzen einer Einigung zwischen OPEC, namentlich dem größtem Förderland Saudi-Arabien, und Russland hätten die Saudis ihre neuen Ölpreise für Kunden in Asien mit einem Rabatt von 6 bis 8 Dollar pro Barrel bekanntgegeben. "Einen so hohen Rabatt gab es in den letzten zwanzig Jahren nicht", so Loacker: "Es geht also um Marktanteilsgewinne", etwa stark zulasten Russlands. "Diese Signale haben den Finanzmärkten nicht geschmeckt."

Der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee brach am Montag um zeitweise bis zu 31,5 Prozent auf 31,02 Dollar je Barrel (159 Liter) ein und steuerte auf den größten Tagesverlust seit dem Golfkrieg 1991 zu. Dem Terminkontrakt auf die US-Sorte WTI drohte mit einem Rückgang von bis zu 33,8 Prozent das größte Minus seiner fast 40-jährigen Geschichte. Der Brent-Preis erholte sich am Vormittag wieder leicht auf 32,83 Dollar.

Bei den jetzigen niedrigen Ölpreisen gebe es eigentlich "nur Verlierer", meint der RCM-Fondsmanager - vielleicht einmal abgesehen von den Autofahrern, die sich immer über billigeren Sprit freuen. Die Saudis würden für einen ausgeglichen Staatshaushalt eigentlich einen Ölpreis von 70 Dollar benötigen, im Falle Russlands seien es weniger, jedoch wünsche sich Moskau doch mehr als 40 Dollar pro Fass. Möglicherweise wollten die Saudis mit ihrer Drohung, ihre tägliche Produktion von unter 10 auf mehr als 11 Mio. Barrel pro Tag anzuheben, auch die US-Schieferöl-Produktion "angreifen, wie schon 2014/15", schließt Loacker nicht aus. Je nach Region bräuchten die Shale-Oil-Produzenten 35 bis 60 Dollar Ölpreis, der Sektor sei aber sehr flexibel und könne nach einer Drosselung aber auch binnen weniger Monate wieder am Markt sein. Bisher hatten die Saudis dem Experten zufolge erst einmal mehr als 11 Mio. Barrel/Tag gefördert, nämlich 11,07 Mio. im November 2018.

Im zweiten Halbjahr 2020 könnte die Situation am Ölmarkt ohnedies wieder anders aussehen, so Loacker. Erstens zeichne sich die zweite Jahreshälfte generell saisonal bedingt durch eine stärkere Nachfrage aus, zudem könnte auch in Sachen Coronavirus die Lage ganz anders sein. Das jetzige erste Halbjahr sei durch Nachfrageschwäche gekennzeichnet - wie saisonal üblich, zudem aber auch durch die Einschränkungen aufgrund der Corona-Epidemie wie Flug- und Reisebeschränkungen sowie konjunkturelle Rücksetzer. "Das sind Konjunktursorgen, die momentan gespielt werden", sagt der Experte, verstärkt durch die Corona-Folgen. Ende 2019 sei der Ölpreis unter 65 Dollar gelegen, später kurz über 70 Dollar gestiegen. Seit Mitte Februar sei Öl in Summe 40 Prozent billiger geworden.

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